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Monatsüberblick Oktober 2016 Islamfeindlichkeit

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Online-Kampagne gegen Islamfeindlichkeit in den USA #muslimshaverights (Quelle: Screenshot Website www.muslimshaverights.com)

Zusammengestellt von Simone Rafael 

1. Ignoriert Deutschland islamfeindliche Gewalt? 

Türkei fordert von Deutschland Maßnahmen gegen islamfeindliche Gewalt

Der Vorsitzende der Menschenrechtskommission in der Türkei, Mustafa Yenero?lu, hat die deutschen Behörden zur Gewährleistung der Sicherheit aufgefordert. Die geringe Aufklärungsquote islamfeindlicher Straftaten in Deutschland wirke auf die Täter motivierend. In einer Stellungnahme betonte Yenero?lu, es sei eine wichtige Aufgabe der Sicherheitsbehörde, die muslimische Community in Deutschland vor rassistischen Attacken zu beschützen sowie Sicherheit, Recht und Ordnung in Deutschland zu gewährleisten. Rassistische und islamfeindliche Übergriffe auf islamische Einrichtungen sollen verhindert werden. Die Erklärung kam vor dem Hintergrund der jüngsten Brandanschläge auf Moscheen in der sächsischen Landeshauptstadt Dresden und im Bundesland Hessen (nex).

Europarats-Kommission warnt vor Islamfeindlichkeit

Die Kommission gegen Rassismus und Intoleranz des Europarates warnt vor wachsendem Rassismus gegen Migranten und Muslime in Großbritannien. Vor allem die Hassrede, die in Zeitungen und online betrieben werde, sei ein ernstzunehmendes Problem. Besonders beim Thema Einwanderung habe man erhebliche intolerante politische Diskurse festgestellt, sagte Ahlung. Hassrede sei ein ernstzunehmendes Problem in Boulevardzeitungen. Zudem gebe es seit 2013 immer mehr Hassrede online gegen Muslime. Seit 2013 seien besonders viele Vorfälle rassistischer Gewalt gegen Muslime sowie Höchststände bei antisemitischen Vorfälle im Jahr 2014 registriert worden (islamiq).

Deutschland, du hast ein Gewaltproblem!

Bombenanschläge, versuchte Brandstiftung und Schüsse vor Moscheen. Musliminnen werden rassistisch beleidigt und angegriffen. Esra Lale ist der Meinung, dass Deutschland ein Gewaltproblem hat und Muslime nicht die Bedrohung darstellen, sondern diejenigen sind, die geschützt werden müssen (islamiq). 

2. Musliminnen beklagen Zunahme anti-islamischer Übergriffe

Viele gläubige Musliminnen tragen ein Kopftuch. Auf der Straße müssen sie dafür Beleidigungen und Anfeindungen in Kauf nehmen. Auch in Hamburg werden sie nach Angaben betroffener Frauen beschimpft, bespuckt oder gar angegriffen. Betroffene und eine Beratungsstelle sagten der Deutschen Presse-Agentur übereinstimmend, die Zahl der Anfeindungen habe zugenommen. „Viele Musliminnen fahren nur noch Auto, weil sie Angst haben im öffentlichen Nahverkehr“, sagte die Frauenbeauftragte der Schura Hamburg, Özlem Nas. Immer noch ist die Anzahl islamfeindlicher Übergriffe in Deutschland unklar, weil sie nicht gesondert erfasst werden (islamiq). 

3. Übergriffe im Oktober 2016 

Angriff auf Moschee-Rohbau in Hamm

In Hamm wurde der Rohbau einer neuen Moschee mit islamfeindlichen Parolen und Hakenkreuzen beschmiert. Die Polizei ermittelt gegen die bisher unbekannten Täter. In Hamm Herringen wurde der Neubau einer Ditib-Moschee mit Hakenkreuzen und islamfeindlichen Parolen beschmiert. Unter anderem wurden an den Wänden der Moschee die Sätze „Lieber Nazi als Moslem“, „Verpisst euch aus Deutschland“ und „AFD statt Sandnegger“ mit Graffiti geschrieben (islamiq). 

Versuchte Brandstiftung an DITIB-Moschee in Bielefeld

Mitte September sollen Unbekannte ein Feuer vor einer Moschee in Bielefeld entzündet haben. Erst jetzt, rund einen Monat später, startet die Polizei einen öffentlichen Zeugenaufruf. In der Nacht vom 10. auf den 11. September sollen bisher unbekannte Täter versucht haben an der Ulu-Moschee in Höxter bei Bielefeld ein Feuer zu entzünden. Die Ulu-Moschee, die dem Dachverband der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion e.V. (DITIB) angehört, kam mit einem Sachschaden davon. Wie hoch der Schaden ist, konnte die Pressestelle der Polizei Bielefeld nach eigenen Angaben nicht sagen (islamiq). 

