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Kommentar CDU Sachsen-Anhalt – Sozial und national?

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In der CDU-Zentrale wahrscheinlich gerade nicht das beste Thema: Sachsen-Anhalt (Quelle: picture alliance/Kay Nietfeld/dpa)

Die „Denkschrift“ der CDU Sachsen-Anhalt – eine „Erste Analyse der Kommunal- und Europawahl für Sachsen-Anhalt“ – stammt von Ulrich Thomas und Lars-Jörn Zimmer, beide stellvertretende Fraktionsvorsitzende im Landtag Sachsen-Anhalts. „Nur zur internen Diskussion!“ steht auf dem Titel. Der Journalist Mario Sixtus hat das Papier an die Öffentlichkeit gebracht.

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Die Brandenburger CDU schließt eine Koalition mit der AfD kategorisch aus, genauso wie Paul Ziemiak, der Generalsekretär der Partei.  Insgesamt sind 70 Prozent der Deutschen überhaupt gegen eine Regierungsbeteiligung der Rechtspopulist*innen. Im Landesverband Sachsen-Anhalt ist das offenbar etwas anders. 2021 wird im Bundesland ein neuer Landtag gewählt. Thomas will „eine Koalition jedenfalls nicht ausschließen.“ Aktuell sei das zwar keine Option, „wir wissen aber nicht, wie die Lage in zwei oder fünf Jahren ist.“

Die „Denkschrift“, die unter anderem von Thomas stammt, zeigt eindrücklich, dass die CDU – zumindest in Sachsen-Anhalt – eine nur sehr vage Vorstellung davon hat, wie mit der AfD umzugehen ist. Momentan scheint die Lösung hauptsächlich die Übernahme der Sprache und der Argumente der Rechtspopulist*innen zu sein. Immerhin ist man damit gut vorbereitet, falls man in „zwei oder fünf Jahren“ (Junior?)-Partner der Rechtspopulist*innen werden will.

„Die SPD ist im freien Fall“ schreiben die beiden Polit-Strategen schon zu Beginn. Also offenbar keine ernstzunehmende Konkurrenz mehr. Fast schon bewundernd sieht man dabei auf die Rechtspopulist*innen: „Die AfD als Neupartei hat beachtliche Wahlergebnisse eingefahren, in Ostdeutschland stellt sie den größten Konkurrenten für die CDU dar.“ Aber immerhin wissen die CDU-Männer, woran das liegt, denn „Skandale, Straftaten und politische Fehlhandlungen hatten bisher auf das Wahlverhalten der AfD-Wähler keinen Einfluss.“ Liegen die Gründe vielleicht bei Rassismus, autoritären Strukturen, zu wenig politischer Bildung? Weit gefehlt. Die „linksorientierte Medienberichterstattung“ ist schuld. Oder wie man Montags abends in Dresden sagt: „Lügenpresse!“.

Auch die Analyse der grünen Wahlerfolge liest sich eher populistisch. Da ist vom „Wohlstandsmainstream vor allem in den westdeutschen Großstädten“ die Rede. So würde eine „Spaltung der Gesellschaft zwischen Stadt und Land“ vorangetrieben und außerdem auch noch eine Spaltung zwischen Westen und Osten. Ohnehin profitiere die Partei der Grünen „ausschließlich von einer gutsituierten Wohlstandsschicht“. Außerdem wollen die Grünen offenbar nicht über die gleichen Themen sprechen wie die CDU. Denn auch 2019 sind für die CDU Sachsen-Anhalt offenbar Digitalisierung, Rente, Pflege oder Klimawandel immer noch nicht ganz so wichtig, wie das Thema  Migration. Ein Themenfeld, dass passenderweise auch von der AfD favorisiert wird.

Auch schlimm: die EU. Die inspiriert die Autoren allen Ernstes zu Sätzen wie: „Regierungen, die sich erfolgreich gegen die Flüchtlingsströme stellen, werden als Rechtspopulisten stigmatisiert.“ „Flüchtlingsströme“ könnte direkt aus dem AfD-Wörterbuch stammen: Menschen werden als unaufhaltbare Naturkatastrophe dargestellt und ihre individuellen Geschichten und Notlagen werden unsichtbar gemacht. Gleichzeitig werden Länder wie Ungarn, in denen die Pressefreiheit in Gefahr ist und immer wieder Korruptionsvorwürfe im Zusammenhang mit der Familie des Präsidenten laut werden, verherrlicht. Offenbar ist das Ziel eben keine gemeinsame Flüchtlingspolitik der EU-Staaten, sondern eher eine Abschottung nach außen.

Der bizarre Höhepunkt der „Denkschrift“ ist schließlich erreicht, wenn die CDU Sachsen-Anhalt „das Soziale mit dem Nationalen […] versöhnen“ möchte. Was bei einer solchen Versöhnung so los sein kann, kann man in Geschichtsbüchern nachlesen. „Der Sehnsucht nach Heimat und nationaler Identität ist durch eine klare Abgrenzung gegen multikulturelle Strömungen linker Parteien und Gruppen entgegenzutreten“, findet die CDU als nächstes und zeigt damit, dass ihre eigentliche Antwort nur eine Kopie der AfD-Position ist. Und wenn man denkt, es könnte nicht mehr schlimmer werden, liest man dann noch diesen Satz: „Die CDU ist gut beraten, dem linken Mainstream aus gesteuertem Gutmenschentum und Klimaverständnis durch eine deutliche Politik mit klaren Aussagen zu begegnen.“ Linker Mainstream! Gutmensch! Gesteuert! Der Sieg beim politischen Bullshit-Bingo ist in greifbarer Nähe.

Sachsen-Anhalts CDU-Funktionäre sucht die Schuld offenbar vor allem bei den anderen: den Medien, den Grünen, die einfach nicht über Migration reden wollen – was nicht einmal der Wahrheit entspricht –, den Großstädtern oder alternativ beim „Gutmenschen“. Sprache und Ideologieversatzstücke der AfD zu übernehmen, statt das eigenen Profil zu schärfen und Politik zu Themen voranzutreiben, die die Wähler*innen umtreiben, wird der CDU auch in Sachsen-Anhalt nicht helfen. Für die Bundespartei, die bisher klar Distanz zur AfD hält, könnte diese Anbiederung zum Problem werden.
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