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Streit um Label „Strezzkidz“ Hardtekk für Hitler

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Vom Rave zum Reich: Hardtekk-DJs mit einem Hang zu Rechtsextremismus
Vom Rave zum Reich: Hardtekk-DJs mit einem Hang zu Rechtsextremismus (Quelle: Screenshot/Facebook/Belltower.News-Collage)

Die Buchstaben hat jemand einzeln ausgeschnitten und an den Spiegelrand geklebt: „I ♥ HTLR“. Ein Liebesbekenntnis zum Führer. Und für den Magdeburger Hardtekk-Produzenten Hunnel offenbar eine geeignete Selfie-Kulisse. In einem weiteren Foto guckt sein Kater auf das schwarz-weiß-rote Schild, das Hunnel über seinem Bettchen angebracht hat: „Deutsches Vaterland“ lautet der Frakturschriftzug. Zum Weltkatzentag am 8.8. teilt er wieder ein Foto von seinem Haustier: In der Ecke liegt ein Baseballschläger, an der Wand klebt ein Hakenkreuz.

Reichsflagge, Hakenkreuz und ein Herz für Hitler: Die Fotos, inzwischen gelöscht, stammen von Social-Media-Profilen des Produzenten Hunnel, der mit bürgerlichem Namen Christian Hundt heißt. Und wegen solcher offen rechtsextremen Symbole sorgt sein Auftritt mit seinem Label „Strezzkids“ im Berliner SEZ-Klub am 20. Januar 2023 für heftige Kritik in der elektronischen Musikszene.

Seit August 2021 sind die Vorwürfe bekannt. Im Januar machten „Geradedenken“ und „North East Antifa Berlin“ auf Instagram erneut darauf aufmerksam (Quelle: Screenshot/Instagram)

Eigentlich sind die offenkundigen Sympathien Hundts und einiger seiner Labelfreunde für rechtsextremes Gedankengut schon länger bekannt. Im August 2021 kommt es in Leipzig zum Eklat: Hunnel und Label-Kollege Zahni werden vom Distanz-Festival ausgeladen, nachdem in den sozialen Medien auf die eingangs erwähnten Fotos aufmerksam gemacht wurde. „Wir haben im Vorfeld leider nicht bemerkt, aus welchen Hintergründen die gebuchten Personen kommen. Als Konsequenz werden die betreffenden Artists selbstverständlich abgesagt“, heißt es damals in einem Statement vom Festival.

Zurück ins Jahr 2023: Vor dem Berliner Auftritt von Hunnel im Januar weisen zunächst Aktivist*innen von „Geradedenken“ und die „North East Antifa Berlin“ in den sozialen Medien erneut auf die Vorwürfe hin: „Rechtsoffenes Label feiert in Berliner Club!“, lautet der Titel des Instagram-Beitrags. Die Betreiber*innen des SEZ-Klubs seien über die Vorwürfe informiert worden, heißt es weiter, hätten sich aber bislang uneinsichtig und wenig gesprächsbereit gezeigt: „Wir haben uns deshalb entschlossen, das Thema an die Öffentlichkeit zu tragen.“

Acts des Magdeburger Hardtekk-Labels „Strezzkids“ haben auf bislang vier Partys im SEZ-Klub gespielt, Hundt davon auf zwei, seitdem die Partylocation im September 2022 in der ikonischen lila-orangenen Ruine des ehemaligen Ost-Erlebnisbads in Berlin-Friedrichshain öffnete. 1981 von Herrn Honecker persönlich eingeweiht, geht das SEZ laut einem Gerichtsurteil aus 2022 nun wieder an das Land Berlin, nachdem Investoren das Gebäude jahrelang verfallen ließen. In der Zwischenzeit bieten die Räume ein düsteres Bühnenbild für das härtere und schnellere Subgenre des Technos, Hardtekk.

Zu den betreffenden Fotos hat sich Hundt im Dezember 2022 geäußert: In einem ausschweifenden Statement auf Facebook schreibt er, dass nur „dumme Leute“, die „nicht mal die Geschichte ihres eigenen Landes kennen“*, in der Reichsflagge Nazisymbolik sehen würden (*die Rechtschreibung aller Zitate im Artikel wurde wegen Lesbarkeit korrigiert). Er gibt zu, mehrere Sammlerstücke offenbar mit Reichsmotiven zu besitzen, wie etwa Postkarten, Blechschilder, Fotos und Teile von Uniformen. Die Begründung: Er interessiere sich lediglich für sein Land. Den Hakenkreuz-Aufkleber soll jemand ihm auf einer Party gegeben haben: „Danach ist er auf einem Bilderrahmenrand gelandet“. Hundt bestreitet, Nazi zu sein, er sei ein unpolitischer Mensch. Er habe immer mit allen gefeiert – „und wenn man mal zugeboxt hat, dann nie ohne Grund“, schreibt er weiter.

