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Rechtsextremer Techno Auschwitz auf der Tanzfläche

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Raven zum Holocaust? In Teilen der Techno-Szene wird die Shoah relativiert
Raven zum Holocaust? In Teilen der Techno-Szene wird die Shoah relativiert (Quelle: Alexander Popov/Unsplash)

Die atonalen Geräuschkulissen und gesanglosen Beats im Techno bieten viel Interpretationsspielraum: Diese Ambiguität macht das Genre anschlussfähig für diverse Gruppen, die ihre eigenen Weltanschauungen, Werte und Ideologien hineinprojizieren können. In den meisten Fällen sind diese progressiv und emanzipatorisch. Doch in Teilen der elektronischen Musikszene werden problematische, gar menschenverachtende Inhalte verbreitet. Vor allem im „Dark Techno“, einer kleinen, besonders düsteren und apokalyptisch klingenden Nische des Genres, die sich durch einen schnellen, martialisch-maschinellen Rhythmus und bedrohliche industrielle Klänge auszeichnet, sind rechtsextreme Anspielungen sowie Bezüge zum Nationalsozialismus häufig zu finden.

So veröffentlichte der bulgarische Produzent Mihail Grozdanov, der als Grozdanoff auftritt, 2019 auf dem Label NGRecords (New Generation) die Single „Gas Chamber“ – ein Titel, der unmittelbar an die Gaskammern der nationalsozialistischen Vernichtungslager während der Shoah erinnert. Der Titeltrack – eine verzerrte Komposition mit einem schnellen Tempo von 133 BMP (Beats per Minute) über sechs Minuten und 36 Sekunden – hat eine bedrohliche Ästhetik und einen maschinellen Rhythmus, die – im Zusammenhang mit dem Titel –  Assoziationen der industriellen Vernichtung der europäischen Juden und Jüdinnen hervorrufen könnten.

Ob das die Absicht des Komponisten war, bleibt Spekulation. Die Ästhetik und der Titel des Tracks bieten aber durchaus Anhaltspunkte für eine solche Interpretation. Zu Grozdanoffs anderen Veröffentlichungen gehören beispielsweise Titel wie „Battle Centre“, „Zerstorung“ [sic], „Drums of Death“ und ein Remix des Tracks „Industries of Tschernobyl“ von P.Brock & Neusn. Diese Titel sprechen nicht explizit für eine rechtsextreme oder NS-verherrlichende Weltanschauung, bedienen sich jedoch einer gewissen Ästhetik des Todes, der Zerstörung und des Krieges.

Der Track „Gas Chamber“ war unter anderem auf Beatport, einem Online-Dienst für elektronische Musik, käuflich zu erwerben. Nachdem Beatport während dieser Recherche mit einem Hinweis auf den problematischen Titel kontaktiert und um eine Stellungnahme gebeten wurde, wurde der Track kommentarlos von der Seite entfernt. Die Single ist allerdings immer noch auf den Plattformen Soundcloud, YouTube, iTunes, Deezer und Spotify zu finden.

Grozdanoffs „Gas Chamber“ ist kein Einzelfall: Auf Beatport sind mehr als zehn weitere Tracks mit dem gleichen Titel zu kaufen – wie beispielsweise von den Techno-Produzent*innen DJ Kristal, Antolc, Clesk, Johnny Beast und MGUN, sowie der Track „Sentenced to the Gas“ („Zum Gas verurteilt“) von dem Produzenten Plague. Hinzu kommen auf Beatport noch rund hundert Tracks von diversen Künstler*innen der elektronischen Musik mit dem Titel „Genocide“, mehr als 30 mit dem Titel „Holocaust“ und sechs mit dem Wort „Auschwitz“ im Titel.

Moderation? Fehlanzeige

(Quelle: Screenshot von Beatport)

Ein Fragenkatalog an Beatport bezüglich der genauen Moderationsrichtlinien der Plattform blieb unbeantwortet. Das Unternehmen teilte auf Anfrage nur mit, dass es wöchentlich 25.000 neue Tracks verarbeiten müsse und weiterhin versuchen werde, problematische Tracktitel und Künstlernamen nicht zu veröffentlichen. „Any DJ or artist convicted of sexual assault or promoting hate speech will have their images removed from Beatport and will not be featured in any playlists or promotions“, heißt es weiter. Die genannten Beispiele würden überprüft werden, so ein Beatport-Sprecher, was allerdings aufgrund des manuellen Prozesses und der großen Menge an Tracks viel Zeit in Anspruch nehmen werde. Auf eine Anfrage mit einem ähnlichen Fragenkatalog an Soundcloud reagierte die Plattform nicht.

