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Online-Beratungsportal gegen Rechtsextremismus

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Michael Flood lebt mit seiner Familie in Bayern. Dort war es extrem schwierig, Ansprechpartner für den Umgang mit seinem rechtsextremen Sohn zu finden. Regionale Einrichtungen wie Kirchen, Jugendämter und andere waren entweder nicht zuständig oder mit dem Problem überfordert. Letztendlich vermittelte das Jugendamt eine Familientherapie. Damit war es dem Fachanwalt für Familienrecht und seinen Angehörigen möglich, seinen Sohn in einem vierjährigen mühseligen Prozess wieder auf den „richtigen Weg“ zu bringen. Michael Flood hatte vergeblich nach einem Forum gesucht, in dem er sich anonym mit anderen Eltern erst einmal über die Problematik hätte verständigen können.

Portal will Lücken schließen

Der Verein „Gegen Vergessen ? für Demokratie“ will nun mit einem neuen Internetangebot Eltern wie Michael Flood eine Online-Beratung gegen Rechtsextremismus anbieten. Die Website informiert, welche Beratungsstellen es in der Nähe gibt, wo man Kontakt zu Gleichgesinnten findet und wo sich Betroffene und Aussteigewillige beraten lassen können.

Das neue Projekt versteht sich als zusätzliches Angebot zu den seit 2001 arbeitenden Mobilen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus und Opferberatungsprojekten in den neuen Bundesländern und Berlin. „Wir wollen die Projekte ergänzen, die vor Ort eine direkte Beratung anbieten“, betont Andreas Eberhardt, Geschäftsführer des Vereins. Die Idee zur Online-Beratung sei entstanden, als deutlich wurde, dass es insbesondere in den alten Bundesländern nach wie vor erhebliche Lücken bei Beratungsangeboten gegen Rechtsextremismus gäbe. „Außerdem ist das Internet für alle zugänglich“, so Eberhardt.

Mit dem Angebot einer Online-Beratung gegen Rechtsextremismus betritt der Verein „Gegen Vergessen ? für Demokratie“ Neuland. Bislang waren die Schwerpunkte des Vereins insbesondere die Auseinandersetzungen mit den Verbrechen des NS-Regimes und die Aufarbeitung der DDR-Geschichte. Das Modellprojekt wird von der Bundeszentrale für politische Bildung und dem Bundesfamilienministerium gefördert.

E-Mails und Chats

Wer auf die neue Internetseite geht, findet unter Stichworten wie „Rechtsrock im Klassenzimmer“, „Beunruhigte Lehrerin“ oder „Trainer ist Neonazi“ Texte, in denen problematische Situationen mit Neonazis oder rechtsextremen Organisationen beschrieben werden. Betroffenen soll so ein Einstieg in die Beratung geboten werden, indem sie auf eine ähnliche Situation wie ihre eigene stoßen. Wer sich nicht online beraten lassen will, kann über eine Geodatenbank nach Projekten und Einrichtungen mit verschiedenen inhaltlichen Schwerpunkten in seiner Nähe suchen. Diese werden mit Entfernungsangabe vom eigenen Standort aus in einem Umkreis bis zu 100 Kilometern angezeigt.

Wer individuelle Hilfe sucht, muss sich erst mit Passwort und Benutzernamen anmelden, um zur Online-Beratung zu gelangen. Drei Möglichkeiten gibt es: Die E-Mail-Beratung, bei der eine zeitnahe Antwort innerhalb von drei Tagen garantiert wird, ein Chat für die individuelle Beratung oder ein Gruppenchat. Auch Ausstiegswillige sollen von dem Angebot Gebrauch machen können. Sie erhalten eine Erstberatung und werden dann an regionale Beratungsstellen weitervermittelt. Birgit Luig, Sozialpädagogin und eine von drei Beraterinnen, allerdings auch davon aus, dass es immer Menschen gibt, „die lieber anonym bleiben wollen, die lieber schreiben als reden, und denen es egal sei, wo die Leute sitzen“.

Grenzen und Möglichkeiten

Dass „für diejenigen, die in ihrer Nähe keinen Ansprechpartner haben, Online-Beratung angeboten wird“, begrüßt Bianca Klose, Projektleiterin der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR). Sie sieht allerdings auch Grenzen. „Die Erfahrungen der bestehenden Beratungsprojekte zeigen, dass Beratung für Demokratie immer sehr langfristig angelegt ist und auf Vertrauensbildung basiert“. Denn schließlich seien eine genau Analyse der Situation vor Ort sowie das Ziel, die Ressourcen und Kompetenzen der Ratsuchenden mit einzubeziehen, unerlässlich. „Wenn wir ein Rechtsextremismus-Problem in einem Jugendclub haben, fragen wir: Wie verhält sich das Personal, wie die Jugendlichen, aber auch: welche rechtsextremen Strukturen existieren im Umfeld der Einrichtung“, sagt Klose. Online-Angebote könnten insofern eine Beratung vor Ort nicht ersetzen.

„Mittelfristig wäre eine Ausweitung von Beratungsangeboten vor Ort auch in solchen Regionen wünschenswert, die bisher von mobiler Beratung nicht erreicht werden“, so Klose. Für Michael Flood und andere Eltern, die in ihrer Nähe keine Anlaufstelle finden, füllt das Angebot einer Online-Beratung daher eine Leerstelle.

Zum Thema:
| Initiativen und Behörden beraten Eltern und Aussteiger

Weblink:
| Gegen Vergessen – für Demokratie e.V.

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