Dresden: Islamfeindliche Hetze am Einheitswochenende

Dem Mondkalender folgend lud der Dresdner Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) zum Islamischen Neujahr am 2. Oktober Angehörige muslimischen Glaubens zu einem Empfang ins Rathaus, einem Ort der Begegnung, ein. Das ging vielen Islamfeinden und Neidern zu weit. Bereits im September tauchten in Gorbitz Handzettel mit der ursprünglichen Einladung auf, ergänzt um die Losung „Freibier und Schweinefleisch“. Kurz vor der Feierlichkeit agierte auf Facebook kein Geringerer als der Vorsitzende des Ausschusses für Soziales und Verbraucherschutz, Gesundheit und Integration im Sächsischen Landtag, André Wendt (AfD), in einem Störaufruf als Kontaktperson. Am Morgen des 2. Oktober zeigten sich daraufhin etliche „Besorgte Bürgerinnen und Bürger“ teils mit rohem Schweinefleisch vor dem Neuen Rathaus. Mindestens einem Provokateur gelang es trotz strenger Personenkontrollen in den Saal zu gelangen. Bei einer Koranrezitation kam es schließlich zu Störungen durch Rufe und Trillerpfeifen. Nach einem Handgemenge wurde mindestens eine Person aus dem Saal gebracht. In dieser aufgeheizten Stimmung kam es Folgetag am Rande der offiziellen Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit zu einer Jagdszene durch den Dresdner Hauptbahnhof, bei der PEGIDA-Bachmann und sein Gefolge den Präsidenten des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, derart bedrängten, dass dieser Polizeischutz in Anspruch nehmen musste. Lutz Bachmann und Co. konnten nach dem Vorfall den Ort des Geschehens unbehelligt verlassen. Wenige Tage zuvor war bei einem Sprengstoffanschlag im Stadtteil Cotta die Eingangstür einer Moschee schwer beschädigt worden (addn). 

4. Islamhass in Ostdeutschland nimmt stark zu: Moscheen werden häufiger attackiert

Die Zahl der Angriffe auf Moscheen steigt in Ostdeutschland bedrohlich an. Islamhasser haben seit 1. Juni allein in Sachsen sechs Angriffe verübt. An zweiter Stelle folgt Niedersachsen mit fünf Attacken. Bundesweit ereigneten sich seit dem 1. Juni 2016 insgesamt 28 Straftaten. Fast die Hälfte der Fälle (13) betraf die fünf ostdeutschen Bundesländer. Und das, obwohl in Ostdeutschland nur weniger als zwei Prozent der Muslime leben. Bisher ereigneten sich die meisten Anschläge in Westdeutschland – so wurden im ersten Halbjahr in den neuen Bundesländern nur zwei Attacken verübt. Doch nun nimmt der Islamhass in Sachsen und weiteren ostdeutschen Bundesländern drastisch zu (huffingtonpost).

5.  Wegen Islamfeindlichkeit umstrittener Ex-Dozent soll AfD-Stadtrat in Berlin-Lichtenberg werden 

Einen Tag vor der konstituierenden Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung in Lichtenberg sorgt die AfD für den ersten Eklat. Am Mittwoch wurden die BVV-Fraktionen darüber informiert, dass die AfD Wolfgang Hebold als ihren Bezirksstadtrat nominieren wird. Der Posten steht ihr aufgrund des Wahlergebnisses zu. Über die Besetzung wird erst auf der Sitzung im November abgestimmt, aber die AfD-Ankündigung sorgte für Unmut bis Entsetzen bei den anderen Parteien. Ole Kreins, der SPD-Kreisvorsitzende, sagte der Berliner Zeitung: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Sozialdemokraten diesen Kandidaten unterstützen werden.“ Hebold hatte im Mai seine Lehraufträge an Berliner Hochschulen verloren, weil er seinen Studenten Statistik-Aufgaben mit islamfeindlichen Inhalten gestellt hatte. So ließ der Diplom-Mathematiker die Studierenden berechnen, welcher statistische Zusammenhang zwischen der Anzahl von Terroranschlägen und dem Anteil der muslimischen Bevölkerung besteht. Auch sollten sie die Korrelation zwischen dem Anteil der Muslime und der Zahl der genitalverstümmelten Frauen ermitteln. Die Hochschule für Wirtschaft und Recht, die Hochschule für Wirtschaft und Technik und die Management Hochschule SRH kündigten dem Privatdozenten daraufhin seine Lehraufträge (Berliner Zeitung).

