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Sächsischer Förderpreis für Demokratie Nominiert: Die „Initiative für mehr gesellschaftliche Verantwortung im Breitensport Fußball“

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Nach dem Spiel ist vor dem Spiel: Das neunköpfige "IVF"-Team bei einer Klausurtagung. (Quelle: IVF)

Belltower.News: Die „IVF“ schafft Bildungsangebote zum Thema Diskriminierungspraxis im Fußball. Hat Fußballkultur ein besonderes Problem mit Rassismus, Antisemitismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit?
IVF: Nach wie vor sind auch im organisierten Fußballsport insbesondere rassistische, antisemitische, sexistische und homophobe Einstellungen festzustellen. Durch Merkmale wie Rivalität und Wettkampf ist Fußball in besonderer Weise anfällig für Ausgrenzung. Wo sich, befeuert durch starkes Konkurrenzdenken, Emotionen in einer Gruppe von Menschen unreflektiert äußern, ist die Gefahr groß, dass es zu grenzüberschreitenden Verhaltensweisen kommt – vor allem, wenn diese auf gesamtgesellschaftlich verbreitete Ressentiments treffen. Das Ergebnis ist eine Atmosphäre, durch die nicht alle gleichberechtigt am Fußball teilhaben können.

Um eine solche Atmosphäre zu verhindern, organisiert die „IVF“ Podiumsdiskussionen und Tagungen. Worum geht es konkret in diesen Veranstaltungen?
Auf die eine oder andere Art drehen sich alle Veranstaltungen um Diskriminierung und verwandte Themen. Das kann eine Filmvorführung und anschließende Diskussion zum Thema Homofeindlichkeit im Fußball sein, die Vorstellung eines Buches, welches Vielfalt und Integration thematisiert oder die Diskussion einer Studie, welche gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit im sächsischen Fußball untersucht. Aktuell planen wir eine Tagung zum Thema „Sexismus, Stereotype und Sport – zwischen Ausgrenzung und Empowerment“, die sich mit der Realität von FLINT*Personen (Frauen, Lesben, Intersex-, nichtbinäre und Trans-Personen) im Sport beschäftigt.

Wie kommt Ihr Angebot an?
Wir bekommen hauptsächlich positives Feedback. Das liegt sicher auch daran, dass die Vereine, mit denen wir aktuell in unserem Projekt „Ein Verein für Alle“ zusammenarbeiten, ein großes Eigeninteresse mitbringen, sich mit dem Thema Diskriminierung zu beschäftigen. Für die meisten Vereine und deren Mitglieder ist es am wichtigsten, über Handlungsoptionen zu sprechen und zu lernen, wie Vorurteilen, diskriminierenden Sprüchen und ausgrenzenden Verhaltensweisen im eigenen Vereinsalltag begegnet werden kann.

Gibt es auch Kritik? Zum Beispiel, dass Fußball nicht politisch sein soll?
Im Arbeitsalltag erleben wir so etwas eher selten. Da alle Ehren- und Hauptamtlichen der „IVF“ jedoch selbst in unterschiedlichen Funktionen im sächsischen Fußball aktiv sind, kennen wir solche Aussagen dennoch. Sie werden vor allem von rechten Fans und Strukturen genutzt, um ihre eigene Art, politisch zu agieren – beispielsweise durch das Tragen rechter Kleidungsstücke, das Hochhalten entsprechender Spruchbänder oder das Skandieren von Parolen während Fußballspielen –, zu normalisieren und als unpolitisch zu kennzeichnen.

