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Verschleppte Ermittlungen, keine Auslieferung Österreich und der Fall Milivoj Ašner

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Milivoj Ašner war zwischen Mai 1941 und September 1942 Chef der faschistischen Ustaša-Polizei in Požega in Kroatien. Dem heute 95-Jährigen wird vorgeworfen, die Deportation der jüdischen Bevölkerung Požegas sowie von Roma und Serben in Konzentrationslager wie Jasenovac veranlasst und organisiert zu haben.

Unterschriften unter Deportationsbefehlen

Der kroatische Hobbyhistoriker Alen Budaj, der sich jahrelang mit der jüdischen Geschichte der Stadt Požega befasst hat, begann 1997 zur Causa Ašner zu recherchieren. Ein von ihm erstelltes Dossier belastet Ašner schwer. Demnach unterzeichnete er als Polizei-Chef persönlich Deportationspapiere für Juden. Die Verfolgungsmaßnahmen begannen einen Tag nach der Ernennung Ašners zum ranghöchsten Polizisten der Stadt.

Nach einem Streit mit einem anderen Ustaša-Offizier sei Ašner dann als Polizeichef von Požega abgelöst worden, so Budaj. Später wechselte er nach Nova Gradiska. Dort war er nicht zufrieden. „Laut einem anderem Geheimdienstbericht bot er den Deutschen 1943 seine Dienste und Gefolgschaft an, falls sie ihm helfen, wieder Polizeichef in Požega zu werden“, erklärt Budaj.

Aus Milivoj Ašner wird Georg Aschner

In den letzten Kriegstagen floh Ašner nach Bleiburg/Kärnten und erhielt 1946 unter dem Namen Georg Aschner die österreichische Staatsbürgerschaft. Nachdem Kroatien 1991 seine Unabhängigkeit erklärt hatte, kehrte er in seine Geburtsstadt Daruvar in Zentralkroatien zurück und nahm dort die kroatische Staatsangehörigkeit an.
Im Jahr 2000 gründete er die „Ursprüngliche Bauernpartei“. Als deren Obmann tat er sich mit scharfen Reden gegen Kommunisten und Partisanen hervor.

Mit beginnenden Untersuchungen der Staatsanwaltschaft Požega im Rahmen der Operation „Letzte Chance“ zur strafrechtlichen Verfolgung von NS-Kriegsverbrechern wurde Milivoj Ašner die Situation in Kroatien zu unsicher. Er kehrte nach Kärnten zurück, wo er sich in der Hauptstadt Klagenfurt niederließ. Sein neuer Wohnort blieb nicht unbekannt. Dennoch weigerten sich die österreichischen Behörden Ašner auszuliefern: er sei österreichischer Staatsbürger, lautete die Begründung.

Verschleppte Ermittlungen, keine Auslieferung

Lange Zeit hatten die österreichischen Behörden eine Auslieferung Ašners an Kroatien davon abhängig gemacht, ob ihm nachgewiesen werden könne, dass er nach 1991 erneut die kroatische Staatsbürgerschaft angenommen und dies in Österreich verschwiegen hätte. Auch die Vorermittlungen der Klagenfurter Staatsanwaltschaft verliefen schleppend und wenig effektiv. Die Staatsanwaltschaft hatte sich ohnehin erst nach einer Anzeige von Efraim Zuroff, Leiter des Simon-Wiesenthal-Centers in Jerusalem, mit dem Fall befasst .

Nach einem langen Verwirrspiel um Ašners Staatsangehörigkeit im Sommer 2005 gilt er inzwischen für die österreichischen Behörden als kroatischer Staatsbürger. Eine Auslieferung ist bisher trotzdem nicht erfolgt, da er laut ärztlichen Gutachten als dement und somit als nicht vernehmungs- und verhandlungsfähigfähig gilt.

Angeregte Plaudereien

Die britische Boulevardzeitung „The Sun“ veröffentlichte nun am Montag Bilder Ašners mit seiner Frau bei den Feiern der kroatischen Fußballnationalmannschaft. Die Bilder zeigen ihn wie er durch die Innenstadt von Klagenfurt flaniert. Er habe da und dort in Straßencafes mit Kellnern geplaudert und ein Getränk genossen, schrieb „The Sun“.