Auf der Grozdanoff Single „Gas Chamber“ ist auch ein Remix des deutschen DJs und Produzenten Pascal Hüllenhütter aus Dortmund alias Champas. Dieser Track wurde von Beatport bislang nicht entfernt. Champas hat ein bescheidenes, aber für seine kleine Nische immerhin stabiles Following auf Social Media: Auf Facebook hat er 3.200 Abonnent*innen, auf Soundcloud über 7.000 Follower, auf Instagram sind es etwa 2.000. Zu Champas‘ anderen Veröffentlichungen gehören Titel wie die ominös klingenden und in einem deutschen Kontext historisch aufgeladenen „1945“ und „1936“, die zwei Original-Tracks auf seiner im November 2020 auf dem Warschauer Label Carnivor Records erschienen EP „19th Century“. Dass die Jahre 1945 und 1936 natürlich nicht im 19., sondern im 20. Jahrhundert liegen, wird in der Pressemitteilung der Veröffentlichung nicht thematisiert.

Konkreter wird es mit Tracktiteln wie „Human Elimination“ und „Annihilate“ (zu Deutsch: „Menschenvernichtung“ und „Auslöschen“), die ebenfalls zu seinem Repertoire gehören. Auch Champas hat einen Track mit dem Titel „Holocaust“ veröffentlicht – eine aggressive und maschinelle Drohkulisse mit einem besonders schnellen Tempo von 143 BPM. Solche Bezüge lassen andere Tracktitel wie „A8X“ anders deuten: Für sich genommen wirkt dieser Titel abstrakt, doch in Verbindung mit Begriffen wie „Human Elimination“, „Holocaust“ und „1945“ liegt auch eine rechtsextreme Interpretation nahe. „18“ ist ein beliebter Neonazi-Code für „AH“, die ersten und achten Buchstaben des Alphabets: Adolf Hitler. Womöglich ist mit dem Titel „A8X“ also „Adolf Hitler X“ gemeint. Eine weitere Interpretation des Tracktitels wäre der Spielfilm aus dem Jahr 1998 „American History X“, der sich um die Neonazi-Szene in Kalifornien handelt.

Zum Weltuntergang tanzen

Neben solchen suggestiven Tracktiteln ist die Ästhetik Champas‘ von Frakturschrift und düsteren Bildern von stillgelegten Fabriken und satanistischer Symbolik geprägt. Daraus entsteht ein nihilistisches Weltbild, das Weltuntergangsfantasien feiert und durch Assoziationen mit Labels wie „Endzeit“ untermauert wird, auf dessen Partys Champas aufgetreten ist und welches die Single „Holocaust“ veröffentlichte. Das Label „Endzeit“ hat sich mittlerweile von Rassismus und „rechten Inhalten jeglicher Art“ distanziert, das Label stehe für „Freiheit, Liebe, Gemeinsamkeit und Vielfalt“, heißt es in einem Statement an Belltower.News nach einer früheren Recherche.

Auf eine Kritik seiner Tracktitel zeigte Champas bislang wenig Verständnis. Nachdem ein Nutzer auf den problematischen Titel „Holocaust“ auf Facebook hinwies, antwortete Champas: „tu mir ein Gefallen und erzähl doch bitte deinem Frisör wie doof das alles war mit dem bestialischem Völkermord damals apropo Völkermord ich glaub so nen ich mein nächsten Track“ [sic]. Doch in den Kommentaren zum Track auf Soundcloud ist auch reichlich Lob für den Titel zu finden: „Killer“, schreibt ein Nutzer. Ein anderer: „Der Track ist richtig Holocaust!! 😀 aber sehr geil“. Auf Anfrage will der Künstler nur bestätigen, dass er nicht rechtsradikal sei. Weitere Fragen zur Bedeutung und Interpretation seiner Tracktitel blieben unbeantwortet.

