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Selbstauflösungen Neonazis in Angst

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Thorsten Heise (l.) und Marko Gottschalk (r.) - hier im "Brothers of Honour"-Pulli - sind ziemlich gute Freunde (Quelle: Screenshot)

Vergangene Woche gab das Innenministerium bekannt, dass mit sofortiger Wirkung die militante rechtsextreme Bruderschaft „Hammerskins“ verboten ist. Es kam zu zahlreichen Razzien bei Mitgliedern. Diese Woche dasselbe Spiel mit der völkisch-nationalsozialistischen „Artgemeinschaft“. Mit der „Artgemeinschaft“ verbiete das Innenministerium „eine sektenartige, zutiefst rassistische und antisemitische Vereinigung“, verkündete die Behörde am 27. September. Doch der Vergleich mit einer Sekte hinkt. Die verschiedenen rechtsextremen Szenen agieren nie isoliert, auch wenn es von außen große Differenzen geben mag, wie zum Beispiel zwischen völkischem Lebensstil und dem rechtsextremer Skinheads. Mögen sie zwar Kontakte nach außen, zur demokratischen Gesellschaft meiden, so sind sie doch immer eingebettet in ein großes rechtsextremes Netzwerk, egal wie heterogen sie wirken. Untereinander kennt man sich und begegnet sich unter Umständen auf rechtsextremen und völkischen Veranstaltungen.

Auflösung der „Arischen Bruderschaft“

Die beiden Verbote von „Hammerskins“ und „Artgemeinschaft“ haben die Szene nun offenbar ganz schön in Aufregung versetzt.  Nur wenige Stunden nach Bekanntwerden des „Artgemeinschafts“-Verbot am Mittwoch, gibt Neonazi-Kader Thorsten Heise die Selbstauflösung der „Arischen Bruderschaft“ bekannt. Eine Neonazi-Gruppierung, die in den letzten Jahren vor allem als Sicherheitsdienst bei Rechtsrockveranstaltungen in Erscheinung getreten ist. Gleichzeitig verkündet Heise die Selbstauflösung der „Brigade 12“ und der „Kameradschaft Northeim“, zwei weitere Gruppierungen aus dem militanten Neonazimilieu und dem Umfeld der „Bruderschaft“.

Auch die Auflösung einer sogenannten “Division 45” wurde am Mittwochmittag verkündet.

„Brothers of Honour“

Am Mittwochabend kursierte dann in Telegram-Kanälen die Nachricht, dass sich auch „Brothers of Honour“ aufgelöst hätten. Die letzte Nachricht an die Kamerad*innen soll lauten: „Wir werden uns alle Wiedersehen. Danke an alle für Eure Unterstützung (sic!).“ 2021 fragten die Grünen in einer kleinen Anfrage an die Bundesregierung, ob „Brothers of Honour“ als Ersatzorganisation von „Combat 18 Deutschland“ dient. Eine Antwort blieb die Bundesregierung hier schuldig. Durch die Beantwortung der Frage würden spezifische Informationen zur Tätigkeit, „der Verfassungsschutzbehörden offengelegt, wodurch deren Funktionsfähigkeit nachhaltig beeinträchtigt würde.“

Eine Schlüsselfunktion in der deutschen „Combat 18“-Szene kommt zudem der Band „Oidoxie“ (gegründet 1995) und ihrem klagefreudigen Sänger Marko Gottschalk zu. Ab 2003 galt Gottschalk als wichtige Figur im deutschen Netzwerk. Ein Jahr darauf entstand aus dem Umkreis der Band die „Oidoxie-Streetfighting-Crew“. Die Crew begleitete die Band zu Konzerten, übernahm den „Saalschutz“ und gilt als Vernetzungs-Organ. „Oidoxie“ macht in ihren Songs kein Geheimnis aus ihrer Nähe zu C18. In ihrem Song „Terrormachine Combat 18“ heißt es beispielsweise: „Hail to Combat 18, hail to the Terrormachine.“

Im NSU-Verfahren vor dem Münchner Oberlandesgericht bescheinigte im Oktober 2013 eine Anwältin Thorsten Heise „vielfältige Kontakte zu Blood & Honour und Combat 18“, wie der rechte Rand berichtete. Seit September 2000 ist „Blood and Honour“ in Deutschland verboten. Erst im Januar 2020 folgte das Verbot des paramilitärischen Arms „Combat 18“. Thorsten Heise etwa wurde bei den Razzien ebenso verschont wie Marko Gottschalk. 

Seit einiger Zeit treten Gottschalk und sein Umfeld auf rechtsextremen Veranstaltungen oft in Kleidung mit dem Label „Brothers of Honour“ auf.

Marko Gottschalk 2019 in Themar

„Zusammenrücken in Mitteldeutschland“

Am Donnerstagmorgen macht eine weitere rechtsextreme Gruppe ihre Selbstauflösung bekannt, „Zusammenrücken in Mitteldeutschland“. Die rechtsextreme Initiative unterstützt völkische Neonazis, die mit ihren Familien aus Westdeutschland in die östlichen Bundesländer ziehen wollen. Ihr Ziel: weiße Siedlungsräume in Ostdeutschland.

Mit rassistischer Werbung, in der auf die geringe Anzahl von Migrant*innen in Ostdeutschland verwiesen wird, versuchen Neonazis eine Art faschistische Landnahme voranzutreiben. Besonders betroffen sind Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Die Aktivist*innen der Initiative wirken dabei als Netzwerker*innen, um die Umzugswilligen in die neuen Dorfgemeinschaften einzuführen. Es gibt sogenannte Botschafter für bestimmte Regionen, die Leitungsaufgaben innehaben und Familien bei einem geplanten Umzug helfen, bei der Hof- und Jobsuche und beim Netzwerken. Seit Februar 2020 werben Neonazis in sozialen Netzwerken für „Zusammenrücken in Mitteldeutschland“. Einer der Hauptverantwortlichen ist Christian Fischer. Der gebürtige Niedersachse hat 2018 einen Hof im rund 65 Kilometer von Leipzig entfernten sächsischen Leisnig erworben. Dort lebt er nun mit Frau und Kindern und ist Teil einer Gruppe von militanten Neonazis, die seit 2019 in der Region Immobilien erwirbt. Zu seinen rechtsextremen Nachbarn zählen etwa der Neonazi Lutz Giesen. Die Razzien am 27. September bei Mitgliedern der „Artgemeinschaft“, traf offenbar auch völkische Familien in Leisnig. Auch Lutz Giesen soll von den Hausdurchsuchungen betroffen sein.

 Verbote und Selbstauflösungen: und nun?

Verbote und Selbstauflösungen rechtsextremer und nationalsozialistischer Gruppen sind zu begrüßen. Von den Mitgliedern dieser Gruppen geht eine Gefahr für Menschen und für die Demokratie aus. Doch es ist illusorisch zu glauben, dass mit einem Verbot oder Auflösung auch die Aktivität der Mitglieder aufhört. Es nimmt Neonazis nicht ihre nationalsozialistische Ideologie. Beispiele aus der Vergangenheit haben gezeigt, dass Verbote häufig dazu geführt haben, dass die Gruppen unter neuem Namen auftreten und ihre Arbeit fortsetzen. 

Immerhin müssen die Neonazis nun beginnen, ihren Kleiderschrank auszumisten.

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artgemeinschaft

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