Weiter zum Inhalt Skip to table of contents

Freundliche Übernahme

Von|

Das Adjektiv ?historisch? ist wohl das Wort, das der NPD-Parteichef Udo Voigt im Bürgerhaus in Hohenmölsen am häufigsten bemüht. ?Historisch? ist der Tag, ?historisch? die Veranstaltung tief in der sachsen-anhaltinischen Provinz, ?historisch? auch der Zusammenschluss der NPD mit der DVU, für den Voigts Partei an diesem Tag den Weg frei macht. Ganz tief in die Pathoskiste greift Voigt und Delegierte und Gäste jubeln: ?Wir wollen Parteigeschichte schreiben. Ihr könnt dann dereinst sagen: Ich bin in Hohenmölsen dabei gewesen.?

Doch bevor die Delegierten angeblich Geschichtsträchtiges beschließen, müssen sie neben den üblichen Reden auch die Details des Verschmelzungsvertrages über sich ergehen lassen, referiert von den beiden Rechtsvertretern Martin Wormit und Carsten Schrank. Am Ende votieren die Delegierten mit 194 von 207 Stimmen für die ?Verschmelzung? beider Parteien zum Jahreswechsel. Nur elf Delegierte sagen nein. Und im Vorgriff auf die neue rechte Einheit werden drei DVU-Funktionäre schon einmal in den Bundesvorstand der NPD gewählt.

Die Republikaner wahlpolitisch ?ins Nirwana schicken?

Doch der Erfolg, den die NPD feiert, ist relativ. Zwar wird der Name DVU künftig nie wieder auf Stimmzetteln auftauchen, aber eine echte Konkurrenz stellte die Partei nach dem Abgang ihres Gründers Gerhard Frey für die NPD nicht dar. Ihre Wahlergebnisse waren im vorigen Jahr desaströs, und auch der Versuch, aus der Stammtischpartei mit weit überwiegend völlig inaktiven Mitgliedern ein Gebilde mit einer aktiven Basis zu formen, scheiterte kläglich. Auch aus dem zunächst erhofften kräftigen Zuwachs an Mitgliedern durch die ?Fusion? dürfte es nichts werden. Voigt, der den Zusammenschluss auch als persönlichen Erfolg deutet, weiß das und will das letztlich sogar positiv verstanden wissen: besser jetzt 1000 Mitglieder, die auch bei der Stange bleiben und auf die man sich verlassen kann, als eine höhere Zahl, von denen viele aber schon rasch wieder aus der Kartei verschwinden.

Bei ihrem ?Kampf um den organisierten Willen? ? dem Versuch, die extreme Rechte unter der Führung der NPD zu vereinen ? ist die Voigt-Partei einen Schritt vorangekommen. Zwar bleiben noch nicht-neonazistische Rechtsaußenparteien außen vor, doch das scheint dem Parteichef im Augenblick kein großes Problem zu sein. Die Republikaner will Voigt beispielsweise dank der neuen Einheit NPD/DVU nun wahlpolitisch ?ins Nirwana schicken?.

Einigkeit nicht durch ?Namensmischmasch?

Beim Parteitag in Hohenmölsen versuchen Voigt und Faust, den Eindruck zu erwecken, die Gespräche über einen Zusammenschluss seien ?auf Augenhöhe? geführt worden. Doch die Nebentöne verraten, dass dies nicht so war, dass sich hier eher die Übernahme des Namens und der ?Hülle? DVU vollzieht. Ein deutliches Kennzeichen dafür ist die Tatsache, dass die NPD ihren alten Namen behält, während das Label ?Deutsche Volksunion? verschwinden wird. Und das, obwohl bei einer Mitgliederbefragung im Sommer die DVU-Mitglieder dafür votiert hatten, dass die ?neue? Partei auch einen neuen Namen erhalten sollte.

