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Wehrhafte Demokratie „Deren Köpfe stecken im Sand“

Foto: © Jeyaratnam Caniceus

Kempen ist eine beschauliche, idyllisch wirkende, gutbürgerliche Kleinstadt mit Fachwerkhäusern und historischer Stadtmauer am Niederrhein im Westen Nordrhein-Westfalens. Besucher*innen  kommen im ersten Moment sicher nicht auf den Gedanken, dass die rechtsextreme NPD hier fest verankert ist. Doch in Kempen wohnt 2014 der bekannte Rechtsextreme Philippe Bodewig, Kreisvorsitzender der NPD Krefeld und Kleve. Zuvor war er als Pressesprecher der NPD und danach als stellvertretender Vorsitzender der NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) tätig. Er ist die treibende Kraft im Kommunalwahlkampf der NPD in Kempen und Umgebung: In der ganzen Stadt hängen NPD-Wahlplakate, und in der Mehrzahl der Wahlbezirke im Kreis Viersen treten Kandidat*innen  für die NPD an.

Dem massiven Wahlkampf der NPD in Kempen sind die Grünen mit einer Gegenaktion begegnet. Unter jedes Wahlplakat der NPD hängten Grünen-Mitglieder ein großes Plakat mit der Aufschrift „Kein Ort für Neonazis“. Allen voran im Kampf gegen die NPD ist Jeyaratnam Caniceus, der für die Grünen im Stadtrat Kempen und im Kreistag Viersen sitzt. Er ist einer der wenigen, die schon vor Beginn des Kommunalwahlkampfs auf die starke Verankerung der NPD in Kempen und im Kreis Viersen aufmerksam gemacht und vor ihrem nicht zu unterschätzenden Einfluss gewarnt haben. Im Multikulturellen Forum und anderen überparteilichen Arbeitskreisen hat er Ideen für Aktionen gegen die NPD vorgestellt, diese sind aber auf Ablehnung gestoßen. Auch Anfragen beim Bürgermeister und den anderen demokratischen Parteien zeigten keinen Erfolg: „Es gab entweder keine Reaktion oder aber eine Ablehnung mit der Begründung, man wolle der NPD nicht durch unnötige öffentliche Aufmerksamkeit eine Bühne geben“, schildert Caniceus. Die Erfahrungen aus anderen Bundesländern, besonders aus Sachsen, haben jedoch gezeigt, dass eine solche Strategie des Ignorierens die NPD nicht bekämpft, sondern im Gegenteil eine Erfolgsbedingung für ihre kommunale Verfestigung ist.

Rassistische Hetze im Internet

Seit der Plakataktion ist der aus Sri Lanka stammende Jeyaratnam Caniceus massiven rassistischen Beleidigungen im Internet ausgesetzt.  Er steht allerdings schon länger im Fokus Rechtsextremer. Nachdem er sich 2013 in einer Ausschusssitzung des Kempener Stadtrats für die freiwillige Aufnahme von mehr Geflüchteten aus Syrien ausgesprochen hatte, wurde er bereits im Internet rassistisch beschimpft und unter anderem dazu aufgefordert, „innerhalb von zwei Jahren mit dem Rest seiner Sippe in seine Heimat zurückzukehren“. Außerdem traf ihn eine bundesweite rassistische Aktion der NPD-Jugendorganisation: In seinem Briefkasten fand er ein Kondom mit der Aufschrift „Ausländer und ausgewählte Deutsche“. Insbesondere in Bezug auf seine Familie, denen die Beleidigungen nicht erspart bleiben, hat Caniceus ein mulmiges Gefühl. Gegen die seit Monaten andauernde Hetze hat er mehrmals Anzeige erstattet, die Staatsanwaltschaft ermittelt noch. Mit einer Solidarisierung anderer Parteien oder des Bürgermeisters kann Caniceus nicht rechnen. „Die anderen Parteien und der Bürgermeister sind immer noch der Meinung, dass Mut gegen rechte Gewalt zu zeigen kontraproduktiv ist. Deren Köpfe stecken im Sand und sie wollen es teilweise immer noch nicht wahrhaben, das im beschaulichen Kempen die NPD aktiv ist“, so Caniceus. Er lässt sich aber nicht entmutigen und zeigt mit Aktionen auf zentralen Plätzen Kempens weiterhin zivilgesellschaftliches Engagement gegen Rechts.

Dieser Beitrag ist ursprünglich auf dem Portal „Mut gegen rechte Gewalt“ erschienen (2002-2022).

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