Ašner scheint sich sehr sicher zu sein, dass ihm eine Auslieferung nach wie vor nicht droht. So behauptete er Anfang der Woche im Interview mit „The Sun“, er sei bereit persönlich vor einem kroatischen Gericht auszusagen. Vorwürfe im Zusammenhng mit NS-Kriegsverbrechen wies der 95-Jährige zurück und behauptete: „Ich würde es begrüßen, wenn ich vor einem kroatischen Gericht zu den Anschuldigungen gegen mich Stellung nehmen könnte.“

Rückendeckung von Jörg Haider

Schon seit Jahren gefällt sich Milivoj Ašner in der Rolle des unschuldig Verfolgten. Im Interview mit Samuel Laster, Autor von „diejuedische.at“, plauderte er im August 2005 bei Kaffee und Kuchen darüber, selbst Opfer der Ustaša zu sein, da er Jüdinnen und Juden geholfen habe. Konfrontiert mit einer von ihm unterschriebenen Deportationsliste, auf der sich auch der Name eines Arztes befindet, den Ašner gerettet haben will, lenkte er ab: Er würde zur Zielscheibe gemacht, da er versuche seinen Besitz in Kroatien wiederzuerlangen. Als Hintermänner der Verschwörung machte Ašner kroatische Politiker mit „jüdischen Finanziers“ aus.

Dabei darf sich Milivoj Ašner in Kärnten von höchster politischer Stelle gedeckt fühlen. Landeshauptmann Jörg Haider (BZÖ) ließ am Dienstag gegenüber der Tageszeitung „Der Standard“ verlauten, dass die Ašners eine nette Familie und in Kärnten sehr geschätzt seien. Deshalb solle Milivoj Ašner seinen Lebensabend in Kärnten verbringen dürfen.

Populäre Gedenkkulturen

Diese Perspektive ist nicht nur bei dem Rechtspopulisten Jörg Haider populär. Ein zentraler Gedenkmythos in Kärnten ist die Täter-Opfer-Umkehr am Beispiel des so genannten „Massaker von Bleiburg“. Im Mai 1945 hatten sich auf Kärntner Territorium circa 40 000 Soldaten der faschistischen Ustaša an britische Truppen ergeben. Diese übergaben sie jedoch an die alliierte Jugoslawische Volksarmee. Mehrere Tausend Ustaša-Soldaten wurden erschossen. In die Gedenkkultur Kärntens sind sie jedoch nicht als paramilitärische Einheit des nationalsozialistischen Vernichtungskrieges und der Shoa eingegangen, sondern finden als Opfer der „kriminellen Tito-Partisanen“ Würdigung. Seit den 1950-er Jahren findet jährlich im Mai ein Gedenkgottesdienst für die ums Leben gekommenen Ustaša-Soldaten statt. Am 17. Mai 2008 reisten dafür circa 5 000 Teilnehmer – vor allem aus Kroatien – an.

Wer Interviews gibt, ist nicht unbedingt vernehmungsfähig

Nach seinem Interview könnte es für Ašner nun doch ungemütlich werden. Der Klagenfurter Staatsanwalt Helmut Jamnig erklärte am Dienstag auf eine Anfrage der österreichischen Nachrichtenagentur APA, man habe nach dem Artikel in der britischen „Sun“ die Polizei ersucht, den Status quo zu ermitteln. Allerdings: Ein Interview in einer Zeitung bedeute noch lange nicht, dass Ašner auch vernehmungsfähig sei.

Das Simon-Wiesenthal-Center Jerusalem hatte sich schon im März 2006 bei den österreichischen Justiz- und Innenministerien über die schleppenden Ermittlungen gegen Ašner beschwert und dessen Auslieferung an Kroatien gefordert. Efraim Zuroff kritisiert Österreich als ein „Paradies für NS-Verbrecher“. Täter könnten in Österreich ungehindert über ihre Verbrechen reden, „der modus operandi ist, nicht hart nach Beweisen zu suchen“. Zuroff verlangt für die Zukunft von den österreichischen Behörden Taten statt „netter Worte“.

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