Als kleinen Schritt des Entgegenkommens wird die NPD künftig in ihrem Logo die Unterzeile ?Die Volksunion? statt ?Die Nationalen? führen. Doch selbst dieses Zeichen einer Veränderungsbereitschaft geht einigen Delegierten schon zu weit. Sie brachten einen Initiativantrag gegen den neuen Namenszusatz ein. Man wolle die Verschmelzung nicht be- oder verhindern, beteuert dessen Initiator aufs Mecklenburg-Vorpommern. Aber: ?,Die Volksunion? ist kein Zusatz, der unserer Weltanschauung gerecht wird. Wir sind ,Die Nationalen?.? Einigkeit lasse sich nicht durch einen ?Namensmischmasch? herstellen. Außerdem gebe es mit den reduzierten Beiträgen für Alt-DVU-Mitglieder und den drei Vorstandsposten für ihre Vertreter schon genug ?Verschmelzungsgeschenke?.

Nörgler können die Feierstimmung nicht stören

Voigt warnt in seiner Antwort vor ?Kleinlichkeit? und ?Engstirnigkeit? und mahnt, wer dem Initiativantrag folge, sage nein zum Zusammenschluss. Am Ende lässt eine große Mehrheit der Delegierten den Antrag durchfallen. Aber auch an anderer Stelle der Tagesordnung versuchen einige NPDler, ein Störfeuer zu zünden: Gegen den Vorschlag des Vorstands, Noch-DVU-Chef Matthias Faust sowie dessen Stellvertreter Ingmar Knop und DVU-Präsidiumsmitglied Heiner Höving in den NPD-Vorstand zu wählen, schlugen sie Alternativkandidaten vor.

Doch wirklich stören können sie Nörgler die Feierstimmung in Hohenmölsen nicht. Einige der vorgeschlagenen Gegenkandidaten waren gar nicht beim Parteitag im Burgenlandkreis anwesend, die anderen erklären, nicht antreten zu wollen. Mit deutlicher Mehrheit wird Faust zum neuen stellvertretenden NPD-Vorsitzenden gewählt. Er erhält rund 80 Prozent der Stimmen, nachdem Voigt den Delegierten zuvor vermittelt hat, seine Wahl wäre sicher auch im Sinne des verstorbenen Parteivizes Jürgen Rieger gewesen, der ebenfalls ein Fusion befürwortet habe. Auch Knop und Höving ziehen mit ähnlichen Mehrheiten wie Faust neu in den NPD-Vorstand ein.

?Hoch die nationale Solidarität?

Insbesondere Knop erhält viel Beifall für seine Vorstellungsrede. Der Tonfall ist ganz nach dem Geschmack der NPDler. Die ausländischen Arbeitnehmer hätten ?gutes Geld? in Deutschland verdient. Das könnten sie dann mitnehmen, wenn sie die Heimreise anträten, fügt Knop hinzu. Die Rede Fausts hingegen ist deutlich defensiver angelegt. Der Antritt der DVU bei der Bundestagswahl im vorigen Jahr sei eine ?kleine Trotzreaktion? und ?unnötig und blödsinnig? gewesen, räumt er beispielsweise ein. Und auch für die Fehler, die er vor Jahren während seiner ersten Zeit bei der NPD in deren Hamburger Landesverband gemacht habe, sei er ?gerne bereit, mich zu entschuldigen?. Jetzt aber gehe es darum, einander die Hand zu reichen, meint Faust. Die ?Gegner? säßen nicht hier im Saal: ?Die Gegner sind da draußen.? Voigt eilt zum Rednerpult: Schulterschluss mit seinem künftigen Stellvertreter und die Delegierten stimmen in den Ruf ?Hoch die nationale Solidarität? ein.

Gern gesehen sind Faust und seine Truppe in der NPD auch, weil sie Geld mitbringen. Dank Gerhard Frey ist die DVU schuldenfrei. Darüber hinaus hat sie aktuelle eine Erbschaft erhalten, die sie als ?Mitgift? in die neue Ehe einbringt. Dies werde ?ein hoher sechsstelliger Betrag? sein, kündigt Faust an. In der NPD-Spitze hofft man, dass diese Erbschaft kein Einzelfall bleibt. Wiederholt hatte die DVU in der Vergangenheit davon profitiert, dass Mitglieder oder Anhänger die Partei in ihrem Testament berücksichtigt hatten.

