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1. Mai „Der III. Weg“ will Demo vor Synagoge in Erfurt abhalten

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Die faschistische Splitterpartei „ Der III. Weg“ hat seine Demonstration am 1. Mai in Erfurt abgesagt. (Quelle: Screenshot)

Die Erfurter 1. Mai-Chronik liest sich wie das Paradies für Neonazi-Märsche. Zivilgesellschaftliche Gruppierungen, verschiedene Parteien und Gewerkschaften rufen jedes Jahr zu Gegenprotesten auf. Durch die Covid19-Pandemie verläuft dieses Jahr allerdings vieles anders. Zwischen Erleichterung und Angst taumelt die Ungewissheit. Die faschistische Splitterpartei „ Der III. Weg“ ruft zu „dezentralen Aktionen“ auf und hat eine genehmigte Versammlung kurzfristig abgesagt. Die AfD versucht währenddessen eine Demonstration für 1.000 Teilnehmer*innen vor Gericht durchzusetzen.

„Der III. Weg“ sagt kurzfristig Demonstration wegen der Versammlungsauflagen ab

Die Neonazi-Partei „Der III. Weg“ hatte für den 1. Mai in Erfurt einen großen Neonazi-Aufmarsch angekündigt. Demokratische Bündnisse und antifaschistischen Strukturen bereiteten sich auf ein Schaulaufen bundesdeutscher Neonazi-Kader vor. Dann kam die Covid19-Pandemie und schien dem Vorhaben einen Riegel vorzuschieben. Die Mobilisierung der Neonazis wurde heruntergefahren und lange schwebte ein Fragezeichen über dem Stattfinden der Demonstration. Zwar wurde die antifaschistische Vorabenddemo abgesagt, aber der „III. Weg“ hielt an seinem Vorhaben fest. Dann lockerte das Thüringer Kabinett das Versammlungsverbot. Es hieß, dass die Neonazis am Freitag mit 50 Personen demonstrieren dürften – allerdings nur unter Auflagen. Der „III. Weg“ gab sich siegessicher. Am späten gestrigen Abend wurde die Veranstaltung dann doch abgesagt. Die Neonazis gaben an, durch die strengen Auflagen wolle man sich „nicht zu Knechten dieses Systems machen lassen“. Dennoch rief die Partei dazu auf, „bundesweite Aktionen“ durchzuführen. Ein Pressesprecher der Stadt teilte mit, man sei “sehr glücklich darüber”.

Angedachte Neonazi-Kundgebung in direkter Umgebung der Jüdischen Gemeinde

Bereits im Vorfeld gab es scharfe Kritik für den Ort der Auftaktkundgebung. Nur einige Meter entfernt liegt die Neue Synagoge. Zufall? Wohl kaum.. Für die Jüdische Gemeinde ist die Genehmigung des Ortes unverständlich. Reinhard Schramm, Vorsitzender der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen, kritisiert die Entscheidung. „Nazis wollen sich eine eigene Erinnerungskultur aufbauen, wenn sie an bestimmten Tagen an bestimmten Orten demonstrieren“, sagt Schramm. Man merkt ihm an, dass für ihn das Thema eine ständigen Alltagsbegleitung geworden ist. Auch wenn Thüringen viel gegen Antisemitismus mache, verzeichnet die Gemeinde steigende antisemitische Einstellungen. Erst kürzlich erinnerte eine Online-Gedenkveranstaltung an den Brandanschlag auf die Erfurter Synagoge am 20. April 2000 durch drei Neonazis– ausgerechnet an Hitlers Geburtstag.

Antisemitismus als beständiges Problem

Dass die Neonazis 20 Jahre später eine Demonstration in der Nähe der Jüdischen Gemeinde abhalten dürfen, ist für Schramm beängstigend. In einem internen Brief wandte er sich bereits im Vorfeld an den Oberbürgermeister und Politiker*innen. Er forderte, „die Ruhe unserer Synagoge und damit unserer Mitglieder in Erfurt zu schützen“. Dazu gehöre das Verbot einer antisemitischen Demonstration im direkten Umfeld der Synagoge. Doch obwohl Oberbürgermeister sowie Politiker*innen und zivilgesellschaftliche Verbände seine Forderungen teilten, blieb die Versammlung von der zuständigen Behörde genehmigt. Es blieb eine herbe Enttäuschung und ein bitterer Beigeschmack. Man dürfe sich nicht darauf verlassen, dass die Pandemie eine Neonazi-Demonstration verhindert, sondern rechten Kräften müsse entschieden entgegengetreten werden. Antisemitismus ist kein randständiges Problem, sondern „jeder Antisemitismus ist eine Gefahr für die Demokratie“ gibt Schramm zu verstehen. Eine Zunahme des Antisemitismus betrifft uns alle.

Befürchtung von dezentralen Neonazi-Angriffen

Auch wenn der „III. Weg“ seine Demonstration abgesagt hat und einige Bündnisse kurz durchatmen, führt das unter den Aktivist*innen keinesfalls zur Entspannung. Dass die Neonazi-Partei zu „dezentralen Aktionen“ aufruft, macht dennoch einigen Sorgen. MOBIT, die Mobile Beratung in Thüringen, will die Aktionen der Partei weiterhin im Blick behalten. Es bestehe zwar grundsätzlich keine Entwarnung, aber „wir gehen davon aus, dass die Ankündigungen in Thüringen keine großen Wellen schlagen werden“, so Romy Arnold, Projektleiterin von MOBIT.

AfD will Demonstration mit 1.000 Teilnehmer*innen vor Gericht durchsetzen

Auf eine Anfrage von Belltower.News gibt die Stadt bekannt, dass auch weitere rechte Versammlungen in Erfurt angemeldet sind. Unter anderem hat der Thüringer AfD-Landesverband letzte Woche eine Demonstration angemeldet. Die AfD bewirbt ihre Versammlung derzeit nicht. Arnold vermutet, dass es sich um eine Aufmerksamkeits-Strategie handelt, „um gegen die Maßnahmen ein Zeichen zu setzen“.  Auf Facebook verkündet sie allerdings, dass man eine eine Demonstration mit 1.000 Teilnehmer*innen unter dem Motto „Den Ausnahmezustand beenden – Grundrechte wiederherstellen!“ durchführen wolle. Die Stadt teilte auf Nachfrage mit, dass der AfD im Bereich dieser Größenordnung eine Absage erteilt worden sei und lediglich Veranstaltungen im Umfang von 50 Teilnehmer*innen zugelassen würden. Die AfD will nun gegen diese Entscheidung klagen. Das Bündnis “Alles Muss Man Selber Machen” äußert über Twitter die Befürchtung, dass die AfD mit einem Klageerfolg nicht nur sich, sondern auch der Neonazi-Partei den Weg freiklagen könnte. Die Sorgen bleiben somit beständig. Auch eine Anmeldung unter dem Motto „Deutscher Sozialismus statt Klassenkampf- Kapitalismus und Kommunismus zerschlagen!“ lag der Stadt vor. Die Versammlung wurde durch ein Mitglied des “III. Weg” angemeldet, aber ebenfalls abgesagt.

„Die Hoffnung stirbt zuletzt, aber sie stirbt!“ ist ein Spruch, der für hoffnungslose Pessimist*innen maßgeschneidert ist. In der aktuellen Situation in Erfurt scheint er sich für einige zu bewahrheiten. Nur für wen bleibt bis zuletzt ungewiss.

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