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Jung, weiblich, rechtsextrem

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Wenn man etwas über Frauen in der rechten Szene liest, springt das Kopfkino an und produziert ein ganz bestimmtes Bild: Wahlweise stellen wir uns die Rechten entweder „krawallig“, also mit Glatze und Springerstiefeln, oder irgendwie „völkisch“ vor, im langen züchtigen Rock, Bluse und mit blonden Zöpfen. Stella Hähnel ist anders. Ganz anders. Wir treffen sie in der Zentrale der NPD in Berlin-Köpenick, einem grauen unscheinbaren Haus in einer dörflich anmutenden Seitenstraße. Nur ein verbogenes Klingelschild verrät, wer hier zu Hause ist. Hähnel empfängt uns freundlich. Auch sie trägt Rock und Bluse, wirkt aber eher „öko“ als „völkisch“. Sie blickt weder grimmig noch verklärt. Erst in einem langen Gespräch entlarvt sie sich und ihr Weltbild.

Sie ist Pressesprecherin des vor zwei Jahren gegründeten Zusammenschlusses „Ring nationaler Frauen“ (RNF) und Mitglied der NPD. Der RNF versteht sich selbst als „Sprachrohr und Ansprechpartner für nationale Frauen“, wie es auf der Website des Vereins heißt. Vordergründig geht es um so genannte Frauenthemen wie Familienpolitik, Kommunalpolitik und Gender Mainstreaming, also die Frage nach einer Gleichstellung der Geschlechter unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen Fähigkeiten. Doch die politischen Inhalte sind nur ein Aspekt: „Der RNF hat sich aus der Motivation der Frauen selbst gebildet. Da ist niemand gekommen, der gesagt hat, mach doch mal so was“, sagt Hähnel. Sie wollten sich vernetzen, sich austauschen und sich einbringen – auf ihre Art und Weise: „Institutionalisierte Politik ist für Frauen einfach nicht so das Betätigungsfeld. Wir treffen uns und sprechen sehr viel inhaltlich.“

Frauen als Türöffner für eine Partei, die sich bürgerlich gibt

Die NPD gibt sich nach außen gerne bürgerlich. Oft sind es die Frauen, die der Partei Tür und Tor öffnen. Sie sind sozial eingebunden, gerade über die Kinder bekommen sie Kontakt zu anderen Müttern. Sie werden vorgeschickt, um Flugblätter zu verteilen oder andere Leute anzusprechen, das räumt auch Stella Hähnel ein: „Sie haben am Infostand mehr Erfolg bei der Kontaktaufnahme zu Passanten – und sie übernehmen immer stärker Arbeiten in den Vorständen.“

Ganz gezielt wirbt die NPD um weibliche Mitglieder. 50 Prozent der Partei-Neuzugänge sollen nach Aussagen des NPD-Generalsekretärs Peter Marx weiblich sein. Wie hoch der Anteil aber insgesamt ist, darüber herrscht Unklarheit. Manche sprechen von 15, andere von 27 Prozent. Nicht einmal Stella Hähnel kennt den Frauenanteil ihrer Partei. Tatsache ist, dass die Führungspositionen größtenteils noch von Männern besetzt werden: Gerade einmal zwei weibliche Landesvorsitzende und eine Abgeordnete gibt es. Noch immer ist die NPD männlich dominiert, auch wenn die Frauen eine einfache Antwort dafür haben: Frauen seien eben einfach anders und würden lieber im Hintergrund arbeiten. „Es ist nie so gewesen, dass Männer sie verhindert oder daran gehindert hätten. Im Gegenteil. Ich habe überall in der Partei erlebt, dass wenn Frauen sich zur Wahl gestellt haben, sie überall den Bonus bekommen haben.“

„Die“ rechte Frau gibt es dabei nach Einschätzung von Experten nicht. Michaela Köttig, Sozialwissenschaftlerin von der Uni Göttingen, erklärt: „Frauen in der rechten Szene sind wie ein Spiegelbild der Gesellschaft. Das heißt, sie können ein traditionelles Rollenmodell leben, berufstätige Mütter oder emanzipiert sein oder sogar gewaltbereit agieren“, sagt Köttig. Was sie verbindet, ist ihre Gesinnung: „Auch Frauen sind politische Akteurinnen. Sie gehen weit seltener als ihnen nachgesagt wird in die Szene, weil ihnen die Jungs gefallen oder weil sie es dort besonders nett finden oder sie dort besonders hofiert werden. Sie gehen dahin, weil sie rechts sind und rechte Positionen haben, für die sie einstehen und kämpfen wollen“, macht Köttig deutlich.

Reduzierung der Frau auf Mutterrolle

Auf dem Tisch vor Stella Hähnel liegt ein Flyer. Es geht um Gender Mainstreaming. „Ungleiches gleich zu behandeln ist ungerecht“ steht darauf. Was damit gemeint sei, wollen wir wissen. „Männer und Frauen sind für uns nicht gleich, sondern verschieden vom Wesen her. Wir sehen im Gender-Projekt das tiefgründigere Interesse, Frauen und Männer gleichzuschalten, völlig die Identitäten zu verwischen, alles austauschbar zu machen“, erklärt Hähnel.“Ich finde es total albern, wenn man mit aller Macht versucht, Frauen in Berufe zu drängen. Klar, wenn eine Frau Lust darauf hat, soll sie’s machen. Aber sind wir doch mal ehrlich – welche Frau will denn das wirklich?“ Frauen im Berufsleben sind für den RNF und Stella Hähnel lediglich ein Versuch der Wirtschaft, um den Fachkräftemangel zu bekämpfen. Familienministerin Ursula von der Leyen gilt den Rechten als rotes Tuch: „Unserer Meinung nach ist sie im Dienste der Wirtschaft unterwegs, um Frauen als billige Arbeitskräfte auf den Markt zu holen“, sagt Hähnel.

