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Verein Deutsche Sprache Mit Genderstern in den Weltuntergang

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Zum Frauentag protestieren Menschen in Berlin für Gleichstellung. Antifeminist*innen versuchen dagegenzuhalten, auch mit Petitionen. (Quelle: picture alliance/Ralf Hirschberger/dpa)

Schon 2016 hat der Journalist Stefan Niggemeier auf Übermedien dargestellt, wie sich der VDS populistischer Stimmungsmache bedient. In dem Text mit dem Titel „Die Pegidahaftigkeit des Vereins Deutsche Sprache“ geht es auch um den Vorsitzenden Walter Krämer, der sich in der hauseigenen Zeitschrift „Sprachnachrichten“ schonmal über den „aktuellen Meinungsterror unserer weitgehend linksgestrickten Lügenmedien“ beschwert. Zentraler Kampfplatz für Krämer und seinen Verein sind dabei vor allem Anglizismen und der Versuch, die deutsche Sprache vor dem Untergang in die – meistens herbeifantasierte – Bedeutungslosigkeit zu bewahren. So beschwerte sich der Verein über Jahre, dass die EU-Kommission in ihrem Pressesaal nur noch auf Französisch und Englisch benannt wird und witterte Diskriminierung. Die Kommission „stößt […] unzählige EU-Bürger vor den Kopf, die durch die stetig zunehmenden Fernsehbilder aus dem Pressesaal der Kommission ihre eigene kulturelle Identität missachtet sehen.“

Kulturkampf um Sprache

Aktuell empört sich der Verein aber nicht über fehlende Beschriftung, sondern wegen gendergerechter Sprache. Die Argumente sind dabei nicht gerade neu: kein Zusammenhang zwischen natürlichem und grammatischen Geschlecht, „lächerliche Sprachgebilde“ und der „seltsame Genderstern“. Ohnehin würden „solche Verzerrungen der Sprache“ nicht dazu beitragen, die Emanzipation voran zu treiben. Im Grundgesetz sei schließlich auch nur vom „Bundeskanzler“ die Rede, was Angela Merkels Karriere nicht im Weg gestanden hätte. Wissenschaftliche Studien, von denen es zum Thema einige gibt und die belegen, dass durch gendergerechte Sprache durchaus bestehende Diskriminierungen abgebaut werden können und dass geschlechtergerechte Sprache sehr wohl lesbar und wirksam sein kann, ignoriert der VDS geflissentlich. Der Linguist Anatol Stefanowitsch stellt im Interview mit dem Deutschlandradio fest, dass es dem VDS offenbar nicht um die Sprache geht, sondern, dass „auf dem Schlachtfeld der Sprache ein Kulturkampf ausgefochten“ werden soll.

Sprachwissenschaftler*innen sehen den Verein des Statistik-Professors Krämer dabei ohnehin kritisch. Über 30 Germanistik-Professor*innen bezeichneten den Verein 2016 in einem offenen Brief als „Musterbeispiel für einen intoleranten, unaufgeklärten Sprachpurismus“ und warfen dem VDS vor, dass er „ganz nebenbei auch immer wieder nationalistische Tendenzen bedient“. Henning Lobin, Direktor des Instituts für Deutsche Sprache und renommierter Linguist, war einer der Mitunterzeichner des Briefes, und attestiert dem VDL „Wissenschaftsfeindlichkeit“. Dabei merkt er auch an, dass der VDS zwar einen „wissenschaftlichen Beirat“ hat, von dessen zwölf Mitgliedern aber „kein einziges im Kernbereich des Vereinsinteresses, nämlich Grammatik, Lexik und Soziolinguistik der deutschen Sprache, schwerpunktmäßig ausgewiesen ist“.

Der aktuelle „Aufruf zum Widerstand“ wurde am 06. März veröffentlicht und hat seitdem über 33.000 Unterschriften gesammelt. Neben dem sogenannten „Sprachpapst“ der Journalismusausbildung, Wolf Schneider – der gendergerechte Sprache als „lächerliche Verumständlichung“ beschreibt –,  ist die islamkritische Autorin Monika Maron eine der Initiatorinnen. Dem Verein ist es dabei gelungen, einige hochkarätige Unterstützer*innen zu gewinnen. Auf der Liste der Erstunterzeichnenden finden sich zahlreiche Professor*innen, bekanntere Autor*innen und Journalist*innen. Darunter sind aber auch einige einschlägig bekannte Namen, die eher dem extrem konservativen Spektrum zuzuordnen sind. Linguist Stefanowitsch charakterisiert die Erstunterzeichnenden als „alles was im hartkonservativen bis neurechten Rand Rang und Namen hat“ und weiter: „Es ist eine Gruppe, die sich generell in die Vergangenheit zurücksehnt, als der Mann noch der einzig sichtbare Repräsentant der Gattung Mensch war.“  

Ziemlich konservative Sprachkritiker*innen

Auf der Liste steht zum Beispiel Annabel Schunke: „Journalistin und Model“. Schunke schreibt für die rechtskonservativen Internetportale „Tichys Einblick“ – auch der Herausgeber, Roland Tichy höchstpersönlich, hat unterschieben – und „Achse des Guten“ und betreibt außerdem einen YouTube-Kanal mit fast 16.000 Abonent*innen. Ihre Themen: Hetze gegen Geflüchtete, „die“ Antifa oder Kritik an Menschen (vor allem Migrant*innen), die sich gegen Rassismus in Deutschland einsetzen.  