Man kann aufgrund einiger unreflektiert gewählten Tracktitel und einem düsteren Stil keinem Produzenten oder Label eine rechtsextreme Weltanschauung attestieren. Allein genommen könnte jeder Titel eine Frage der künstlerischen Interpretation sein. Zusammen betrachtet entsteht aber vor allem in der Nische des Dark Techno ein ästhetisches Bild, das spezifische Assoziationen hervorruft: Genozid, Vernichtung, Krieg, Zerstörung. Hier bedienen sich Produzenten und Labels ganz bewusst einer gewissen Ästhetik, die eine bedrohliche Stimmung vermitteln soll, eine Ästhetik, die als vermeintlich rebellische Provokation verpackt wird. Im besten Fall werden durch solche Titel die Shoah und das NS-Regime verharmlost, im schlimmsten Fall fungieren sie als sogenannte „Dog Whistles“, also Chiffren, die von Eingeweihten als klare Bezüge und Botschaften verstanden werden, die allerdings für Außenstehende als unverfänglich erscheinen.

Die Kulturindustrialisierung des Holocaust

Das heißt nicht, dass Teile der Dark-Techno-Szene an sich rechtsextrem sind, wohl aber, dass ihre Ästhetik und Bezüge für Rechtsextreme, Neonazis und Antisemiten jeglicher Couleur durchaus anschlussfähig sind. Da zum Beispiel in Deutschland viele rechtsextreme Codes und Symbole verboten sind, wie SS-Runen und Hakenkreuze, und viele rechtsextreme Alben indiziert wurden, suchen Rechtsextreme immer aktiv nach anderen Möglichkeiten, ihre menschenverachtende Ideologie kundzutun und ihre Zugehörigkeit in der rechtsextremen Szene offen zu zeigen. Teile der Dark-Techno-Szene haben es insofern Rechtsextremen besonders leicht gemacht.

Aus der Perspektive von Betroffenen rechtsextremer und antisemitischer Gewalt oder Menschen, deren Familienmitgliedern und Freund*innen im Nationalsozialismus ermordet wurden, wirken solche Tracktitel wie eine Verhöhnung, die in Geschmacklosigkeit kaum zu überbieten sind. Dass ausgerechnet und vor allem in Deutschland, dem Land der systematischen und industriellen Vernichtung europäischer Jüd*innen und Juden, solche Bezüge im Techno anzutreffen sind, ist ein besonders alarmierender Trend. Doch genau eine solche Empörung soll solche Bezüge im Dark Techno auslösen: So wird Geschmackslosigkeit sogar zum ästhetischen Ziel der Künstler*innen, so wird mit Tabuisierung bewusst gespielt.

Das ist dennoch problematisch: Denn solche aufgeladenen Bezüge haben eine verharmlosende, normalisierende Funktion, die die Grausamkeit der Shoah auf eine künstlerische Provokation reduzieren und damit die Massenvernichtung der Jüd*innen und Juden sowie die Sinti*zze und Roma*nja und weiterer Gruppen relativieren. Darüber hinaus wird die Massenvernichtung des NS-Regimes nicht nur künstlerisch angeeignet, sondern in einem eigentlich hedonistisch geprägten Kontext aktiv gefeiert und durch den Verkauf von Tracks sogar kommerzialisiert, was zu einer Kulturindustrialisierung des Holocausts führt.

Von „Blood & Honour“ bis zur Wehrmacht

Auch explizite Bezüge zu rechtsterroristischen Organisationen sind im Subgenre des Dark Techno zu finden. Der hessische Produzent Marcel Paul betitelte seine 2019 auf dem Koblenzer Label Feind veröffentlichte EP „Blood & Hornor“ [sic], wie Belltower.News bereits im August 2020 berichtete. Der Titel weckt sogleich die Assoziationen auf das in Großbritannien gegründete, international aktive und in Deutschland seit 2000 verbotene rechtsextreme und besonders militante Netzwerk „Blood & Honour“, zu Deutsch: Blut und Ehre, was wiederum ein Schlagwort der Hitlerjugend war.

