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Christchurch-Attentäter spendete Geld an die „Identitäre Bewegung“

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Muss jetzt bei Mama und Papa im Wohnzimmer streamen: IB-Anführer Martin Sellner sieht sich drangsaliert, nur weil ein Rechtsterrorist ihm gespendet hat. (Quelle: Screenshot YouTube)

IB-Posterboy Martin Sellner erinnert sich in seinem unvermeidlichen YouTube-Video zur gestrigen Hausdurchsuchung durch österreichische Sicherheitsbehörden an die Spende, „im letzten Jahr, 2018“. Da ging eine – laut Behördenangaben größere – Summe Geld auf das Konto des Anführers der neurechten „Identitären Bewegung“ in Deutschland und Österreich ein, laut Medienberichten sind es 1.500 Euro. Spender war Brenton Tarrant, der im März 2019 als Rechtsterrorist bekannt wurde, weil er in Neuseeland mit Komplizen in zwei Moscheen 50 Menschen aus islamfeindlicher und rechtsextremer Motivation erschossen hat (vgl. BTN). 2018 war der Australier kein bekannter Name, im Internet allerdings durchaus als Sympathisant der rechtsextremen Szene identifizierbar etwa in der Gaming-Community „Steam“ (vgl. ZEIT, tagesschau.de).

IB finanziert sich mit Spenden

Martin Sellner hatte also offenbar keinen Grund, die Spende zu hinterfragen. Er finanziert seine rechtsextremen Aktivitäten gern über Spenden, wozu er etwa unter den Videos in seinem YouTube-Channel aufruft. Immer wieder werden ihm und der „Identitären Bewegung“ zwar Konten gesperrt, dafür fallen den rechtsextremen Aktivist*innen aber stets neue Möglichkeiten des Geldtransfers ein: Als etwa das Konto der „Identitären“ in Österreich gesperrt wurde, sammelte man stattdessen über das Konto der deutschen IB. Aktuell fordert Sellner zu Bitcoin-Spenden oder Überweisungen auf ein ungarisches Konto auf. Geldüberweisungsportale wie PayPal oder Patreon hatten die „Identitäre Bewegung“ zuvor bereits gesperrt.

Hausdurchsuchung wegen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung

Durch Benton Tarrants Spende hat Martin Sellner nun also wieder Ärger mit der Polizei. Sellner und 17 andere Protagonist*innen der „Identitäre Bewegung Österreich“ hatten bereits im vergangenen Jahr in Österreich vor Gericht gestanden unter dem Verdacht, eine kriminelle Vereinigung zu bilden und als solche Volksverhetzung, Sachbeschädigung und Nötigung zu verüben. Vom Vorwurf der Verhetzung und der Bildung einer kriminellen Organisation wurden alle 17 – mittlerweile rechtskräftig – freigesprochen. Ein Finanzstrafverfahren zu dem Onlinehandel, den die Organisation betreibt, läuft aber weiterhin. (vgl. BTN, 2). Daher kennt Sellner bereits das Procedere mit Beschlagnahmung von Kommuikationsmedien und Hausdurchsuchungen. Nun beklagt er sich wortreich per Video aus dem Wohnzimmer seiner Eltern (sic), wieder Handys und Computer losgeworden zu sein, und das nur wegen der Spende, obwohl er doch zu Tarrant gar keinen  Kontakt gehabt habe. Laut Recherchen in österreichischen Medien wäre das allerdings durchaus möglich gewesen: Rechtsterrorist Tarrant soll im Winder 2018 durch Österreich gereist sein. Ob er dort Kontakte zu lokalen Rechtsextremen allgemein oder zu den „Identitären“ konkret hatte, ist bisher nicht bekannt. Es erklärt aber, warum Sellner mit der Tarrant-Spende in den Focus der Ermittlungen geriet: Der Unterausschuss für Inneres im österreichischen Parlament befasst sich mit den potenziellen Verbindungen des Attentäters nach Österreich. Die Staatsanwaltschaft Graz prüft nun eine Verbindung der „Identitären“ zum mutmaßlichen Attentäter von Christchurch. Der Erstverdacht lautet auf Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung.

Und inhaltlich?

Natürlich äußert sich Sellner – wie bereits in den vergangenen Tagen – auch inhaltlich zum Vorgehen. Dabei ist auffällig, dass alle Distanzierungen sich auf die Gewalt der Tat beziehen, nicht aber auf die islamfeindlichen und demokratiefeindlichen Inhalte, die der rechtsterroristische Täter damit verbreiten wollte – und die die IB teilt. Es ist der krampfhafte Versuch eines Umgangs mit der Tatsache, dass die „Identitären“ zwar seit ihrer Gründung von sich behaupten, Gewalt abzulehnen und nur politisch für ein rassistisch-völkisches Gesellschafskonzept zu streiten, aber zugleich die, die sie als „Gegner*innen“ wahrnehmen, zu bedrohen, zu beleidigen und ihre Daten zu veröffentlichen (vgl. BTN). Dies wiederum verstehen Sympathisant*innen sehr wohl als Aufruf zu Gewalt, wenn auch nicht alle Gewalt so mörderische Folgen hat wie der rechtsterroristischen Anschlag von Christchurch.

