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Newsletter-Editorial Argumente gegen das Schweigen

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Desinformationen können auf TikTok verschiedene Formen annehmen. (Quelle: picture alliance / CFOTO | CFOTO)

Liebe Leser*innen,

ich leite ja nicht nur die Redaktion von Belltower.News, sondern den ganzen Bereich „Digitale Courage“ der Amadeu Antonio Stiftung, und zu jedem Projekt, das Gegenstrategien zu Hass und Desinformationen gehört natürlich ein Monitoring. Deshalb kann ich Ihnen sagen: Der Informationskrieg zu den Ereignissen im Nahen Osten ist in vollsten Gange, und er ist online überall: TikTok und den Meme-War haben wir uns konzentriert angesehen, auch im Gaming ist es übel. Er wird geführt mit belastenden Bildern, manipulativen Emotionen und jeder Desinformationstechnik, die es gibt: Mit falschen Vor-Ort-Schilderungen, kompletten Lügen, alten Bildern und Videos, aus dem Kontext gerissenem Material, Computerspielsequenzen und KI-Animationen, die als Realität durchgehen sollen, falschen Schlüssen und Einordnungen – und mit den ältesten antisemitischen Verschwörungsideologien der Welt.

Natürlich, viele antisemitische Topoi existieren seit hunderten von Jahren. Sie führten seit Jahrhunderten zu Misstrauen und Gewalt gegenüber Jüdinnen*Juden weltweit, sie führten zum Holocaust im Nationalsozialismus, und selbst dieser Horror hat offenbar keine Erkenntnisse gebracht, die länger halten. Es ist in den aktuellen Debatten alles wieder da: Die angeblich jüdisch dominierten Medien, die „die westliche Welt“ belügen würden, die angebliche jüdische Weltverschwörung, die Illuminati, die sich weltweit für Jüdinnen*Juden aussprächen … Mal im Ernst, wenn Fakten etwas zählen würden: Das machen sie relativ schlecht, wenn derweil Jüdinnen*Juden weltweit angegriffen werden, bedroht werden, Gewalt erfahren, ermordet werden, oder? Und wofür? Aktuell dafür, dass sie Opfer des Terrors der Hamas geworden sind. Dafür, dass Menschen in Palästina sterben durch fehlgeleitete Bomben islamistischer Gruppen oder weil diese sie als Schutzschilde verwenden, statt sich um bessere Lebensbedingungen für sie zu kümmern.

Ihre Kinder erfahren all diese Dinge im Internet – nur mit ganz anderen Framing. Sie lernen, dass Israel bösartig handele, einen Genozid durchführe, ein Apartheidstaat wäre, dass palästinensische Familien stürben und die ganze Welt würde wegsehen (was, wenn wir uns die aktuelle Berichterstattung ansehen, nicht stimmt). Sie lesen diese Meinung leider auch bei einigen antirassistischen Aktivist*innen, bei Klimaaktivist*innen, bei politisch wenig versierten Influencer*innen. Deshalb ist das eine Aufgabe für uns alle: Sprechen Sie mit Ihren Kindern, mit jungen Kolleg*innen oder Nachbar*innen, mit politisch wenig interessierten, aber meinungsstarken Menschen über Doppelchecks für Fakten und Manipulationstechniken, sprechen Sie darüber, wie sie Solidarität für palästinensische Familien ausdrücken und ein Ende deren Leidens fordern können, ohne dabei das Leid der jüdischen Familien zu vergessen oder abzuerkennen, ohne Jüdinnen*Juden als Feindbild zu markieren, ohne selbst antisemitisch zu werden. Und gern auch darüber, wie sie mit dem Doomscrolling aufhören können, wenn sie die aktuelle Online-Lage zu sehr belastet.

P.S.: Vielleicht lernen Sie dann auch etwas von Ihren Kindern. Das liebe ich sehr. Ich habe etwa gelernt, dass sie Kinder mit palästinensischer Geschichte in ihrem Umfeld haben, die aufgrund einer persönlichen Betroffenheit natürlich sehr unter der aktuellen Situation leiden, aber sehr wohl differenzieren können, dass sie sich ein besseres Leben für Palästina wünschen, ohne dass sie damit Israel das Existenzrecht absprechen. Und das gibt dann auch wieder Hoffnung, dass nicht-palästinensische Influencer*innen das vielleicht auch noch lernen.

Herzliche Grüße

Simone Rafael

Chefredakteurin Belltower.News

Dieser Text ist die Einleitung des aktuellen Belltower.Newsletters.
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