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„Ein starkes Zeichen setzen“ Zum Naziaufmarsch in Göppingen

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Proteste gegen Nazi-Aufmarsch am 6.10.2012 in Göppingen (Quelle: flickr/cc-Lizenz/agfreiburg)

netz-gegen-nazis.de: Auch in diesem Jahr soll wieder ein großer Naziaufmarsch in Göppingen stattfinden. Wissen Sie schon, was von rechter Seite aus geplant ist?

Alex Maier: Angemeldet ist ein Demonstrationszug. Was die Nazis allerdings genau machen, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt schwer beantworten – das wird erst der Samstag zeigen. Was wir sagen können, ist, dass zum Aufmarsch im Oktober vergangenen Jahres 150 Neonazis kamen – laut Verfassungsschutz war das somit die zweitgrößte rechte Kundgebung des Landes. Wahrscheinlich wird es in diesem Jahr ähnlich aussehen.

Welche Gruppierungen rufen denn zu dem Aufmarsch auf?

Das sind drei: Zum einen die NPD, dann deren Jugendorganisation JN und schließlich die Autonomen Nationalisten.

Die Stadt hatte alle drei Kundgebungen verboten, worauf die JN beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage einlegte und Recht bekam …

… genau, das Verbot wurde gekippt. Somit können wir sicher sein, dass die Nazis am Samstag da sein werden. Umso wichtiger ist es nun, dass wir für die Gegenproteste mobilisieren.

Wie läuft die Mobilisierung denn bislang?

Sehr gut. Wir haben tausende Flyer verteilt, in der Stadt hängen dutzende Plakate und auch im Internet mobilisieren wir umfassend. Dazu kommt, dass unser Verein eine breite Basis hat mit vielen Organisationen, deren Mitglieder auch über Göppingen hinaus mobilisieren können.

Im vergangenen Jahr gab es keine gemeinsamen Aktionen des Bündnisses und der Stadt – ist das dieses Mal anders?

Ja. Der Oberbürgermeister hält anders als beim letzten Mal eine Rede bei unserer Kundgebung. Umgekehrt gibt es bereits am Freitag eine Veranstaltung der Stadt, bei der ich reden werde. Dazu kommen einige Gemeinderatsmitglieder zu unserer Kundgebung – die Situation hat sich also grundlegend verändert.

Wie ist das gelungen?

Jeder hat einfach eingesehen, dass es so wie im letzten Jahr nicht noch einmal laufen kann. 2012 gab es drei verschiedene Kundgebungen und viel Chaos – das wollte niemand mehr. Seither hat eine Entwicklung stattgefunden, so dass wir jetzt zusammenarbeiten können.

Kommen wir zum Ergebnis dieser Zusammenarbeit: Was ist nun für den Samstag an Gegenprotesten genau geplant?

Von 10 bis 17 Uhr werden wir auf dem Marktplatz unsere Hauptkundgebung veranstalten, die somit als Anlaufstelle für den gesamten Tag und alle, die friedlich demonstrieren wollen, fungiert. Dazu gibt es auf der Marktstraße die Göppinger Straße der Demokratie mit mehreren Infoständen.

Und wie ist die Resonanz vor Ort auf diese Pläne?

Auch hier sehen wir einen ganz krassen Unterschied zum vergangenen Jahr. Wir hatten zum Beispiel letzten Samstag einen Infostand in der Stadt: Viele Menschen sind dort auf uns zugekommen, haben gesagt, dass sie am Samstag bei unserer Kundgebung dabei sein werden und sich solidarisch erklärt. Im letzten Jahr wussten viele Leute hier noch nicht einmal, dass ein Naziaufmarsch stattfinden würde. Das ist dieses Mal ganz anders. Ich glaube auch nicht, dass es wieder so ein Chaos wie 2012 geben wird.

Mit wie vielen Teilnehmerinnen und Teilnehmern rechnet das Bündnis denn?

Wir haben erst einmal 1.000 Menschen angemeldet, allerdings kamen im vergangenen Jahr insgesamt doppelt so viele in die Stadt. Genaue Zahlen kann ich jetzt nicht nennen, aber ich hoffe, dass es uns gelingt, möglichst viele Leute zu mobilisieren.

Fernab der Demo würde ich gerne noch über die rechte Szene vor Ort sprechen: Wie hat sich diese in den vergangenen Jahren entwickelt?

Man merkt schon, vor allem am Beispiel des letzten Jahres, dass die Nazis stärker und selbstbewusster geworden sind. Das liegt auch daran, dass sie bis zur Gründung unseres Vereins keinen wirklichen Gegenwind bekommen haben. Man hatte das Thema hier in der Stadt einfach nicht auf dem Schirm. Da sich nun aber Stadtverwaltung, Bürgerinnen und Bürger und wir gegen diese Entwicklung stellen, hoffe ich, dass es uns gemeinsam gelingt, die Szene zu schwächen.

Welche Elemente sind denn für die Naziszene in und um Göppingen prägend?

Das ist hier vor allem die freie Szene mit den Autonomen Nationalisten (AN). Der führende AN aus Göppingen ist übrigens Vorsitzender des neuen baden-württembergischen Landesverbands von „Die Rechte“ – in meinen Augen bezeichnend dafür, welche Leute bei dieser Partei aktiv sind. Im Vergleich dazu ist die NPD hier nicht so wichtig. Allerdings trat der NPD-Landesvorsitzende Alexander Neidlein bei der Bundestagswahl in Göppingen als Spitzenkandidat an (und erhielt 1,4 Prozent der Stimmen, Anm. d. Red.). Das bedeutet schon etwas, wenn die Partei hier einen ihrer „Promis“ antreten lässt.

Kommen wir zum Schluss noch einmal zurück zum Samstag: Was ist denn Ihre ganz persönliche Hoffnung für den Tag?

Ich hoffe, dass viele Bürgerinnen und Bürger kommen und zeigen, dass sie mit dieser menschenverachtenden Ideologie nichts anfangen können, sie nicht in ihrer Stadt wollen und friedlich ein starkes Zeichen setzen.

Das Gespräch führte Alice Lanzke.

Mehr Informationen:

Göppingen: Gericht erlaubt auch zweiten Nazi-Aufmarsch (Stuttgarter Zeitung)Zivilcourage gegen Morddrohung: Ein junger Mann trotzt Neonazis (SWR Online-Video)Nazi-Aufmarsch in Göppingen: Nach Morddrohung fordern Grüne Verbot (Stuttgarter Zeitung)Nazi-Gegner erhält Morddrohung (SWR)Kreis Göppingen nazifrei (Homepage und Facebook-Seite)

Rückblick auf 2012:

Wenn Nazis eine Stadt in Atem halten – zur rechtsextremen Demo in Göppingen (netz-gegen-nazis.de)

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Pleiten, Pech und Pannen? Die NSU Affäre im Visier

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