Weiter zum Inhalt Skip to table of contents

Markenrecht oder Meinungsfreiheit? „Frei.Wild“ gegen „Frei Schnauze“

Von|

Die aktuell äußerst erfolgreiche Band „Frei.Wild“ geht mit einer kritischen Meinungsäußerung einer eher kleinen Berliner Punkband namens „Frei Schnauze“ nicht gerade gelassen um. Die Berliner hatten das „Frei.Wild“-Logo modifiziert, indem sie das „Wild“ ausgekreuzten durch das Wort „Schnauze“. Ergänzt wurde das Werk mit dem Slogan „Politcore statt Kommerzrock“. Das Motiv hatte die Band auf T-Shirts gedruckt.

Eben dies möchte ihnen nun die Frei.Wild GbR untersagen. Dazu fordert sie die Offenlegung aller mit dem Verkauf des Shirts beteiligten Personen, wie „Auftraggeber, Käufer, Werbepartner, sonstige Multiplikatoren“. 1.500 Euro Anwaltskosten sollen mit dem Schreiben außerdem anfallen.

„Frei Schnauze“ will sich dies alles nicht gefallen lassen und wehrt sich nun anwaltlich gegen die Abmahnung. „Wir selbst betrachten besagtes Shirtmotiv als unser ganz persönliches Statement zur Grauzonendiskussion und zu zwielichtigen Bands, die sich gern im Schlamm des vermeintlich Unpolitschen wälzen“, so die Band in einer Pressemitteilung und bittet um Unterstützung. Die erhält sie bisher unter anderem von Endstation rechts, die mit ihrem Anti-Nazi-Klamottenlabel „Storch Heinar“ bereits einen ähnlichen Streit mit der bei Rechtsextremen beliebten Marke Thor Steinar ausfechten mussten – und gewannen. Die Richter sahen keine Verwechslungsgefahr und ließen die Satire zu. „Frei Schnauze“ sehen ihre Motivabwandlung als Kommentar und so von der Meinungsfreiheit gedeckt.

Die Band „Frei.Wild“

Inhaltlicher Hintergrund des Streits sind die nationalistisch-völkischen Inhalte der Lieder und die rechtsoffene Attitüde der Band „Frei.Wild“, die aktuell als legitimer Nachfolgeband in die Fußstapfen der „Böhsen Onkelz“ getreten ist und nun das Feld der „patriotischen Popkultur“ äußerst erfolgreich bearbeitet. So schoß ihr letztes Album „Gegengift“ (2010) in der Woche des Erscheinens auf Platz 2 der deutschen Albumcharts, aktuell spielt die Band auf diversen großen Festivals.

Das ist möglich, weil sich die Bandmitglieder als ehrliche, bodenständige Rebellen inszenieren, die mit ihren Songs exzessiv ein „Wir-gegen-Euch“-Gefühl bedienen – wobei „wir“ der „kleine Mann“ ist und „ihr“ die (feindliche) Politik, aber auch „wir“ die Unangepassten und „ihr“ die Menschen, die in Schubladen denken.

Taktik: Wind aus den Segeln nehmen

Zu denen gehören „Frei.Wild“ selbstredend nicht. Die Band betont stets, wie frei sie von allem sind, und so ist es nur folgerichtig, dass sie ihre Musik als völlig unpolitisch präsentieren. Überhaupt haben sie es perfektioniert, misstrauischen Menschen von vorn herein den Wind aus den Segeln zu nehmen – schließlich soll dem – auch kommerziellen – Erfolg keine politisch rechte Festlegung im Wege stehen. So sprechen und singen die „Frei.Wild“ler gern darüber, dass sie keine Nazis sind und keine sein wollen. Die Taktik, sich gegen „Nazi-Sein“ zu verwehren, um rechtsaffine Inhalte ungestört verbreiten zu können, ist in der Szene nicht unüblich. Zum taktischen Geschick der Band gehört auch, die neonazistische Vergangenheit von Sänger Philipp Burger als „Jugendsünde“ zu verpacken. Damals sang er bei der Skinhead-Rechtsrockband „Kaiserjäger“, die aber längst aufgelöst ist. Wer kann gegen so viel Offenheit etwas einzuwenden haben? Argumentativ schwieriger war es da schon, das Engagement Burgers 2008 bei der „Freiheitlichen Jugend“ der rechtspopulistischen Südtiroler Partei der „Freiheitlichen“ zu erklären – gibt sich die Band doch sonst so politikfern.