Wir lassen uns auf die Argumentation ein, alle Frauen sollten zurück an den Herd und schlagen vor, das Problem des Fachkräftemangels mit Hilfe von Zuzug zu lösen.

Die Sache mit der Knete

Eine Idee, von der Hähnel sichtlich wenig begeistert ist und bei der die scheinbare Bürgerlichkeit der NPD sofort ein Ende findet. Als „neuen Kolonialismus“ bezeichnet sie die Bestrebungen der Politik, gut qualifizierte Zuwanderer nach Deutschland zu locken: „Wir holen den armen Ländern, die ihre Fachkräfte eigentlich selbst zum Aufbau ihrer Wirtschaft brauchen, die Leute weg.“ Ein Argument, das genauso gut von einer Linken hätte kommen können. Doch dann führt sie ihr Lieblingsbeispiel an: „Ich sehe das wie einen Teller mit Knete: Wenn ich es zusammenmatsche, bleibt am Ende nur braun übrig oder grau. Kulturen sind gewachsen aus Völkern und nicht, weil Völkergruppen ausgetauscht worden sind.“ Die Deutschen nach Deutschland, die Türken in die Türkei, so ihre Vorstellung.

Was an brauner Knete schlecht ist, kann Stella Hähnel nicht erklären. Stattdessen spricht sie von Zusammenhalt: „Völker sind nach der Familie die wirksamsten Gemeinschaften. Wie jede zu schützende Pflanze und Tierart sind sie eine Bereicherung.“ In ihrer Logik funktioniert das nur, wenn jedes Volk für sich bleibt – ein Zustand, den es in der ganzen Geschichte nicht gegeben hat, nicht erst seit der Völkerwanderung: „Was wir voraussehen, ist ein Kampf der Kulturen. Der wird kommen und dann kann man sich nichts mehr schön reden.“

Auf der Suche nach einfachen Lösungen

Aber es ist Hähnel selbst, die sich etwas schön redet und sich dabei immer wieder in Widersprüche verstrickt: So erzählt sie vom Fachkräftemangel und dem Versuch der Wirtschaft, Frauen als billige Fachkräfte zu missbrauchen, spricht aber gleichzeitig Ausländern das Recht ab, diese Lücke zu füllen. Wer also dann? Sie sieht Deutschland als „traditionell gastfreundliches Land“, fordert aber gleichzeitig die schnelle „Rückführung“ von Ausländern. Sie beschwert sich über die Ausgrenzung Andersdenkender und grenzt doch selbst aus.

Auf der Suche nach einfachen Lösungen für eine komplizierte Welt hat sich Stella Hähnel – wie viele in der NPD – eine Wirklichkeit konstruiert, die einem Realitätstest nicht Stand hält. „Wir sind anders. Wir tüfteln nicht nur irgendwelche Reförmchen aus, sondern wir haben eben einen ganz anderen Ansatz des Lebens. Wir versuchen, Heimatliebe, Naturliebe, aber eben auch Verbundenheit zur Tradition und zur Kultur in unserem Leben umzusetzen“, sagt Hähnel. Von der Gewalt der rechten Kameradschaften distanziert sie sich, von der NS-Zeit will sie als Nicht-Historikerin keine Ahnung haben: „Darüber sollen andere reden, ich schaue nach vorn.“ Soviel Ahnung von Geschichte hat sie allerdings, dass sie weiß, welche Bedeutung ihr Hochzeitstag hat: „Mein Ex-Mann hatte die Idee, am 20. April zu heiraten – das ist natürlich eine Provokation gewesen“, sagt sie und lacht. Der 20. April ist Hitlers Geburtstag.

Gefährlich, weil unterschätzt

„Ich glaube, dass wir zu unbesorgt sind“, stellt Köttig fest. Sie sorgt sich vor allem davor, dass immer mehr Vereine von Rechten unterwandert werden – von Männern wie von Frauen. Aber: „Frauen werden unterschätzt, auch, was ihre Berufswahl angeht. Es ist in den Unis, Schulen und Kindergärten noch nicht angekommen, dass dort rechte Schülerinnen und Studentinnen sitzen könnten, dass es welche gibt, die ganz bewusst einen Beruf ergreifen, um die nächste Generation mit ihrem Gedankengut in Kontakt zu bringen.“

Was Frauen in der NPD gefährlicher macht als ihre männlichen Kollegen, ist der weiche weibliche Schleier, mit dem sie sich unter die Gesellschaft mischen. Sie wirken meist nicht so chauvinistisch und aggressiv wie ihre männlichen Kollegen – und werden so häufig unterschätzt. „Aufgrund der Zuschreibung, dass Frauen keine so politische Haltung zugetraut wird, kommen sie viel weiter mit ihrer Unterwanderungsstrategie“, sagt Köttig.

„Wenn Sie bei einer RNF-Versammlung wären, würden sie 90 Prozent der Frauen rein vom Äußeren her nicht als national einstufen. Die meisten Frauen würden sie nicht erkennen“, sagt Hähnel. Als sie vor ein paar Jahren nach Hohen Neuendorf, nördlich von Berlin, zog, kam keine der Frauen, die Hähnel dort kennenlernte auf die Idee, sie könne aktives NPD-Mitglied sein. Sie fanden sie einfach sympathisch. Hähnel sagt: „Natürlich hat man es einfacher, wenn die Leute einen erstmal als Menschen kennen lernen und erleben, wie man ist – ohne Vorurteile.“ Wenn da nur nicht die Sache mit der Knete wäre.

Der Artikel erschien am 11. August 2008 im Tagesspiegel.

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