In einem Facebook-Post, um die EP zu bewerben, schreibt der Produzent Marcel Paul den Titel als „Blood & Honor“ – also die US-amerikanische Schreibweise, wichtig ist allerdings ohne den Rechtschreibfehler „Hornor“. Es habe sich „irgendwann und irgendwo“ auf dem Weg der EP ein winziger Formfehler eingeschlichen, postet Paul mit vielen grinsenden und lachenden Emojis. So erweckt er den Eindruck, dass er mit der Schreibweise „Hornor“ eine mögliche Zensur des Titels verhindern wollte. Auch diese EP wurde von Beatport kommentarlos entfernt, nachdem der Dienst mit einem Hinweis auf den Titel und einer Liste von Fragen kontaktiert wurde. Doch die EP war weiterhin auf anderen Plattformen wie Spotify zu finden.

Der Titel ist kein Einzelfall: Zu Pauls anderen Tracks gehören auch Titel wie „Iron Fist“. Die völkisch-nationalistische Organisation „Eiserne Faust“ existierte von 1919 bis 1934 und diente als informelle Vereinigung von Reichswehroffizieren. Als Redewendung bedeutet zum Beispiel „mit eiserner Faust“ diktatorisch, autoritär oder mit Gewalt zu regieren. Auch Tracktitel wie „Frontline“ vermitteln eine martialische Ästhetik des Krieges und der Gewalt. Auf eine Anfrage zur Bedeutung seiner Tracktitel und seiner politischen Einstellung reagierte Marcel Paul nicht.

Mit dem Techno-Label Feind, das die „Blood & Hornor“-EP veröffentlichte, ist auch der Düsseldorfer DJ und Produzent Tim Wermacht assoziiert. Auch über ihn berichete Belltower.News bereits im August 2020. Sein Name kann nur als eine Anspielung auf die nationalsozialistischen Streitkräfte verstanden werden. Auch in Tracktiteln wie „Wir marschieren“ wird Tim Wermachts Neigung zum Faschistisch-Militärischen deutlich. Das Label Feind bietet mittlerweile eine andere Erklärung für den Namen Tim Wermacht. In einem öffentlichen Statement auf Facebook, nachdem unser Artikel „Rechtsextremer Techno: Raven für Deutschland“ erschienen war, schrieb der Label-Chef Eugen Kunz: „Sein Name setzt sich wie folgt zusammen: Wer-Macht-Techno? Tim!“. Dennoch habe das Label den Künstler inzwischen aufgefordert, öffentlich Stellung zu beziehen und eine Namensänderung zu vollziehen, hieß es.

Doch dies ist immer noch nicht geschehen: Der Künstler veröffentlicht und spielt immer noch unter dem Namen Tim Wermacht, seiner Soundcloud- und Facebook-Seiten zufolge ist er immer noch mit dem Label Feind assoziiert. Auf Anfrage bestätigt Label-Chef Kunz, dass er und Tim Wermacht gemeinsam zu dem Schluss gekommen seien, dass sein Name so bleiben solle, da eine Änderung enormen Schaden für eine musikalische Karriere zur Folge hätte, beispielsweise auf Streamingdiensten. Der Künstler habe zudem versichert, dass er weder eine politisch rechte Weltanschauung vertrete noch Hass verbreiten wolle, so Kunz. Auf eine Anfrage reagierte der Künstler Tim Wermacht mit einem ausführlichen Statement. Darin heißt es unter anderem, dass er sich nicht für Politik interessiere, in „keinster Weise“ rechts sei und noch nie gewählt habe. Seinen Namen wolle er nicht ändern, weil eine Änderung gezeigt hätte, dass Belltower.News „in irgendeiner form damit recht haben“ [sic] könnte.

Konsequenzen für das Label

Die Kritik im Belltower.News-Artikel löste im Sommer 2020 eine heftige Diskussion in der Szene aus. Viele Fans des Subgenres zeigten lediglich wütendes Unverständnis: Techno sei unpolitisch, sei progressiv, könne mit Rechtsextremismus gar nichts zu tun haben. Es folgten Hasskommentare, Beleidigungen und gar Bedrohungen.

