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Rechtes Modelabel NPD-Mann betreibt Online-Versandhandel „Herzgebirge“

Der Versandhandel „Herzgebirge“ verkauft über seine Website Bekleidung mit vermeintlich harmlosen, lokalpatriotischen Bezug zum Erzgebirge. Doch der Betreiber der Seite ist ein langjähriger Neonazi, der für die NPD in der Lokalpolitik aktiv war und vor einigen Jahren noch einen Laden für neonazistische Kleidung betrieb.

 
"Herzgebirge" hatte auch einen Stand auf dem Haamitleit e.V." (Quelle: Robert Claus)

„Herzgebirge – tief verwurzelt“: Unter diesem Label vertreibt Markus S. aus dem erzgebirgischen Großrückerswalde nahe der tschechischen Grenze Kleidung, CDs und Bücher mit Bezug zum Erzgebirge. Mit den Produkten wolle man den Kunden „ein Stück Erzgebirge“ näherbringen und wer „ausgefallene sowie Heimatverbundende Motive“ suche, sei bei Herzgebirge genau richtig. Lokalpatriotisch, in der Heimat verwurzelt: So präsentiert sich der Online-Shop auf der eigenen Website.

Immer wieder taucht auf den angebotenen Waren der Spruch „Deitsch un Frei, wolln mer sei“ auf. Der Ausspruch stammt von dem 1876 geborenen Volksdichter Anton Günther und wurde schon im Dritten Reich durch die NSDAP genutzt. Auch heute nutzen zahlreiche neonazistische Gruppierungen den Ausspruch für sich: Die NPD bezog sich im Bundestagswahlkampf 2013 auf Wahlplakaten im Erzgebirge mit dem Spruch „Unser Anton würde NPD wählen!“ auf den Liedermacher. Bei den rechtsextremen Ausschreitungen in Chemnitz und den darauffolgenden wöchentlichen Demonstrationen von „Pro Chemnitz“ wurde der Spruch immer wieder aufgegriffen. Und auch verschiedene rechtsextreme Heimatvereine aus dem Erzgebirge nutzen den folkloristischen Spruch.

Auf der Website des Versandhandels springt einem „Deitsch un Frei, wolln mer sei“ in allen möglichen Farben und Formen ins Auge. Damit sollen neben dem lokalpatriotischen Erzgebirgler auch Rechtsextreme und Neonazis als mögliche Kunden angesprochen werden.

Und das dürfte kein Zufall sein, denn der Betreiber der Website Markus S. verdiente schon in den 2000er Jahren sein Geld mit dem Verkauf von neonazistischer Kleidung. Im erzgebirgischen Annaberg-Buchholz betrieb S. zu dieser Zeit den Laden „Phönix“, in dem szenetypische Kleidung und neonazistische CDs verkauft wurden. Zudem war dem Laden ein Tattoostudio angegliedert, in dem auch neonazistische Symbole gestochen worden sein sollen. Doch Markus S. verdiente mit dem Vertrieb neonazistischer Kleidung nicht nur Geld, er war zudem auch in der NPD aktiv und saß für die Partei von 2004-2009 im Gemeinderat Großrückerswalde. Zu dieser Zeit hatte die NPD ihre Hochphase und saß in zahlreichen Kommunalparlamenten und im sächsischen Landtag. 2010 zählte die Fachzeitschrift „Der rechte Rand“ Markus S. außerdem zu einer neonazistischen Kameradschaft in Annaberg, die gemeinsam zu Nazikonzerten und anderen Events in ganz Europa reisten.

Der Laden „Phönix“ ist mittlerweile geschlossen, die NPD nicht mehr im Gemeinderat Großrückerswalde vertreten. Markus S. betreibt seit 2012 den auf den ersten Blick harmlos erscheinenden Shop „Herzgebirge“. Doch während sich S. geschäftlich in vermeintlich bürgerlichere Gefilde begeben hat, hat sich seine neonazistische Ideologie anscheinend nicht gewandelt. Denn seit 2012 taucht der Geschäftsmann aus dem Erzgebirge fast jedes Jahr auf offiziellen Teilnehmerlisten des „Ausbruch 60“-Marschs in Budapest auf. Bei der 60 Kilometer langen Wanderung treffen sich jedes Jahr tausende Neonazis aus ganz Europa zum sogenannten „Tag der Ehre“. Damit soll der Belagerung der Stadt durch die Rote Armee im 2. Weltkrieg und dem Ausbruch von ungarischen und deutschen „gedacht“ werden. Zahlreiche Teilnehmer*innen marschieren die Strecke dabei in Wehrmachts- oder SS-Uniformen. Der letzte „Ausbruch 60“ fand erst kürzlich am 08. Februar diesen Jahres statt und auf der Liste der „erfolgreichen“ Absolventen ist auch in diesem Jahr Markus S. zu finden. 

 

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