 

6. Moscheeanschlagsserie: „Muslime werden an den Rand der Gesellschaft gedrängt“

Die etlichen Moscheeangriffe und die islamfeindlichen Übergriffe erschüttern Muslime in Europa. Was hinter der Feindschaft steckt und was die europäischen Rechten damit zu tun haben, erklärt Matthew Goodwin von der Universität Kent. Er schreibt etwa: „Was aber steckt hinter der wachsenden Feindseligkeit? Angriffe auf Moscheen und Muslime in Europa lassen sich einerseits als Ausdruck wachsender Furcht vor Terrorismus und einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit deuten – als eine Art „Gegenoffensive“ weißer Einheimischer angesichts der angeblichen Bedrohung ihrer Lebensweise. Diese Situation beschreibt der Wissenschaftler Roger Eatwell als „kumulativen Extremismus“. Dabei agitieren Extremisten, bspw. Anhänger rechtsextremer Gruppierungen, zum Teil gewaltsam gegen eine andere Form des Extremismus, hier den IS-Terror. Beide Formen beeinflussen sich gegenseitig und setzen eine Spirale der Gewalt in Gang, wie sie seinerzeit bereits in Nordirland oder Südafrika zu beobachten war. Andere, wie Leonard Weinberg, meinen zudem, die nächste Welle der Gewalt in Europa werde durch eine Form der Politik des Gegenschlages radikaler nationalistischer Gruppen ausgelöst. Diese wollten durch Gewaltakte und Feindseligkeit gegenüber religiösen Gemeinschaften ihre allgemeine Ablehnung wachsender ethnischer und kultureller Vielfalt zum Ausdruck bringen. Derartige Gruppierungen agieren jedoch in einem breiteren Kontext. Vor diesem Hintergrund ist die Feststellung wichtig, dass das politische Klima in Europa für Anti-Immigrations- und besonders Anti-Islam-Bewegungen wesentlich günstiger geworden ist, was mit der ökonomischen und demografischen Entwicklung zusammenhängt.“ (islamiq.de)

vgl. „Es muss einen demokratischen Widerstand der Muslime geben“Wie sind die gewalttätigen Übergriffe gegen Muslime und Moscheen zu bewerten? Warum nicht nur rechte Parteien dafür verantwortlich gemacht werden können und was Muslime dagegen tun sollten, erklärt Politikwissenschaftler Dr. Farid Hafez im IslamiQ-Interview.

 

7. Gegenstrategien 

Lamya Kaddor wehrt sich gegen den Hass

Die Publizistin hat ein Buch über Fremdenangst geschrieben. Ihre Gegner attackieren sie wüst. Am Freitag hat sie noch einmal ein paar Stunden bei der Polizei gesessen und 100 Strafanträge gestellt. Alles war dabei, was es anzuzeigen gibt diesseits des Faustschlags: Beleidigung, sexuelle Beleidigung, Aufruf zu einer Straftat, Verunglimpfung einer Religionsgemeinschaft, Antisemitismus. Auf eine Mail hin, die sie erreichte, hat sie die Polizei zu ihrem Schutz nach Hause geholt, so konkret war die Drohung. Was es hilft gegen die Flut von Beschimpfungen, Mord- und Vergewaltigungsfantasien, weiß Lamya Kaddor nicht. Viele haben ganz offen unter ihrem richtigen Namen geschrieben; einen, dessen Suada mit „Heil Hitler“ begann, hat die Polizei schon besucht. Ein betrunkener Tropf – aber darf man, weil man betrunken ist, ungestraft jemandem die Menschenwürde absprechen? Sie will sich das alles nicht mehr gefallen lassen (sueddeutsche.de

Muslime müssen Islamophobie gemeinsam entgegentreten

Der Wahlkampf in den USA zeigt: Die Rassisten und Kläglichen sind stärker geworden. Die amerikanischen Muslime dürfen sich nicht noch gegeneinander ausspielen lassen. Ein Gastbeitrag von Qasim Rashid (ZEIT).

vgl. Gemeinsam gegen Islamfeindlichkeit

Bundesinnenminister de Maiziere trifft sich mit Vertretern der islamischen Religionsgemeinschaften. Sie wollen gemeinsam gegen Islamfeindlichkeit vorgehen (islamiq

#MuslimsHaveRights-Kampagne in den USA – Muslime haben Rechte!

In den USA gibt es momentan so viele Hassverbrechen gegen Muslime wie seit 15 Jahren nicht mehr. In der #MuslimsHaveRights-Kampagne finden sich Akademiker, Aktivisten und Künstler zusammen, die sich weigern, islamfeindlichen Fanatismus und Rassismus zu akzeptieren (quantara.de

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Februar 2018 Internet, Social Media, Hate Speech

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