Die Veröffentlichung des Artikels und die darauffolgende Diskussion auf Social Media hatten auch weitreichende Konsequenzen für das Label Feind: Laut dem Labelbetreiber seien alle Veröffentlichungen von sämtlichen Musikportalen gelöscht worden, der Vertrieb habe die Zusammenarbeit mit dem Label beendet, es sei nicht mehr möglich, Musik unter dem Labelnamen zu veröffentlichen, so Label-Chef Kunz in einer Email. In einem Statement auf Facebook nach Erscheinung des Artikels distanzierte sich das Label Feind ausdrücklich vom Rechtsextremismus. Darin schreibt der Label-Chef Eugen Kunz: „Wir wollen keine Nazi-Tracknamen oder Rassisten auf unserer Veranstaltung und in unserer Szene. Techno steht für Toleranz und Vielfältigkeit, egal wie dark er ist…Es darf einfach nicht sein, dass solche Tracknamen unreflektiert verbreitet und gefeiert werden und darauf werden wir in Zukunft achtgeben!“

Dem Label sei nicht aufgefallen, dass der Titel „Blood & Hornor“ eine Anspielung auf ein rechtsterroristisches Netzwerk ist, da die Label-Mitglieder keinen Bezug zum Rechtsextremismus hätten und daher die Codes der Szene nicht kennen würden. Man kann darüber streiten, wie plausibel diese Erklärung tatsächlich ist. Das Label soll zudem die Zusammenarbeit mit dem Produzenten Marcel Paul beendet und alle genannten Titel von sämtlichen Plattformen gelöscht haben, wie es weiter im Statement heißt. Das Label versprach zudem, auch andere Konsequenzen aus der Kritik des Artikels zu ziehen: 50 Prozent der Einnahmen von einer demnächst erscheinenden Compilation des Labels sollen an eine Organisation gespendet werden, „die sich dem Kampf gegen Rassismus verschworen hat“. Die Compilation, „We Are One“, erschien im Juni 2021, doch weder auf Facebook noch auf Beatport, wo das Album verkauft wird, wird eine Spende an einer antirassistischen Organisation erwähnt. In einer Email an Belltower.News bestätigt das Label, dass eine Spende noch vorgesehen ist, Verkaufszahlen von Beatport würden allerdings zeitverzörgert an Labels weitergereicht.

Andere Labels in der musikalischen Nische des Dark Techno sind weniger einsichtig, relativieren und verharmlosen weiterhin das NS-Regime und die Shoah. Gleichzeitig muss betont werden, dass der Erfolg dieser Labels und Künstler*innen bescheiden bleibt: Ihr Einfluss auf die internationale Szene ist gering, die Zahl ihrer Abonnent*innen und Follower*innen auf Social-Media-Plattformen ist in der Regel lediglich im vierstelligen Bereich. Solche DJs spielen in der Regel nicht in den renommierten Clubs der Szene, werden nicht in den gehypten Zeitschriften porträtiert, veröffentlichen nicht auf den viel gefeierten Labels.

Doch auch im etablierten Underground der elektronischen Musikszene findet man problematische Anspielungen, wie ein Track des britischen Produzenten und Skull Disco Label-Chefs mit dem terrorismusverherrlichenden Titel „Hamas Rule“ zeigt. Eine Limited-Edition-Version der Schallplatte „The Sixth Reich Pax Amerikkkana“ der Künstler*innen Unit Moebius und Polygamy Boys, die 2003 auf dem niederländischen Label Bunker Records erschien, zeigt eine US-amerikanische Flagge, die aus Hakenkreuzen besteht.

Seit ihrer Geburtsstunde hat elektronische Tanzmusik einen emanzipatorischen Anspruch: Raven war und ist politisch. Doch wie diese Beispiele zeigen, ist der Weg zur Holocaustrelativierung und zu Bezügen auf rechtsextreme Gruppen in der Szene kurzer, als man denkt. Nicht trotz, sondern wegen der emanzipatorischen Tradition des Genres stößt das Thema auf den Tanzflächen und in den Timelines immer wieder auf tauben Ohren: Denn diese Vorwürfe kollidieren mit dem Selbstbild einer progressiven Partywelt.

Dieser Text ist ein Auszug aus dem Beitrag „Beats, Bass und Judenhass: Antisemitismus im Techno“ im Sammelband „Klaviatur des Hasses: Antisemitismus in der Musik“, herausgegeben von Maria Kanitz und Lukas Geck (Nomos-Verlag 2022, 301 Seiten). Das Werk ist Teil der Reihe „Interdisziplinäre Antisemitismusforschung“ von Samuel Salzborn.

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