Woher kommt der rechte Erfolg?

Allerdings gibt es auch darüber hinaus Gründe, dass die Band auch in rechtsextremen Kreisen gut gelitten ist und ihr Erfolg als Beweis gefeiert wird, dass patriotisches Denken unter Jugendlichen wieder im Kommen sei. Denn die Text von „Frei.Wild“ sind nicht unpolitisch. Die Mitglieder von „Frei.Wild“ sind in Norditalien beheimatetet, bezeichnen sich aber konsequent als Südtiroler, die ihr Deutsch-Sein als Minderheit besonders pflegenswert finden. Dies drücken sie auch in Texten aus, die völkisch-nationalistisches Klischeebilder bedienen. Im Song „Wahre Werte“ kulminiert das in der Zeile „Wo wir leben, wo wir stehen, ist unser Erbe, liegt unser Segen; Heimat heißt Volk, Tradition und Sprache, für uns Minderheiten eine Herzenssache.“ und später „Sprache, Brauchtum und Glaube sind Werte der Heimat, (…) ohne sie gehen wir unter, stirbt unser kleines Volk.“

Auch Feindbilder braucht man nicht lang zu suchen. So wird in „Land der Vollidioten“ beklagt: „Kreuze werden aus Schulen entfernt, aus Respekt vor den andersgläubigen Kindern.“ In dem Song geht es übrigens darum, alle als Idioten zu bezeichnen, die solchen Patriotismus mit Nazitum gleichsetzen – man liebe doch nur sein Land. Dass diesen Abschottungsfantasien sich immer gegen andere wenden – und in diesem Fall wird eine islamfeindliche Argumentationen schon mitgeliefert – , wird so angenehm ausgeblendet. Es ist eine Debatten, die wohl jeder kennt, der im Leben oder im Internet schon einmal mit Rechtsaußen-Menschen debattiert hat.
Dazu passt argumentativ auch, dass der „Frei.Wild“-Sänger in Interviews erklärt, Nazi-Skinheads seien auf „Frei.Wild“-Konzerten willkommen. Er wolle niemanden ausgrenzen, nur weil der anders denke.

Die Berliner Band „Frei Schnauze“ sieht „eine Gefahr in der kommerziell motivierten Öffnung nach Rechts“ und stellt fest: „Die Duldung von Nazis auf den eigenen Konzerten ist für uns nicht unpolitisch, sondern ein bewusstes Bekenntnis zur Rechtsrock-Szene.“ Ob ihr T-Shirt-Motiv mit ihrem Protest zum Thema dem „Frei.Wild“-Logo zu nahe kommt, muss nun wohl ein Gericht entscheiden.

Mehr auf netz-gegen-nazis.de:

| „Storch Heinar“ lacht weiter über „Thor Steinar“

Mehr im Internet:

| Frei-Schnauze-Band.de
| In den Fußstapfen der „Böhsen Onkelz“ (Aida-Archiv)

Weiterlesen

reichstrunkenbold

Rechtsextreme Musik Reichstrunkenbold

„Reichstrunkenbold“ ist das Pseudonym des rechtsextremen Liedermachers und Neonazi-Aktivisten Philip Tschentscher (* 1981). Tschentscher ist rechtsextremer Aktivist seit Schulzeiten und…

Von|
Eine Plattform der