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Warum ist Populismus so verbreitet – und gefährlich?

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Grafik aus der United Handreichung Nr. 7 "Populismus - Wir und die anderen" (Quelle: United for Intercultural Action)

Der dem Populismus zugrunde liegende Mechanismus ist dabei simpel: Unsicherheit erzeugt Angst, die sich als Ablehnung oder Hass gegen ?Feindgruppen? äußern kann. Insbesondere im Zuge der aktuellen Wirtschaftskrise ist mit einem Ansteigen populistischer Diskurse in Europa zu rechnen.

Was bedeutet Populismus?

Populismus bezeichnet eine um ?Volksnähe? bemühte Politik, die Ängste und Emotionen der Bevölkerung für eigene Zwecke nutzt und vermeintlich einfache Lösungen für komplexe Probleme propagiert. Populismus bedient sich gängiger Klischees und Vorurteile, um eine bestimmte Position im politischen Feld zu erzielen. Das Prinzip lautet dabei ?Wir gegen die anderen? ? Zielgruppe sind Menschen, die sich durch die bestehende gesellschaftliche Ordnung benachteiligt sehen und sich gegen politische und kulturelle Eliten richten.

Populismus als Wahltaktik

Häufig wird Populismus in politischen Kampagnen verwendet, so auch im „Superwahljahr“ 2009 in der Europäischen Union.

Populisten und Rechtsextreme nutzen als Themen z.B. die Wirtschaftskrise und ihre sozialen Folgen. Ihr Ziel ist es, an Ängsten und Vorurteilen der Mehrheitsbevölkerung anzuknüpfen und simple Antworten auf schwierige Probleme zu liefern, um Zustimmung für ihre politische Ideologie zu gewinnen.

In ganz Europa finden sich Beispiele populistischer Rhetorik:

? 2009 rief ein Arbeiterstreik in Großbritannien unter dem Motto ?Britische Jobs für britische Arbeiter? zu einem Protektionismus
des britischen Arbeitsmarktes gegen ausländische Arbeiter auf;
? In einer Wahlkampfrede in Spanien im Jahr 2008 behauptete der Vorsitzende der konservativen Partei, Mariano Rajoy, dass Zuwanderer die Sozialversicherung der spanischen Arbeiter gefährden;
? Nach der Koalitionsbildung der Partei Berlusconis und der rechtsextremen Lega Nord bei den italienischen Parlamentswahlen
2008 ließ der Chef der Lega Nord, Umberto Bossi, verlautbaren, er verfüge über bewaffnete Männer, die bereit sind, im Namen der öffentlichen Sicherheit zu handeln;
? Während der Unruhen in Frankreich im Jahr 2005 behauptete der damalige Präsidentschaftskandidat Nicolas Sarkozy, die
?Ausländer? seien schuld an den Randalen und bezeichnete sie als ?racailles? (Gesocks, Abschaum).
? Die polnischen Kaczynski-Zwillinge erregen mit ihren homophoben Äußerungen regelmäßig internationale Aufmerksamkeit. Sie lehnen die Gleichstellung von Hetero- und Homosexuellen ab.

Kennzeichen von Populismus

Vereinfachte Antworten auf komplexe Probleme,
die für die Mehrheit schlüssig klingen, sich aber zumeist als unrealistisch und nicht durchführbar erweisen ? ?Schwarz-Weiß-Denken?: z.B. Protektionismus zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise, Zuwanderungsstopp zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, keine
Sozialleistungen für Asylsuchende zum Schutz
der Renten, höhere Gefängnisstrafen zur Senkung
der Kriminalität usw.

Emotionales Aufladen von
Themen
,
z.B. Kriminalität, Pädophilie, Integration, Zuwanderung, Steuern, soziale
Gleichheit, Benzinpreise usw.

Verwendung gängiger Klischees und Vorurteile, oft durch griffige Slogans:
z.B. ?Britische Jobs für britische Arbeiter?, ?Abendland in Christenhand?, ?Europa wählt. Österreich entscheidet?, ?Stopp zur Islamisierung?, ?Gegen die EU-Verräter?, ?Litauen für Litauer? usw.

Starker Patriotismus
zur Rettung der ?bedrohten Identität? des Landes,
u.a. durch Globalisierung, ?Islamisierung?, EU,
Zuwanderung, verschiedene Kulturen / Religionen /
Traditionen, zweisprachige Straßenschilder usw.

Erfolge der Populisten

Zwei aktuelle Befragungen europäischer Bürgerinnen und Bürger veranschaulichen, wie Populisten und Rechtsextremisten antidemokratische und intolerante
Ressentiments nutzen, um politischen Einfluss zu erlangen:

? Im Jahr 2009 veröffentlichte die Anti-Defamation League die Ergebnisse einer Studie zu antisemitischen Einstellungen in Europa. Die schockierenden Befunde: 31 % der Europäer machen Juden für die Wirtschaftskrise verantwortlich.1 Das ist derselbe Begründungszusammenhang, der in der Konsequenz zum Holocaust führte und zeigt, dass alte antisemitische Einstellungen in der Vergangenheit nicht überwunden wurden. Die ?Wir gegen die anderen?-Logik schließt das Bestehen von ?Feinden? ein. In diesem Fall sind jene ?Feinde? Jüdinnen und Juden, die in antisemitischer Lesart als ?Schattenmacht? für die Finanzmisere verantwortlich gemacht werden. Solche Mythen werden gleichermaßen von Rechtsextremen wie Populisten herangezogen.

? Eine 2009 erschienene Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen
kommt zu dem Ergebnis, dass rund 14,4% der befragten Jugendlichen ?sehr ausländerfeindliche? Einstellungen aufweisen; einer von zwanzig deutschen Jugendlichen gehört demnach einer rechtsextremen Gruppierung an. Die im Auftrag
des Innenministeriums erstellte Studie zeigt auf, dass rechte Gruppierungen wesentlich erfolgreicher bei der Anwerbung von Jugendlichen sind als alle demokratischen politischen Nachwuchsorganisationen zusammen. Diese Befunde
verdeutlichen einmal mehr die Wichtigkeit des Engagements gegen intolerante Vorurteile und antidemokratische Einstellungen unter jungen Menschen.

Der Text ist ein Auszug aus der United Handreichung Nr. 7 „Populismus – Wir und die anderen“. Mit freundlicher Genehmigung der Autoren und Autorinnen.

Die gesamte Handreichung, zu der auch Beispiele für zivilgesellschaftliche Gegenaktionen beschreibt und die populistischen „Lieblingsfeindbilder“ Islam und Roma betrachtet werden, finden Sie hier zum Download (pdf).

Mehr im Internet:

| UNITED for Intercultural Action
Europäisches Netzwerk gegen Nationalismus, Rassismus, Faschismus und zur Unterstützung von MigrantInnen & Flüchtlingen

| Kulturbüro Sachsen

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