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Debunking Was einer flüchtlingsfreundlichen Mutmach-Geschichte auf PI-News widerfährt

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Der rechtpopulistische Blog PI-News ist ein zentrales Medium der selbsternannten „Wutbürger“. Hier treffen sie auf Gleichgesinnte und können sich so in ihrem Hass gegenseitig bestätigen.

 

Neue Rubrik: Debunking

 

Ab sofort schauen wir uns wöchentlich aktuelle Beiträge aus rechten Blogs an und analysieren, wie dort strategisch die Realität verzerrt wird.

 

„News gegen den Mainstream – proamerikanisch – proisraelisch – gegen die Islamisierung Europas – für Grundgesetz und Menschenrechte“, so lautet das offizielle Motto von PI-News, dem Blog “Politically Incorrect”. Der nimmt auch gern einmal News aus dem von ihnen bezeichneten “Mainstream-Medien” – aber sie bekommen hier einen ganz anderen Kontext. So geschieht das auch dem heute exemplarisch ausgewählten Text “Mit Popcorn gegen Fremdenhass”.

 

Der Text, der  harmlos klingt, es aber nicht ist, ist verfasst von einer “Verena B. aus Bonn” und bezieht sich auf einen Artikel aus dem Bonner General-Anzeiger. Im Originaltext geht es um einen Syrer und dessen positive Integrationsgeschichte. Der studierte IT-Techniker geht nach Ausbruch des Krieges von Damaskus zunächst in den Libanon und dann nach Deutschland. Trotz seiner geringen Deutschkenntnisse gibt ein Bonner Theater-Besitzer dem jungen Mann einen Job als studentische Aushilfskraft. Hier kommt der Syrer mit vielen Menschen in Kontakt und lernte die deutsche Umgangssprache.

 

Der PI-Blogbeitrag gibt diese Geschichte mit eigenen Worten wieder – und dann klingt sie plötzlich ganz anders, gemäß der politischen Weltsicht der Autorin und Seite.

 

Konstruierte Behauptungen der PI-News-Autorin

 

Gleich im ersten Abschnitt impliziert die Autorin, dass die Gegend um das Theater ein gefährliches Terrain sei.

 

„(…) am Bertha-von-Suttner-Platz (türkisches Territorium, Zutritt für „deutsche Schlampen“ verboten), wo auch schon mal Maskenmänner Frauen angreifen (…)“

Der als Beleg für das ‚türkische Territorium‘ hinterlegte Link führt auf einen Bericht des General-Anzeigers. Hier geht es um eine Schießerei vor einer Bonner Bar. Laut Bericht des General-Anzeigers ging es bei dieser Auseinandersetzung aus dem Jahr 2015 um Rivalitäten einer Rockergruppe mit möglicherweise Mitgliedern eines libanesischen Clans.

 

Zunächst einmal handelt es sich hier also weder um türkischstämmige Randalierer_innen, noch beherrscht der libanesische Clan die Gegend (zumindest wird dies nicht durch den angegebenen Beleg ersichtlich).

 

Apropos: Das Symbol der Rockergruppe ist ein Totenkopf mit Stahlhelm vor Eisernem Kreuz. Der General Anzeiger vermutet eine enge Verbindung zu den Hells Angels.

Mehr zum Thema Rocker und Rechtsextreme finden Sie hier:

Das Verhältnis von Rockern zu RechtsextremenVernetzung von rechtsextremer Szene und Motorradklubs? Der Streit um die „Symphonie“

 

Politically Incorrect: Behauptungen ohne Belege

 

Einen Beleg für den „„deutsche Schlampen“ verboten“-Vermerk liefert der PI-News-Text nicht und auch in unseren Recherchen konnten wir kein Hinweis finden, auf was sich die Autorin hier bezieht.

 

Auch der Link, der als Beleg dienen soll, dass Maskenmänner hier Frauen angreifen, deutet mit keiner Silbe darauf hin, dass es sich bei diesem EINEN Täter um einen Zugewanderten handelt.

