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Hate Sells Wie Thilo Sarrazin „die Muslime“ aus Deutschland entfernen will

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Leider findet Thilo S. (rechts) mit seinen kruden Thesen weiterhin viel Beachtung, nur weil er in seinem früheren Leben einmal ein Berliner Finanzsenator war. Links von ihm sitzt Moderator Alexander Kissler, der u.a. für Cicero und das neurechte Magazin "eigentümlich frei" schreibt. (Quelle: BTN/SR)

Wie schön und auch hilfreich wäre es, das neue Buch von Thilo Sarrazin einfach nicht zu beachten, aber es steht schon am heutigen 30.08.2018 auf Platz 2 der Verkaufscharts, es wird also leider verkauft und – noch mehr leider – mutmaßlich auch gelesen. Es ist inhaltlich ein larmoyanter Abklatsch von „Deutschland schafft sich ab„. Es strotzt vor Islamfeindlichkeit, denn Muslime sind für Sarrazin inzwischen das Grundübel der gesamten Welt. Das Buch strotzt auch vor biologistischem und kulturalistischem Rassismus, wenn immer zwischen „echten Deutschen“ (Variante: „echte Europäer“) und „Muslimen“ unterschieden wird, Überschneidungen ausgeschlossen. Es scheint in kompletter Ahnungslosigkeit verfasst, aus den Gefühlen heraus, die Sarrazin bei der Lektüre des Koran und von „Studien“ hatte.

Daraus zieht er „Schlüsse“ und „Interpretationsketten“, und die gehen dann in etwa so: „Die Muslime“ unterdrückten ihre Frauen, verheirateten sie früh, nähmen ihnen alle Bildungschancen, und deshalb seien sie willig und kriegten viel mehr Kinder als „die Deutschen“, und das töte in absehbarer Zeit die „deutsche Kultur“, die „westliche Kultur“, die „europäische Kultur“. Dazu noch erziehen „die Muslime“ die vielen, vielen Kinder alle zu bildungsfernen Islamisten, weil sie alle selbst mindestens demokratiefeindliche Fundamentalist*innen sind, die nur untereinander heiraten und alle Ungläubigen verachten (mindestens).

Und wenn Sie als Leser oder Leserin jetzt vielleicht denken, sie würden Muslime kennen, vielleicht sogar deutsche Muslime, die wären gar nicht so drauf, dann wird es Ihnen gehen wie dem Journalisten auf der Pressekonferenz zur Buchvorstellung, der Thilo Sarrazin daran erinnerte, dass es doch in der Partei, deren Mitglied er noch ist, also der SPD, auch muslimische Frauen wie Aydan Özoguz oder Sawsan Chebli gäbe, die weder unterdrückt noch bildungsfern und beruflich erfolgreich seien. „Es gibt vielleicht auch Frauen, die größer sind als Männer, aber trotzdem ist der Satz ‚Männer sind größer als Frauen‘ grundsätzlich richtig. Und so machen einige Ausnahmen erfolgreicher muslimischer Frauen die Grundannahme doch nicht verkehrt“, sagt Thilo Sarrazin.

Das ist in etwa das Diskussionsniveau von Pegida-Internetforen und Social-Media-Seiten, und genau dort wird Sarrazin auch begierig gelesen, rezipiert und richtet mit seinen Thesen weit mehr Schaden an, als so unhaltbar dummen Sätzen angemessen wäre. Gleichzeitig zeigt Sarrazins Antwort wie in einer Nußschale seinen politischen Diskurs-Stil. Genauso wie der Satz „Alle Männer sind größer als alle Frauen“ natürlich niemals richtig, sondern großer Unfug ist, so ist es eben auch mit den „Alle Muslime“-Thesen. Maximal könnte Sarrazin von statistischen Mittelwerten sprechen, aber das tut er nicht, er spricht immer in gröbsten Verallgemeinerungen. Und konnte man ihm als ehemaligem Finanzsenator eigentlich schon bei seinem ersten Hass-Buch nicht politische Unbedarftheit unterstellen, wollten etliche das aber gern tun, denn Sarrazin sei doch in der SPD und spräche doch nur Probleme aus, bloß ein bisschen ungeschickt usw.  Nach acht Jahren harter Debatte auf politisch demokratischer Seite und gleißender Bewunderung aus der rechtspopulistischen bis rechtsextremen Sphäre kann beim Autor in all seinem Tun nur Absicht vermutet werden, wenn er weiter bei islamfeindlichen und rassistischen Verallgemeinerungen bleibt, bei der Schaffung von Bedrohungsszenarien für „die Deutschen“.