Mandatsträgerbeiträge zurückgefordert

Die finanziellen Risiken der DVU scheinen dagegen überschaubar. In zwei Fällen wird derzeit vor Gericht darüber gestritten, ob und in welcher Höhe die Partei noch Verbindlichkeiten abtragen muss. In der juristischen Auseinandersetzung mit dem Neonazi Christian Worch geht es nach Fausts Worten darum, ob die DVU 15.000 oder 30.000 Euro an ihn zurückzahlen muss. Und in einem zweiten Verfahren beschäftigt sich die Justiz nach Fausts Darstellung damit, dass Liane Hesselbarth, die frühere DVU-Fraktionschefin im brandenburgischen Landtag, an die ?Volksunion? entrichtete Mandatsträgerbeiträge in Höhe von 20.000 Euro zurückfordert.

Unterm Strich bliebe aber ein deutliches Plus. Brauchen könnte die oft klamme NPD das Geld. Denn Voigt hat sich für das nächste Jahr viel vorgenommen ? zunächst einmal im März den Einzug in den Landtag in Magdeburg. Man trete dort als ?Volksfront? an: vom DSUler bis zum ?Autonomen Nationalisten?, sagt Matthias Heyder, der Landesvorsitzende in Sachsen-Anhalt. Eine dritte Landtagsfraktion sei ?von überragender Bedeutung? für die Partei, ruft Heyder und bittet die NPDler im Saal um Unterstützung: ?Wir brauchen die Generalmobilmachung der Partei.?

Aussichtsreichere Kandidatur für Alt-NPDler Pühse

Auch bei der Bürgerschaftswahl in Bremen im Mai rechnet sich die NPD Chancen aus. Als Wahlkampfchef wird der NPD-Organisationsleiter Jens Pühse dorthin delegiert, kündigt Voigt an. Pühse soll auch Spitzenkandidat in Bremerhaven werden, während Faust in Bremen als Listenerster antreten würde. Dank einer Sonderregelung des Wahlrechts in Bremen ? es reicht für einen Parlamentseinzug, wenn nur in Bremerhaven die Fünf-Prozenthürde übersprungen wird ? hatte die DVU seit 1987 mit Ausnahme einer Wahlperiode Vertreter in der Bürgerschaft entsenden können.

Auch die Bremer Personalie zeigt, wer in der ?fusionierten? Partei das Sagen hat: Die aussichtsreichere Kandidatur fällt dem Alt-NPDler Pühse zu, die weniger aussichtsreiche dem Neu-NPDler Faust. Voigt erklärt den Delegierten, warum ein Erfolg in Bremen wichtig für die Partei wäre: ?Es darf nicht sein, dass wir zur Partei der Mitteldeutschen werden.? Die NPD sei schließlich eine Partei für ?ganz Deutschland?.

Bei der NPD müssen nun Anfang Dezember die Mitglieder in einer Urabstimmung die ?Fusion? beschließen. Voraussichtlich am 12. Dezember soll das Ergebnis vorliegen. Bei der DVU steht vor der auch dort erforderlichen Urabstimmung zunächst noch ein Parteitag an. ?Der wird auch noch im November stattfinden?, kündigt Faust an. Einen konkreten Termin nennt er auch in Hohenmölsen noch nicht. Allerdings spricht viel dafür, dass die Mitglieder seiner Partei für das letzte November-Wochenende eingeladen werden. Beim voraussichtlich letzten Parteitag der DVU wird es ein Novum geben. Medienvertreter würden zugelassen sein, verspricht Faust. So könnte man ganz am Ende der 23-jährigen DVU-Parteigeschichte eine ganz neue Erfahrung machen: Die Hinterzimmer- und Stammtischpartei wird am Ende doch noch transparent.

Dieser Artikel erschien zuerst auf dem Portal bnr.de und wurde uns von der Redaktion freundlicherweise zur Verfügung gestellt.

Mehr auf netz-gegen-nazis.de

Parteizusammenschlusspläne: Wird es bald ?Die Rechte? geben und wenn ja, wie viele?

Weiterlesen

1456px-Saarlouis_Rathaus_Lennart

30 Jahre später Mutmaßlicher Mörder von Samuel Yeboah ermittelt

1991 wurde Samuel Yeboah in Saarlouis bei einem Brandanschlag ermordet. 30 Jahre später haben Ermittler*innen offenbar einen mutmaßlichen Täter aus der örtlichen Neonaziszene ausgemacht. Ein offizielles Gedenken an das Opfer gibt es in der Stadt auch nach drei Jahrzehnten nicht.

Von|
Eine Plattform der