Auf eine Anfrage von Belltower.News reagierte Hundt bislang nicht. Eine klare Distanzierung von Rechtsextremismus ist sein Statement nicht. Und ein näherer Blick auf den Personenkreis des Labels „Strezzkidz“ zeigt ein Umfeld, das bestenfalls rechtsoffen ist. Und in dem der Weg zu gewaltbereiten Neonazis nicht mehr weit ist.

Auf Facebook teilt Hundt alias Hunnel Zeichnungen von der Waffen-SS. Er besitze mehrere Sammlerstücke mit Motiven aus dem Deutschen Reich (Quelle: Screenshot/Facebook)

So trägt Hundt bei einem Auftritt 2021 eine Jacke des rechtsoffenen Kampfsportstudios „La Familia“, das wegen seiner vielen Verflechtungen in die extreme Rechte stark in der Kritik steht. „Fuck with one fuck with all“, steht darauf. Sein Koproduzent Kevin R. alias Anormal posiert in einem Foto mit einer Jacke der Szenemarke „Label 23“, die im rechtsextremen Hooligan-Milieu in Cottbus verwurzelt ist. 2016 teilt Hundt auf Facebook Zeichnungen seines Großonkels von Wehrmachtssoldaten im Zweiten Weltkrieg – SS-Runen inklusive. „Ein schönes Stück deutscher Geschichte“, schreibt er dazu.

Oder da gibt es zum Beispiel Ronny G., offenbar ein enger Wegbegleiter von Hundt: G., der in den sozialen Medien als „Randale Ronny“ auftritt, ist laut eigenen Angaben „Crewman“ des Hardtekk-Duos Hunnel und Anormal. Fotos zeigen ihn und Hundt beim Trainieren oder Trinken. Sie machen gemeinsam Urlaub, feiern zusammen G.s Geburtstag oder fahren zum Technofestival „Heidewitzka“, auf dem 2022 Hundt und weitere Künstler vom Label „Strezzkids“ aufgetreten sind. Sie wirken wie beste Freunde.

In Social-Media-Beiträgen trägt Ronny G. rechtsextreme Szenemarken wie „Thor Steinar“ (Quelle: Screenshot/Facebook)

Ronny G. macht keinen Hehl aus seiner rechtsextremen Gesinnung: Er trägt die rechtsextreme Marke „Thor Steinar“, ihm gefällt auf Facebook die Neonazi-Band „Division Germania“ aus dem Umfeld der „Hammerskins“ oder die Seite „Keine weiteren Asylantenheime in Deutschland“. Auf seiner Brust trägt er ein Tattoo mit den Worten „Meine Ehre heißt Treue“ – dem Wahlspruch der SS, der in Deutschland wegen Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen strafbar ist. Auch Ronny G. reagierte auf eine Bitte um Stellungnahme von Belltower.News bislang nicht.

In Fotos macht G. immer wieder ein Handzeichen, das in rechtsextremen Kreisen für „White Power“ steht: Drei abgespreizte Finger bilden den Buchstaben W, ein Kreis aus Zeigefinger und Daumen ein P. Was auch als Okay-Handzeichen bekannt ist, nahm die US-amerikanische Anti-Defamation League 2019 in ihre Datenbank für Hassymbole auf, nachdem es unter Neonazis immer verbreiteter wurde. Auch der rechtsterroristische Christchurch-Killer, der 51 Menschen ermordete, zeigte vor Gericht die Geste.

Doch es bleibt nicht bloß bei Worten und Handzeichen: 2012 überfielen drei Männer eine syrienstämmige Familie im sachsen-anhaltinischen Eisleben. Ein brutaler, rassistischer Angriff mit Schlagring, Schlagstock und einer abgebrochenen Flasche. „Scheiß-Ausländer“, sollen die Täter dabei gerufen haben. „Normalerweise halten sich Täter bei Frauen zurück. Aber Frauen schlagen – das hat bei Ihnen keine Rolle gespielt“, sagt die Richterin den Angeklagten vor Gericht, wie die Süddeutsche Zeitung damals berichtete. Auch dabei: Ronny G. Zu ihm sagt die Richterin: „Sie wussten genau, was Sie taten. Ihre politische Gesinnung ist in der Tat hervorgetreten.“ Er bekommt dafür eine Haftstrafe von drei Jahren.

Ronny G. ist offenbar auch mit Alex Walter befreundet, der ebenfalls zum Label „Strezzkidz“ gehört und unter dem Künstlernamen Zahni auftritt. Auch Zahni wurde im August 2021 vom Leipziger Distanz-Festival ausgeladen. Und auch Zahni hat in den vergangenen Monaten im Berliner SEZ-Klub aufgelegt. In einem Foto von den beiden trägt Walter alias Zahni eine schwarz-weiß-rote Badehose – die Farben der Reichsflagge. In seinem Studio hängt ein Plakat der Szenemarke „Label 23“. Auch Walter macht auf Fotos das White-Power-Handzeichen. Durch seinen Merch-Shop auf Facebook verkauft er Heckscheibenaufkleber: In einem inzwischen gelöschten Beispielfoto klebt auf einem Auto mit Zahni-Aufkleber auch ein Sticker mit der Reichskriegsflagge.