Argumentative Schwurbeligkeit angesichts der Ermordung von 50 Menschen im Namen des „Großen Austausches“ ließ sich bereits in den letzten Tagen auf IB-Accounts beobachten. Sellner selbst versuchte es mit der „Einzeltäter“-These und der angesichts zahlreicher rechtsterroristischer Vereinigungen allein in Deutschland recht abenteuerlichen Behauptung, „fast alle Rechten“ würden Terror ablehnen.

IB-Kopf Martin Sellner auf Twitter zu Christchurch: „Fast alle Rechten“ lehnen Terror ab? Wohl nicht.

Dieser Gedanke gefiel ihm allerdings aufrichtig, ebenso wie seinem IBÖ-Mistreiter Patrick Lenart. Und beide sahen sich motiviert, einen Vergleich zwischen Rechtsextreme/Rechtsterror und Muslime/IS zu ziehen.

„MSM“ heißt übrigens „Mainstream-Medien“.
Patrick Lenart auf Twitter: Rechte als Muslime.

Diese Idee, „Patrioten“ mit Muslimen gleichzusetzen, spinnt Sellner noch vor sich hin:

 

Martein Sellner auf Twitter: „Patrioten sind die ersten Opfer des Rechtsterrorismus“. Warte. Nein.

Patrick Lenart, zweiter Kopf der IB Österreich und mit Sellner auch im neurechten „Phalanx Europa“-Versand verbandelt, versucht derweil, die Tat von der IB fernzuhalten:

IB-Aktivist Patrick Lenart auf Twitter: „Kein einziges Mal erwähnt…“ – aber gespendet…

Nun, der Täter nennt die „Identitäre Bewegung“ nicht, aber er spendet ihr Geld. Damit kennt und unterstützt er sie dann wohl schon.

Martin Sellner auf Twitter

Dem Täter von Christchurch unterstellt Martin Sellner also eine ausgefeilte Planung – auch im Video nach der Hausdurchsuchung. Tarrant habe wohl die Spende getätigt, um Repressionen gegen die „Identitäre Bewegung“ zu erzeugen und damit zur Radikalisierung der rechtsextremen Szene Europas beizutragen.  Wenn die Spende also schon im Sommer 2018 geschah, war das ein ziemlich langfristiger Plan, der auch noch daran hätte scheitern können, dass die IB das durchschaut und sich distanziert hätte. Dazu allerdings sah Sellner offenkundig keinen Grund. Er bedankte sich freundlich per Mail bei Tarrant für dessen Geld. Selbst als Tarrant als Rechtsterrorist bekannt wurde, verlor Sellner kein Wort über dessen Geld, auch wenn er es anders darstellt.

In seiner „Verteidigung“ auf Twitter baut Sellner noch seine Bitcoin-Nummer ein.

Und was wird nun aus dem „Großen Austausch“? Patrick Lenart erklärt umständlich auf YouTube, das habe man ja jetzt nicht so gemeint, man habe zwar „großer Austausch“ gesagt, aber eigentlich „demographischer Wandel“ gemeint. Das mit dem Austausch habe halt besser geklungen. Martin Sellner gefällt das. Wenige Tage zuvor hatte ein anderer IBÖ-Mitstreiter noch den „Großen Austausch“ für den Terroranschlag verantwortlich gemacht:

Für Teile der IBÖ gibt es den „Großen Austausch“ also noch.

Ungünstig ist für Sellner nun auch, dass mit dem Rechtsterrorismus von Christchurch eine seiner Lieblingserzählungen verloren geht: Die der „Identitären“ als Deradikalisierungsmaßnahme, als rechtsextreme Friedensbewahrer. Obwohl er das auch nach der Tat noch versucht:

Martin Sellner stellt hier auf Twitter die IB als Friedensstifter da. Dabei bereitet sie die Erzählung für Gewalt vor.

Dass die IB also eine Alternative zu klassischem Rechtsextremismus darstelle und insofern gar eine Art Deradikalisierungmaßnahme wäre, da sie Rechtsextreme aus der Gewalt in die Auseinandersetzung mit politischen Mitteln leite – das muss Benton Tarrant irgendwie falsch verstanden haben.

 

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