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Ominöser Verein und Goal AG Hausdurchsuchung bei AfD-Bundesgeschäftsstelle

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Am Mittwoch hat die Berliner Staatsanwaltschaft die Bundesgeschäftsstelle der AfD durchsucht. (Quelle: Screenshot, BTN)

Am Morgen des  28. September 2022, durchsuchten Ermittler*innen der Berliner Staatsanwaltschaft die Räumlichkeiten der AfD-Parteizentrale. Laut tagesschau fand die Maßnahme wegen Verdacht des Verstoßes gegen das Parteiengesetz statt. Dem WDR und NDR liege der Durchsuchungsbeschluss vor. Demnach sollen aus Sicht der Staatsanwaltschaft Tatsachen vorliegen, die vermuten lassen, dass die AfD in den Rechenschaftsberichten an den Bundestag in den Jahren 2015 bis 2018 falsche Angaben gemacht hat. Laut tagesschau geht es vor allem um die Wahlwerbeaktionen des „Vereins zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten“ und um die Schweizer PR-Firma Goal AG.

Die ganze Geschichte um die verdeckte Wahlkampffinanzierung durch den „Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten“ und die PR-Firma Goal AG ist recht komplex. Wir versuchen, das Wichtigste zu rekapitulieren:

„Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten“

Der „Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und bürgerlichen Freiheiten“ gab verschiedene Zeitung heraus, die in einigen Wahlkämpfen explizit Werbung für die AfD machten. So etwa das „Extrablatt – für die Landtagswahl“ vor verschiedenen Landtagswahlen und den bundesweit verteilten „Deutschland Kurier“.  Vorsitzender des Vereins ist David Bendels, beim „Deutschland Kurier“ war er zudem noch Chefredakteur.

Die Website des Vereins ist mittlerweile nicht mehr aufrufbar. 2017 betonte der Verein mit Sitz in Stuttgart noch seine Überparteilichkeit: „Der Verein ist nach seinem Selbstverständnis bewusst parteipolitisch ungebunden. Es geht ihm nicht um Personen, Posten und Pfründe, sondern um Werte, Inhalte und die Zukunft unseres Landes. Basierend auf diesen Werten erlaubt sich der Verein, bei Wahlen Empfehlungen abzugeben (…).“ Empfehlungen, die tendenziell in Richtung AfD gingen. Auf der Facebook-Seite ist bis heute der Leitspruch zu lesen: „Wir sagen Nein zur ‘merkelschen Willkommenskultur‘.“ Dann folgen elf rechtsextreme und rassistische, AfD-nahe Forderungen.

Die Schweizer PR-Agentur Goal AG

Dem NDR sagte David Bendels im Herbst 2016, dass der Verein von 8.000 Menschen in ganz Deutschland unterstützt würde. Dass dieses Geld aber wirklich ausreicht, um die Aktivitäten des Vereins zu zahlen, scheint fraglich. Neben dem Austeilen der Zeitungen wurden zusätzlich Plakatflächen für Hunderttausende Euro gemietet. Die tatsächlichen Geldgeber blieben im Hintergrund. Die Stuttgarter Adresse des Vereins gehört zu einer Firma namens „office management stuttgart“, die gegen Gebühr Geschäftsadressen anbietet. Post, die an den Verein geht, wird laut FAZ dann direkt an „ein Postfach in der Schweiz, in Andelfingen“ weitergeleitet. Ein Postfach in Andelfingen nutzt auch die Schweizer PR-Agentur Goal AG, die mit Geschäftsführer Alexander Segert mehrere Kampagnen für die Schweizer Rechtspopulisten der SVP verantwortet hat.

Chefredakteur beim „Extrablatt“ war Josef Konrad, ein AfD-Mitglied, das ab 2015 ein parteiinternes Blatt namens „Polifakt“ herausgegeben hatte. Konrad hatte innerhalb der Partei keine wichtige politische Funktion. Als Segert ihn 2015 anrief, mit der Bitte, die redaktionelle Arbeit bei „Extrablatt“ zu übernehmen, amtierte er als stellvertretender Schatzmeister der AfD Oberfranken.