Auch Rüdiger Safranski hat den Aufruf unterschrieben. Safranski ist Philosoph, Literaturwissenschaftler und ein Kritiker der Migrationspolitik von 2015.

Die Büchner-Preisträgerin Sybille Lewitscharoff ist ebenfalls dabei. Außerhalb der Feuilletons wurde sie 2014 bekannt, als sie in einer Rede die Menschen, die aus einer künstlichen Befruchtung hervorgegangen sind, als „Halbwesen“ und Fortpflanzungsmediziner*innen als „Frau Doktor und Herr Doktor Frankenstein“ bezeichnete. In der gleichen Rede hatte sie ein „Onanieverbot“ „weise“ genannt.

Auch eher „fachfremde“ Unterschriften finden sich auf der Liste. So unterstützt zum Beispiel Hans-Georg Maaßen – auf der Website der Sprachpurist*innen merkwürdigerweise mit „ss“ statt mit „ß“ geschrieben – den Aufruf. Genauso wie Werner Patzelt. Der Politikprofessor aus Sachsen hatte kürzlich eine Koalition zwischen AfD und CDU angeregt.

Gendergerechte Sprache ist einer der Dauerbrenner in rechtspopulistischen und rechtsextremen Kreisen. Gerade deswegen ist es interessant, dass keiner der Unterzeichnenden sich explizit in diesen Szenen bewegt: mit Rechtspopulismus wird unter Umständen zwar geflirtet, man selbst ist aber allerhöchstens konservativ. Dem VDS wird immer wieder vorgeworfen, rechtspopulistische Positionen zu vertreten, was bei den Vereinsmitgliedern tatsächlich nicht immer gut ankommt: „Vielmehr fürchte ich, dass wir uns mit unseren Übertreibungen bei großen Teilen der Gesellschaft lächerlich machen und am Ende als reaktionäre Käuze in ein gesellschaftliches Nischendasein geraten. Eine Einschätzung des VDS als unverbesserlich-konservativ bis rechtsreaktionär wird die Folge sein“, so ein Leserbriefschreiber in den aktuellen „Sprachnachrichten“.

Mehr Petitionen braucht das Land!

Um den konservativen Eindruck zu bewahren, gibt es für die, die sich gern weiter rechtsaußen positionieren möchten, gleich eine weitere Petition mit weit weniger Berührungsängsten. „Stop Gendersprache Jetzt!“ ist seit dem 04.03.2019 online und hat bisher 24.000 Unterschriften gesammelt. Die Liste der Erstunterzeichnenden ist weitaus einschlägiger und vertritt noch exzentrischere Meinungen. Auch hier hat „Journalistin und Model“ Schunke unterschrieben, genauso wie der Lyriker Reiner Kunze, der auf beiden Listen steht.

Ansonsten findet sich hier zum Beispiel der Männerrechtler Gerhard Amendt, der unter anderem „Familienhäuser“ statt „Frauenhäuser“ fordert und die These vertritt, dass es nicht beweisbar sei, dass Männer häufiger häusliche Gewalt ausübten als Frauen.

Hedwig van Beverfoerde hat ebenfalls unterschrieben. Sie gehört zum Umfeld des Vereins „Zivile Koalition“ von Beatrix von Storch und hat zusammen mit ihr die homo- und transfeindliche „Demo für Alle“ organisiert und die die Homoehe als „Zivilisationsbruch“ und „Irrsinn“ bezeichnet.

Auch Frank Böckelmann steht auf der Liste, er ist der Herausgeber der neurechten Zeitschrift „Tumult“, die mit dem ebenfalls neurechten „Manuscriptum“-Verlag eng verbandelt ist.

Der Berliner Medienwissenschaftler Norbert Bolz kritisiert schon mal die Berufstätigkeit von Frauen, da sie zu mehr Scheidungen führe und sieht einen gesellschaftlichen Trend der „Homosexualisierung“, gegen die man ja wegen der Political Correctness nichts sagen dürfe.

