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Der Aufzug in Dresden als Stimmungsmesser für die NPD

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Aufruf für den 13.2. (Quelle: Dresden Nazifrei)

netz-gegen-nazis.de: Wie beurteilt ihr den Vorlauf zum diesjährigen Nazi-Aufzug am 13. Februar in Dresden und welche Unterschiede nehmt ihr wahr?

Silvio Lang: Wir finden in diesem Jahr hier im Bündnis eine Situation vor, die sich von den Vorjahren unterscheidet. Wir verfügen über weniger Mittel und auch die Mobilisierungsreichweite wird diesmal wohl nicht so hoch sein, als sie es in den Vorjahren war. Dies liegt natürlich daran, dass wir einen sogenannten Großaufmarsch am Wochenende, ebenso wie letztes Jahr, verhindern konnten. Dadurch entsteht ein Zwiespalt zwischen der Freude über unseren Erfolg in den letzten Jahren und der damit einhergehenden sinkenden bundesweiten Bedeutung des Termins.

Außerdem sehen wir uns noch immer verschiedensten Repressionsanstrengungen ausgesetzt, welche als Nachwirkungen der Gegenaktivitäten des Jahres 2011 bezeichnet werden können. Die Taktik der Abschreckung, welche von den Institutionen des Freistaats Sachsen und der Versammlungsbehörde der Stadt Dresden stets im Vorfeld der Aufzüge verfolgt wird, motiviert jedoch eher als das sie uns von unserem Engagement abbringen würde. Dabei hilft, dass unser Bündnis eine veränderte Wahrnehmung in der Dresdner Stadtgesellschaft und Öffentlichkeit erfährt. Wir werden nunmehr als aktive Kraft verstanden, die es schafft braunes Gedankengut in Dresden in den entsprechenden Kontext zu setzen und zu verhindern.

Wie schätzt ihr den Stellenwert des „Gedenkmarschs“ für die rechtextreme Szene ein?

Wir sprechen zunächst nicht von „Rechtsextremen“, weil das ein Begriff der Extremismustheorie ist, die wir strikt ablehnen. Nazis sind Nazis, dann kann man sie auch so nennen. Mit den fehlgeschlagenen Demonstrationsversuchen und abnehmenden Teilnehmerzahlen in den letzten Jahren hat sich die Bedeutung des Aufzugs in Dresden für die Szene schon bedeutend verringert. Dass in diesem Jahr zudem ein Wochenendmarsch wohl erneut verhindert werden konnte, schränkt den Interpretationsraum der Nazis weiter ein. Nichtsdestotrotz ist der Aufzug noch immer ein Toptermin in der Naziszene. Dank erschreckend vieler, fest verankerter Strukturen in Sachsen wird es den Anmelder_innen auch unter der Woche möglich sein, eine hohe Zahl von Unterstützern nach Dresden zu mobilisieren.

Dabei kommt dem Aufzug in diesem Jahr in doppelter Hinsicht eine richtungsweisende Funktion zu. Erfolg oder Misserfolg dessen wird über die Mobilisierungsfähigkeit, Erwartungslage und Ausgangssituation in der Szene für die Märsche 2014 und 2015 entscheiden. Diese sind von größerer Bedeutung, da 2014 in Sachsen ein neuer Landtag gewählt wird und sich das „Gedenken“ im darauf folgenden Jahr zum 70. Mal jährt.

Welche Rolle spielt die NPD im Vorfeld des Aufzugs bzw. wie steht sie zu diesem?

Die NPD hält im Vorfeld der Nazi-Demonstration nicht zum ersten Mal offiziell die Füße still. Über den Umweg der „Freien Kräfte“ und des „Aktionsnetzwerks gegen das Vergessen“ ist sie aber stark an Organisation und Durchführung des Aufmarschs beteiligt. Man kann davon ausgehen, dass die Parteispitze intern und dabei natürlich vor allem in Sachsen für die Demonstration mobilisiert. Die Unstimmigkeiten zwischen NPD und „Freien Kameradschaften“ der letzten Jahre sind sicherlich noch immer vorhanden. Die Anmelder des diesjährigen Marsches stammen allerdings aus dem Umfeld der sächsischen NPD-Landtagsfraktion und sind der Partei damit sicherlich näher als die Organisatoren der letzten Jahre. Es geht für NPD und Co in diesem Jahr darum, die Kontinuität der Aufmärsche im Februar in Dresden vor dem wichtigen Wahljahr 2014 nicht durchbrechen zu lassen. Genau das muss also unser Ziel sein.

Wie aktiv ist schätzt du den Widerstand der Dresdner Zivilgesellschaft ein?

In diesem Jahr wird, wie ich das schon angedeutet habe, das Engagement der Dresdnerinnen und Dresdner viel stärker darüber entscheiden, ob die Nazi-Demonstration verhindert werden kann. Wir rechnen dabei mit 2.500 bis 3.000 Menschen, die sich an den von uns organisierten Blockaden beteiligen werden. Es ist davon auszugehen, dass sich in diesem Jahr vor allem aktive Menschen aus Sachsen und dabei vorzugsweise dem Dresdner Umland beteiligen werden. Auf eine umfassende bundesweite Mobilisierungsfähigkeit können wir wahrscheinlich nicht bauen.

Bezüglich der allgemeinen Wahrnehmung der Bombardierung Dresdens hier in der Stadt beobachten wir, dass sich diese langsam aber stetig wandelt. Der oftmals vordergründig präsente „Opfermythos“ der Stadt wird stärker im historischen Kontext wahrgenommen, wodurch die heutige Instrumentalisierung des Gedenkens durch Nazis in immer mehr Teilen  der Bevölkerung auffliegt.

Zu Gute kommt uns außerdem, dass Blockaden mittlerweile als legitimes Mittel des zivilgesellschaftlichen Gegenprotests verstanden werden. Stadtverwaltung und Versammlungsbehörde vollziehen diese Entwicklung leider nicht umfänglich nach. Bei der Polizei ist ein Umdenken im Umgang mit Blockaden allerdings auszumachen. Außerdem sehen siebzig Prozent der Dresdner Einwohner_innen das Blockieren der Demonstration als legitimes Mittel an. Wir hoffen, dass sie dieser Einstellung folgen und sich mit uns gegen die aufziehenden Nazis auf die Straße stellen beziehungsweise setzen werden.

Was erwartet ihr vom „Gedenkmarsch“ und den Aktivitäten am 13. Februar? 

Wir rechnen mit der Anreise und Beteiligung von ungefähr 1.000 Nazis. Wir werden uns dementsprechend mit ungefähr dreimal so vielen Personen gegen sie stellen – wir werden sie blockieren. Im besten Fall und wenn wirklich viele Menschen mit uns auf der Straße sind, wird der Tag für die Nazis hoffentlich komplett ins Wasser fallen.

Das Interview führte Roger Grahl.

Mehr Infos

„Dresden 2013: Jetzt erst Recht!“ zur Kriminalisierung von Anti-Nazi-Proteste in Dresden (Mut gegen rechte Gewalt)

Website des Bündnisses „Dresden Nazifrei“

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