Sie erwähnten eben das Projekt „Ein Verein für Alle“. Worum geht es da genau?
Innerhalb des Projekts arbeiten wir langfristig und verbindlich mit sächsischen Fußballvereinen zusammen bezüglich der Prävention und Sensibilisierung ihrer Mitglieder gegenüber diskriminierenden Verhaltensweisen und Vorurteilen im Fußball. Hauptfokus ist die Durchführung von Workshops mit unterschiedlichen Altersstufen und Akteur*innen in den Vereinen. Außerdem gehen wir in einen kontinuierlichen Austausch mit dem Verein, um Bedarfe zu eruieren und Inhalte der Workshops an die Situation im jeweiligen Verein auszurichten. Unsere Angebote mit explizitem Fußballbezug setzen an den Erfahrungen und der Lebenswelt der Teilnehmenden an und sollen diese in einen nachhaltigen Prozess der Stärkung einer Vereinskultur der Gleichberechtigung und Diversität einbinden. Die längerfristige Begleitung der Vereine führt zu einer umfangreichen Auseinandersetzung der verschiedenen Ebenen eines Vereins mit diesen Themenkomplexen: Neben aktiven Spieler*innen richten sich unsere Angebote an alle, die Aufgaben jenseits vom Fußballspielen übernehmen, zum Beispiel Vorstände, Trainer*innen oder Schiedsrichter*innen.

Auch Strategien gegen diskriminierendes Verhalten und Ressentiments im Fußball gehört zu Ihrem Austausch. Wie sehen solche Gegenstrategien aus?
Wichtig ist vor allem, die Situation nicht auf sich beruhen zu lassen, sondern direkt zu intervenieren oder zumindest im Nachgang mit den beteiligten Personen zu sprechen. Ein Fokus muss dabei nicht nur auf den diskriminierenden Personen liegen, sondern insbesondere auf den betroffenen Personen, damit diese sich unterstützt und bestärkt fühlen. Dahingehend müssen sich die Vereine auch selbst fragen, ob sie diskriminierende Strukturen reproduzieren, das heißt zu überlegen, wie leicht oder schwer der Zugang zu ihren Angeboten für marginalisierte Gruppen ist. Und natürlich ist es immer sinnvoll, präventiv zu arbeiten – was wir ja tun – beispielsweise in Fällen, die einem über den Kopf wachsen, sich nicht zu scheuen und entsprechende Beratungsangebote wahrzunehmen.

Wie haben Sie Ihr Angebot während der Pandemie angepasst? Finden Ihre Veranstaltungen nun virtuell statt?
Wie überall kam zu Beginn der Pandemie unsere Arbeit erst einmal ins Stocken. Das war für uns sehr schade, da unser Projekt „Ein Verein für Alle“ gerade in den Startlöchern stand. Wir haben dann aber unsere interne Struktur ziemlich schnell auf virtuelle Treffen umgestellt, und weitere konzeptionelle Arbeit geleistet. Glücklicherweise konnten wir mit etwas Verzug trotzdem Vereine akquirieren, mit denen wir im Sommer und Herbst einige Workshops auf die übliche Art durchführen. Gleichzeitig haben wir daran gearbeitet, Formate zu digitalisieren, was bei interaktiven Workshops, die vor allem auf Austausch und Kommunikation setzen, nicht ganz einfach ist. Auch sind ganze Fußballteams und andere Vereinsmitglieder digital nicht immer als gesamte Gruppe zu erreichen. Darüber werden wir uns weiterhin Gedanken machen und stehen dazu auch im Austausch mit unseren kooperierenden Vereinen. Und ganz aktuell arbeiten wir an der Möglichkeit, die erwähnte Tagung online stattfinden zu lassen.

Sie sind für den Sächsischen Förderpreis für Demokratie nominiert. Braucht Sachsen mehr Demokratie?
Auf den Sport bezogen bedeutet Demokratie für uns unter anderem die gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen an Angeboten und dass sich gesellschaftliche Vielfalt in den Vereinen widerspiegelt. Wie in den anderen gesellschaftlichen Bereichen gibt es auch im Sport in Sachsen zu wenige engagierte Einzelpersonen, Initiativen und Vereine die sich für eine demokratische und diverse Kultur einsetzen. Dem gegenüber existiert häufig ein kontinuierliches Ignorieren und Wegschauen – und zusätzlich gibt es verfestigte rechte Strukturen beispielsweise im Fußball und Kampfsport. Unser Ziel ist es, vor allem Aktive der Mehrheitsgesellschaft im Breitensport-Fußball für Diskriminierung zu sensibilisieren, ihre eigenen Privilegien zu hinterfragen und den Blick zu schärfen für die Vorurteile, die eine größere Vielfalt und Teilhabe im Sport erschweren.

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