Insofern ist die Antwort nur folgerichtig, die Sarrazin gibt, als ich ihn frage, was ihm angesichts des gewalttätigen Mobs von Chemnitz durch den Kopf geht, der Menschen jagt, nur weil sie in ihren Augen „nicht-deutsch“ aussehen, und der von seinen Büchern inspiriert wird, wie sich im Internet einfach beobachten lässt. Sarrazin sagt: „Das sind Menschen, die zur Kenntnis nehmen, dass es Probleme gibt in Deutschland, auch wenn es schade ist, dass sie sich dann solchen Gruppen [Rechtsextremen] zuwenden und nicht der Politik.“  Ein rassistischer Lynchmob  ist also offenbar eine adäquate Form politischer Meinungsäußerung. Auch Sarrazins Vorstellung, wie das Problem „der Muslime“ in Deutschland zu lösen sei, umfasst – „schlimmstenfalls“, natürlich – Gewalt. Weil man „den Muslimen“ ja das viele Kinderkriegen nicht verbieten könne, müsse man wenigstens versuchen, dass nicht mehr Muslime nach Deutschland kämen. Das Recht auf Asyl müsse für Muslime raus aus dem Grundgesetz, Deutschland raus aus den Genfer Flüchtlingskonventionen, und wenn dann doch welche an die Grenzen kämen, sei das ja illegal und als Verletzung der „nationalen Integrität“ durch die Länder zu verstehen, aus denen die Menschen nach Deutschland kämen. Deshalb müsse Deutschland „die Muslime“ dann abschieben, zur Not auch „mit militärischen Mitteln“. Deutschland bringt also Geflüchtete in die Herkunftsländer zurück, und wenn die sie nicht wollen, schießen wir so lange, bis sie sie nehmen. Wo mag das nur hinführen, etwa in einen Krieg? „Aber sich wehrlos zu zeigen, das ist ja wohl keine Alternative“, sagt Sarrazin. Apropos Alternative: Hätte die SPD vor acht Jahren auf ihn gehört, gäbe es die AfD gar nicht, sagt Sarrazin auch, und natürlich sei ein Bevölkerungsaustausch im Gange. Er glaube zwar nicht an strippenziehende Eliten, aber der Bevölkerungsaustausch sei real, bekräftigt Sarrazin ein bei rechtsextremen beliebtes Narrativ völlig ironiefrei.

Das alles ist so verrückt, dass es am besten gar keine Verbreitung fände, aber das wird es in Kreisen, die ebenso denken, natürlich tun, und dort wird es verwendet werden, um Hass zu rechtfertigen, Abwertung, Diskriminierung und auch Gewalt. Und alles das wird die angebliche Grundangst des Buches, dass nämlich „die Deutschen“ aussterben oder „die deutsche Kultur“, in keiner Weise positiv beeinflussen, weil keine Werte vermittelt werden und keine konstruktiven Diskurse geführt. Und der Autor weiß das, natürlich.

Als Claqueur hat sich Thilo Sarrazin diesmal zur Pressekonferenz seinen Berlin-Neuköllner Noch-Partei-Kollegen Heinz Buschkowsky eingeladen. Der war beim letzten Sarrazin-Buch noch recht kritisch ob des darin enthaltenen Rassismus, jetzt hat sich offenkundig das Blatt gewendet. „Sie mögen sich fragen, darf man so ein Buch eigentlich schreiben? Eines, das missbraucht werden wird?“ fragt Buschkowsky (obwohl Missbrauch hier ein interessantes Wort ist, es ist in diesem Fall wohl eher ein Gebrauch). Und Buschkowsky beantwortet sich seine Frage so: „Professionelle Demokratieversteher meinen ja bisweilen, dass die Meinungsfreiheit Grenzen haben soll. Aber ein solches Buch muss geschrieben werden, sonst liefern wir denen Munition, die mit unserer demokratischen Gesellschaftsordnung nichts am Hut haben. Nur weil meine Bücher regelmäßig bei Pegida zitiert werden, dürfen wir uns nicht von Pappnasen mit Hitlergruß die freie Meinungsäußerung beschränken lassen! Es steht jedem zu, seine Meinung zu sagen!“

Die Frage, ob es politisch verantwortungsvoll oder gesellschaftlich hilfreich ist, ein solches Buch zu schreiben, ob es Probleme löst oder verschärft, die wurde auf der Pressekonferenz leider nicht beantwortet.

 

Mehr auf Belltower.News:

Gesprächsführung à la Sarrazin: „Ich meine ja nicht den einzelnen Marokkaner, den kenne ich ja gar nicht.“ (Text zu „Deutschland schafft sich ab“ aus dem Jahr 2010)

http://www.belltower.news/artikel/gespraechsfuehrung-la-sarrazin-ich-meine-ja-nicht-den-einzelnen-marokkaner-den-kenne-ich-ja-9714

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