 

Das Spiel mit den Emotionen 

 

Dieser erste Abschnitt hat allein die Funktion, den Leser_innen zu suggerieren, dass es sich in der Umgebung des Theaters um einen rechtsfreien Ort handele, an dem kriminelle Zugewanderte und Migranten quasi konsequenzenlos agieren können. Dem ist nicht so.

 

Die ausformulierte Bonner Kriminalstatistik 2016 können Sie im General Anzeiger nachlesen.    

Der Mythos vom ausschließlich männlichen Flüchtling 

Aus dem ursprünglichen Artikel geht hervor, dass der Theater-Besitzer den Namen auf der Bewerbung des Syrers keinem Geschlecht zuordnen konnte und daher beim ersten Treffen sowohl mit einem Mann als auch mit einer Frau rechnete. Der Politically Incorrect-Text geht auf diese Passage wie folgt ein:

 

 

 „Selbstverständlich stellte sich ein Mann und keine Frau vor. Die Frauen müssen islamischen Geburtendschihad betreiben und haben keine Zeit zum Arbeiten.“

 

Die Autorin greift hier gleich zwei beliebte Themen der Rechtspopulist_innen auf. Erstens das Bild des ausschließlich männlichen Flüchtlings, der seine Frau und Kinder in einem Kriegsgebiet gelassen hat.

 

Laut Angaben der Bundesregierung sind momentan etwa zwei Drittel der Asylbewerber in Deutschland Männer. Es ist also keineswegs selbstverständlich, dass es sich bei allen Geflüchteten und Asylbewerbern um Männer handelt. 

 

Ängste bei den Lesern schüren 

Zweitens arbeitet die Autorin hier mit der Angst-Erzählung vom „Geburtendschihad“. Sie spielt mit der Furcht vor der vermeintlich größeren Vitalität, Virilität und Fertilität der ‚muslimischen Kultur‘ wobei in dieser Auseinandersetzung Biologie, Kultur und Religion vollständig vermengt werden. 

Wir ersparen es den Leser_innen hier auf zu viele menschenverachtende Einzelheiten aus dem Text einzugehen. Nur so viel, die Autorin macht sich über die instabile Sicherheitslage im Libanon lustig und stellt den Syrer als eher minderbemittelt dar.

 

Die Behauptung, alle kämen nur des Geldes wegen

 

Überhaupt sei der Beweggrund, weshalb der 29-Jährige (nach Ansicht der Autorin sieht er „schon etwas reifer aus“) das Kriegsgebiet verlassen hat, lediglich seine Geldgier, so Verena B. aus Bonn.  Hier pflegt die Autorin das unter Flüchtlingsgegner_innen weit verbreiteten Vorurteil, dass Migrant_innen lediglich in die Bundesrepublik kämen, um vom deutschen Sozialsystem zu profitieren.

 

Allerdings wird Deutschland keineswegs von Migrant_innen überfordert. Sozialleistungen erhalten in Deutschland grundsätzlich nur Menschen mit dauerhafter Aufenthaltsgenehmigung.

 

Die Mär vom Ausverkauf des deutschen Sozialsystems

 

Wie viel Geld Asylbewerber_innen erhalten, hängt zum einen davon ab, in welchem Lebensverhältnis sie stehen und wie alt sie sind. Zum anderen sind die Sätze höher, wenn Asylbewerber_innen in eigenen Wohnungen leben und nicht in Sammelunterkünften.

 

In der Erstaufnahmeeinrichtung erhält beispielsweise ein erwachsener alleinstehender Flüchtling lediglich 143 Euro zur Deckung persönlicher Bedürfnisse – das sogenannte Taschengeld.

Eine rein ökonomische Kosten-/Nutzen-Rechnung ergibt: Migrant_innen stützen mit ihren Steuerleistungen das Sozialsystem insgesamt deutlich stärker, als dass sie es belasten.