 Bislang hatte die AfD stets behauptet, nichts von der millionenschweren Schützenhilfe gewusst zu haben, die ihre Gönner in zahlreichen Wahlkämpfen organisierten. Doch das ist wenig glaubhaft: Wie Correctiv im Januar 2022 berichtet, war Segert, offenbar der Kopf hinter der verzweigen Geschichte, personell gut in der AfD vernetzt: Der aus Berlin stammende AfD-Europa-Politiker Maximilian Krah zum Beispiel berichtet in einer SMS an die damalige Bundessprecherin Frauke Petry vom 15. Januar 2017 sehr gut gelaunt von einem Gespräch mit dem Werbefachmann: „Hatte mich mit Segert von Goal AG aus Zürich getroffen wegen Wahlkampfunterstützung“, schrieb er. „War konstruktiv.“ Segert ist seit mehr als 20 Jahren als Chefwerber für die rechtspopulistische Schweizer Volkspartei (SVP) tätig. Schwarze Schafe, weiße Schafe, schwarze Hände, die nach Schweizer Pässen greifen – mit seiner rassistischen Bildsprache hat Segert den Schweizer Rechtspopulist*innen viel Aufmerksamkeit geschafft.

Meuthens Rolle

Die Schweizer PR Firma Goal AG hatte den ehemaligen AfD-Chef Jörg Meuthen zudem bereits 2016 im baden-württembergischen Landtagswahlkampf mit Werbeaktionen unterstützt, darunter Plakate, Flyer und Anzeigen. Auf insgesamt 89.000 Euro taxierte die Bundestagsverwaltung später den Wert der Aktionen. Meuthen tat später überrascht und wollte die Werbung in eigener Sache damals nicht bemerkt haben. Die Gelder flossen über die Schweizer Agentur Goal, deren Geschäftsführer Alexander Segert eine persönliche Freundschaft mit AfD-Chef Meuthen pflegt, berichtet Correctiv.

Unterlagen des Europaparlaments ist zu entnehmen, dass Meuthen in seiner Rolle als Bundessprecher der AfD diese Spende „angeblich“ im Rechenschaftsbericht an den Bundestag für das Jahr 2016 „nicht klar ausgewiesen“ hat. Schon damals wertete der Bundestag dieses Versäumnis als verbotene Annahme einer anonymen Spende. Die AfD zahlte daraufhin ein Bußgeld in Höhe von 269.400 Euro. Auch eine Website hatte die Goal AG für Meuthens Wahlkampf aufgesetzt. Als das ZDF-Magazin Frontal dem Parteichef damit konfrontierte, wiegelte Meuthen ab: Es habe sich nur um einen „Freundschaftsdienst“ gehandelt.

Die Ermittler*innen wollen am Mittwoch die offiziellen E-Mail-Accounts des ehemaligen Parteichefs Jörg Meuthen und des damaligen Schatzmeisters einsehen und auswerten. Sie gelten als Beschuldigte, sind jedoch beide nicht mehr im Amt. Das Ermittlungsverfahren gegen Meuthen läuft schon seit Januar. Das EU-Parlament hat die Immunität von Meuthens aufgehoben. In der AfD-Spendenaffäre stand seither der Weg für strafrechtliche Ermittlungen gegen den einstigen Bundessprecher frei.

Den Durchsuchungsunterlagen zufolge, berichtet die tagesschau, steht gegen Meuthen ferner der Verdacht im Raum, in den Jahren 2017 und 2018 ebenfalls „falsche oder unvollständige Informationen“ in seine Rechenschaftsberichte aufgenommen zu haben. Mitgenommen wurden außerdem die vertraulichen Sitzungsprotokolle des Bundesvorstandes, in denen es um die Erstellung der Rechenschaftsberichte geht, Unterlagen zur Finanzierung des Bundestagswahlkampfes 2017 sowie Unterlagen zu Kontakten und Aufträgen für die Werbemaßnahmen der Partei bei „einer Firma“.

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