Daneben stehen noch einige bekanntere Namen aus dem rechtspopulistischen oder neurechten Spektrum, wie der zuletzt deutlich positionierte Autor Uwe Tellkamp oder Karl Albrecht Schachtschneider, der im Kuratorium der AfD-nahen „Desiderius-Erasmus-Stiftung“ sitzt und eng mit der rechtsextremen „Bürgerinitiative“ Ein-Prozent zusammenarbeitet.

Inhaltlich gibt es auch hier wenige Überraschungen, allerdings ist der Aufruf drastischer formuliert. Natürlich geht es um alles: Unterstrich und Genderstern „spalten die Gesellschaft“. „Behörden, Institutionen und Verbänden wollen uns zwingen, die Sprachregelungen einer Minderheit zu übernehmen“. Undemokratisch ist das alles sowieso, auch weil „alle möglichen sexuellen Orientierungen […] sich in Amts- und Umgangssprache repräsentiert sehen“ sollen. Repräsentation von Frauen und sexuellen Minderheiten in der Sprache? Das Abendland steht offenbar schon wieder kurz vorm Untergang.

Initiiert wurde diese zweite Petition von Eckhard Kuhla, ebenfalls kein Sprachwissenschaftler, sondern Ingenieur und Unternehmensberater und außerdem Mitbegründer und Pressesprecher von „Agens e.V.“ – einem Männerrechtsverein, dem auch Gerhard Amendt angehört. Der Verein bearbeitet dabei die üblichen Themen der Männerechtsszene, hauptsächlich: Warum Feminismus für alles Schlechte in der Welt verantwortlich ist. Daneben geht es gegen Homosexuelle, für unterdrückte Männer und natürlich gegen die Zerstörung der Familie, an der – wenig überraschend – der Feminismus schuld sei. „Sie sehen den Feminismus als ein in sich geschlossenes Ideologiemodell, das auf Männerhass beruht. Die vielen Strömungen innerhalb des Feminismus, dessen Zusammenarbeit mit Männern und auch die Ansätze einer emanzipatorischen Männerpolitik sehen sie nicht. Zudem gehen diese Leute davon aus, dass der Feminismus allmächtig sei. Gerichte, Politik, Medien: alles sei vom Feminismus unterwandert“, so beschreibt der Sozialpsychologe und Sozialanthropologe Hinrich Rosenbrock die Szene im Interview mit der taz.

Antifeministische Netzwerke

Nicht nur die zeitliche Nähe der Veröffentlichung der beiden Aufrufe lässt ahnen, dass die Verbindungen zwischen den selbsternannten Sprach- und Männer-Schützer*innen gut funktionieren. Schon 2016 hatte der VDS zusammen mit Agens ein „Thesenpapier“ zur „Gendersprache“ veröffentlicht. Inhaltlich deckt sich das Papier mit den beiden Petitionen.

Obwohl man sich offenbar Mühe gegeben hat, möglichst viel Unterstützung in unterschiedlichen Milieus zu schaffen, zeigt sich aber auch schnell: Antifeminismus ist beileibe keine Domäne der sogenannten „neuen“ Rechten oder des Rechtspopulismus. Die selbsternannten Sprach- und Gleichstellungsexpert*innen vom VDS und Agens sind gut vernetzt. Im Februar 2018 veranstaltete die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung einen „Politischen Salon“ unter dem möglicherweise nicht ganz neutralen Titel „Gender, Instrument der Umerziehung?“. Im Tagungsbericht übernehmen die Veranstalter*innen dann folgerichtig auch die Begrifflichkeiten der antifeministischen Szene. Von „Genderisten“ ist die Rede oder von „Gender-Ideologie“. Einer der Referenten ist Josef Kraus. Kraus ist ein ehemaliger Lehrer und mit dem VDS verbunden, auch er hat den aktuellen Aufruf unterzeichnet. Neben der Konrad-Adenauer-Stiftung berichtet auch Agens e.V. über die Tagung und sie wird in den „Sprachnachrichten“ des VDS erwähnt. In der gleichen Ausgabe schreibt schließlich Josef Kraus noch einen Artikel über den „Unsinn der ‚gendersensiblen‘ Sprache“ in Frankreich. Das wiederum war das Thema eines anderen Vortrags auf der Tagung Stiftung. Antifeministische Netzwerke funktionieren weiterhin hervorragend und vereinen ein weites politisches Spektrum.

Die aktuellen Petitionen sind ein Beweis dafür, dass Gleichstellung weiterhin ein heiß umkämpftes Ziel darstellt, dass bei weitem noch nicht erreicht ist. Mit aller Macht und guten Verbindungen werden unterschiedliche politische Milieus angesprochen und mobilisiert, um dagegen anzugehen, dass Gesellschaft und Sprache in Deutschland diverser werden und mehr Menschen repräsentiert werden. Der „Kampf um die Sprache“ ist bei weitem nicht auf Sprache beschränkt. Es ist ein Kampf um Gleichstellung, Feminismus und Minderheitenrechte.        
 
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