 

Mit Fakten gegen Hass

Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung aus dem Jahr 2014 kommt zu dem Ergebnis, dass Menschen ohne deutschen Pass im Schnitt pro Jahr 3.300 Euro mehr an Steuern zahlen, als sie an staatlichen Leistungen erhalten. Für 2012 brachte das 22 Milliarden Euro Überschuss für den deutschen Staat.

 

Darüber hinaus kommt die Bertelsmann-Stiftung in einer weiteren Studie von 2015 zu dem Ergebnis, dass es ohne eine Netto-Zuwanderung von außerhalb der Europäischen Union nicht möglich sei, die Anzahl der Erwerbspersonen bis 2050 stabil zu halten.

 

Wirtschaft und Politik sind sich einig, dass die deutsche Gesellschaft auf Zuwanderung angewiesen ist, um die wirtschaftliche Entwicklung zu befördern, die Renten und die Versorgung von Kindern abzusichern.

 

(Selbstverständlich ist diese Diskussion viel komplexer als hier dargestellt. Anhand von Fakten und Zahlen wollten wir lediglich ein kleiner Einblick in die Debatte geben) 

 

Die Verschwörungsideologie der “Umvolkung” 

Der PI-Text endet schließlich mit dem großen Gejammer und dem Hirngespinst einer “Umvolkung”:

“Dass es auch Deutsche gibt, die nicht so gute Bewerbungsschreiben verfassen können und die auch Arbeit suchen, hatte Herr Bresser (der Theater-Besitzer) vergessen, denn Menschen mit Migrationshintergrund sind etwas Besonderes und allemal interessanter als deutsche Kartoffeln, die nach Ansicht der Grünen ohnehin verrecken sollen, um „Flüchtlingen“ Platz zu machen!”

 

Eine Elite, bestehend aus Wirtschaftslobbyist_innen  und Politiker_innen, plane und betreibe aktiv einen Austausch des deutschen und europäischen Volkes gegen ein wie auch immer geartetes anderes Volk, das diesen Eliten hörig sei, so diese krude Verschwörungsideologie.

 

Wie zu erwarten, gibt es zu dieser absurden Theorie keine Beweise. Hier zeigt sich aber zum einen der Wille einer rechtspopulistischen Argumentation, sich stets als  Opfer zu begreifen – und zum anderen, wie schrecklich besorgt die Menschen durch die Welt gehen müssen, die selbst hinter einer Bericht gelungener Integration einen Angriff auf das eigene Selbstverständnis lesen. 

Mit Fakten gegen Vorurteile: Debunking

 

Ein Mittel der Gegenrede bietet das so genannte Debunking, zu Deutsch „Entlarven“. Bei der  Methode geht es konkret darum, falsche Informationen oder Lügen in Vorurteilen, Mythen und Überzeugungen mit Fakten offenzulegen und zu entkräften. Debunking richtet sich nicht nur an Personen, die falsche Informationen vertreten und verbreiten, sondern auch an Mitlesende, die noch keine geschlossene Perspektive auf die Thematik entwickelt haben.Allgemein kann festgehalten werden, dass es sich beim Debunking nicht um eine Methode handelt, die alle menschenfeindlichen Falschinformationen aus der Welt zu schaffen vermag. Wenn nichts mehr geht, kann es besser sein, das Gespräch abzubrechen.Debunking kann jedoch erfolgversprechend sein, wenn es sich an Dritte wendet, die noch kein geschlossenes Weltbild ausgebildet haben. Manchmal führen Sachargumente zu Diskussionsbereitschaft. Es kann hilfreich sein, andere demokratische Nutzer_innen zu bitten mitzumachen und Nutzer_innen , die sich bereits in einer Auseinandersetzung befinden, argumentativ zu unterstützen.

Auszug aus der Broschüre „Hetze gegen Flüchtlinge in Sozialen Medien“

 

 

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