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Neonazi-Drohvideos bei Youtube

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Vor etwa einem Jahr hatte Rainer Sauer in der 75 000 Einwohnerstadt im Münsterland die Bürgerinitiative ?Bocholt stellt sich quer? ins Leben gerufen. Seitdem wird der 51-Jährige von Neonazis bedroht. Höhepunkt der Kampagne: Eine körperliche Attacke von einem halben Dutzend Rechtsextremer auf Sauer vor wenigen Wochen in der Bocholter Innenstadt und das Youtube-Video vom vergangenen Wochenende. Auch weitere Mitstreiter Sauers aus der Bürgerinitiative wurden von den Neonazis mit persönlichen ?Videobotschaften? mitsamt Fotos und Namen per Youtube bedacht. Die Neonazis versuchen sie zu erpressen. Sie sollten sich von Aktionen der Bürgerinitiative gegen Rechtsextremismus distanzieren und nicht mehr mitmachen, dann würden ihre Bilder auch nicht mehr auf Youtube gezeigt. Untermalt sind die martialischen Clips mit der musikalischen Botschaft ?Ich sterb? für Deutschland den Heldentod?.

Strafanzeige gegen Unbekannt

Rainer Sauer hat auf das Video sofort reagiert und Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt. Parallel dazu wandten sich dutzende von Youtube-Nutzern an das Portal mit der Aufforderung, den neonazistischen Drohfilm zu entfernen. Mit Erfolg: Nach 48 Stunden erschien lediglich noch der Hinweis ?Konto wurde vorübergehend gesperrt? und ?Dieses Video wurde auf Grund eines Verstoßes gegen die Nutzungsbedingungen entfernt?. Das Internetportal Youtube war in den letzten Monaten immer wieder in die Kritik geraten, weil Neonazis hier ungehindert antisemitische Propagandafilme einstellen konnten. Jetzt hat der Mutterkonzern Google eine restriktivere Politik angekündigt. ?Wir distanzieren uns in aller Entschiedenheit von volksverhetzenden Inhalten auf Youtube,? hatte beispielsweise Google-Sprecher Kay Oberbeck im Oktober 2007 im Interview mit stern.de gesagt. Diese Inhalte seien ?illegal und verstoßen gegen die Youtube-Richtlinien.? Trotzdem nutzen deutsche Neonazis Youtube offenbar weiterhin für so genannte ?Anti-Antifa?-Aktivitäten, indem sie ? nicht nur im aktuellen Fall aus Bocholt – persönliche Drohungen gegen politische Gegner auf der Plattform einstellen.

Erfolgreiche Bürgerinitiative

Aufmerksam auf die zunehmenden Aktivitäten der so genannten ?Autonomen Nationalisten? und des NPD-Kreisverbands Wesel-Bocholt wurde Rainer Sauer im Frühjahr 2007 eher zufällig. Gemeinsam mit anderen wollte der 51-Jährige, der auch Kreissprecher der Partei Die Linken ist, einen Informationsstand zu den Protesten gegen das G8-Gipfeltreffen in Heiligendamm bei Rostock organisieren. Eher nebenbei erfuhren sie dabei, dass die NPD im Mai 2007 ebenfalls zu dem Thema einen Infostand durchführen wollte. ?Wir haben dann innerhalb von vier Tagen 500 Menschen zu einer Demonstration und einer Kundgebung gegen den NPD-Infostand mobilisiert?, erzählt der Gewerkschafter.

Schon damals gingen Rechtsextremisten mit Gewalt gegen ihre Gegner vor. Bei einem öffentlichen Vorbereitungstreffen für die Protestaktionen in einer Gaststätte wurden mehrere Teilnehmer von 15 Neonazis vor der Tür erwartet und bedroht. Parallel dazu begannen die persönlichen Drohungen gegen Sauer. Unbekannte bewarfen das Haus seiner Familie über Wochen mit rohen Eiern, fuhren nachts vor dem Eigenheim auf, spielten neonazistische Musik ab und stopften Küchenschaben in seinen Briefkasten.

Dennoch hatte die Bürgerinitiative weiter großen Zulauf. ?Wir treffen uns meistens mit 35 bis 45 Menschen?, sagt Sauer. Als man dann erfuhr, dass der NPD Kreisverband Wesel/Borken am 8. September 2007 eine Demonstration in Bocholt angemeldet hatte, mobilisierte die Bürgerinitiative über Wochen in der Stadt. Am Tag des Neonazi-Aufmarsches waren die Rechtsextremisten deutlich in der Minderheit. Nach einem kostenlosen Konzert gegen Rechts zogen mehr als 2000 Bocholter Bürger mit dem Transparent ?No Nazis. Bocholt stellt sich quer? durch die Stadt.

Verschweigen verstärkt das Problem

Nach der erfolgreichen Mobilisierung der Bürgerinitiative, die auch eine eigene Zeitung herausgegeben hat, verstärkten die Neonazis ihre Hetzkampagne gegen Rainer Sauer, der damals als Sprecher der Bürgerinitiative häufig in der Öffentlichkeit auftrat. ?Meistens kommen sie am Wochenende,? sagt Sauer. So wie im Winter als er mit seiner Ehefrau von einem Besuch in der Stadt nach Hause zurückkehrte und sich plötzlich einem Dutzend Neonazis gegenübersah, die sein Auto umringten. ?Wenn mein Nachbar in diesem Moment nicht dazu gekommen wäre und die Polizei alarmiert hätte, hätte das auch anders enden können?, erinnert sich Sauer.

Der Gewerkschafter kritisiert, dass die Polizei in Bocholt die wachsenden Aktivitäten der Neonazis nicht ernst genug nimmt. ?Dieses Verharmlosen und Verschweigen gibt den Rechtsextremisten erst den Raum, immer offensiver vorzugehen.? Im Polizeipräsidium Münster, dessen polizeilicher Staatsschutz auch für Bocholt zuständig ist, bestätigt ein Pressesprecher, man habe in der jüngsten Zeit eine erhöhte Aktivität von Rechtsextremisten festgestellt. Man könne dies allerdings nicht an der Anzahl von entsprechenden Strafverfahren festmachen.

Rainer Sauer sagt, für ihn stelle das Video eine neue Dimension der Bedrohung dar: ?Weil es überall zu sehen war, weiß man einfach nicht, ob es nicht irgendwelche Rechten gibt, die sich dadurch zu gewaltsamen Aktionen geradezu ermutigt fühlen.? Aufhören sich zu engagieren kommt für ihn nicht trotzdem in Frage. ?Ich lasse mich nicht einschüchtern. Es gibt hier so viele Menschen, die sich gegen Rechtsextremismus wehren, dass es uns allen Mut gibt weiter zu machen.?

Zum Thema

| Die rechtsextreme ?Anti-Antifa?-Strategie

| Jung und gewalttätig ? die ?Autonomen Nationalisten?

Weblinks

| Webseite von ?Bocholt stellt sich quer?

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