Aus dem Merch-Shop von Zahni, inzwischen gelöscht: ein Sticker mit der Reichskriegsflagge (Quelle: Screenshot/Facebook)

Beiträge auf Walters privatem Facebook-Profil kommentiert ein Freund mit Videos, in deren Hintergrund eine rot-weiße Flagge im Stil des NS-Regimes samt Reichsadler und Eisernem Kreuz zu sehen ist. Distanzierung? Fehlanzeige. Die Person ist auch mit Christian Hundt, Ronny G. und Kevin R. auf Facebook befreundet. Oder es gibt ein Foto nach einem Zahni-Auftritt in Halle 2014, das Walter auf Facebook teilt: Darin scheint ein Partygast den Hitlergruß zu zeigen.

Ein Facebook-Freund von mehreren „Strezzkidz“-Künstlern kommentiert private Beiträge von Alex Walter alias Zahni mit Videos, in denen eindeutig rechtsextreme Symbole und Marken zu sehen sind – völlig unwidersprochen (Quelle: Screenshot/Facebook)

Seit den Vorwürfen zu Hundt und Walter von Gruppen wie „Geradedenken“ und „North East Antifa Berlin“ hat das Label „Strezzkidz“ am 23. Januar ein Statement auf Facebook veröffentlicht. Im Fall Hundt habe es zu keinem Zeitpunkt Anzeichen zu rechtsextremen Tendenzen gegeben, heißt es darin. Allen Facebook-Beiträgen zum Trotz. Gleichwohl sei eine „rote Linie“ überschritten worden: Die Zusammenarbeit mit Hundt sei vor einigen Wochen beendet worden.

Das Label positioniert sich nun gegen „politisch motivierte Gewalttaten von rechts oder links gegen Andersdenkende“ sowie gegen Antisemitismus, Homofeindlichkeit und die Verherrlichung oder das Tragen von Nazisymbolen. Auch der „Strezzkidz“-Künstler Haimkind, der sich mit rechten Marken wie „Label 23“ oder „Pro Violence“ ablichten ließ, will sich in einer eigenen Stellungnahme von Rechtsextremismus distanzieren.

Aber nur bei Hundt sieht das Label offenbar ein Problem: „Zu unseren anderen Acts stehen wir zu 100%, solange sie unsere hier beschriebenen roten Linien nicht überschreiten“, heißt es weiter, womit auch Walter alias Zahni gemeint sein dürfte, der weiterhin zum Label gehört. Warum „Strezzkidz“ erst jetzt tätig wird, obwohl die Vorwürfe gegen Hundt und Walter erstmals im August 2021 öffentlich gemacht wurden, wird nicht erwähnt. Wenn das Label sich schon Wochen vor dem Statement am 23. Januar von Hunnel getrennt hat, bleibt zudem unklar, warum er am 20. Januar als „Strezzkidz“-Künstler neben anderen Acts vom Label im Berliner SEZ-Klub auftreten durfte. Auf eine Anfrage von Belltower.News reagierte das Label nicht.

Auch der SEZ-Klub hat sich inzwischen zu den Vorwürfen geäußert: Der Club dulde keinerlei Rassismus oder Gewalt, heißt es: „Techno stand schon immer für eine tolerante Gemeinschaft und auch wir als Klub, der dieser Musik ein Zuhause gibt, steht dafür!“ Doch der Club hat erst nach großer öffentlicher Kritik gehandelt – und Hundt und seine Labelfreunde trotz aller bisher bekannten Warnzeichen gebucht. Auf Anfrage von Belltower.News will der SEZ-Klub betonen, dass er „jegliche Form von Extremismus“ ablehne, „egal aus welchem Spektrum dieser kommt“. Fragen zu den Vorwürfen will der Club allerdings nicht beantworten, weder jetzt noch in Zukunft, heißt es.

Der Vorfall zeigt erneut: Auch in Teilen der elektronischen Musikszene tummeln sich Rechtsextreme, wie Belltower.News bereits berichtet hat. Und solche Tendenzen werden in einer Szene, die von sich glaubt, progressiv zu sein, viel zu oft verkannt oder geduldet.

 

Update 7.2.2023: In einer früheren Version dieses Artikels stand, dass ein Autoaufkleber mit Reichskriegsflagge auch das Handzeichen der „Aryan Brotherhood“ enthält. Ein ähnliches Handzeichen wird auch in der Autotuning-Szene verwendet. Deshalb wurde der Artikel entsprechend angepasst. Rechtsextrem ist der Sticker trotzdem.

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