Das hauptstädtische Nachtleben läuft nach einer pandemiebedingten Partypause zwar wieder auf Hochtouren, für den rechtsoffenen Coronaleugner Michael Bründel alias „Captain Future“ gibt es allerdings aktuell keinen Grund zum Feiern. So wurde sein geplanter DJ-Auftritt im Berliner Fetischladen „KitKatClub“ nach großem Aufruhr nun wieder abgesagt. Am 17. Juni sollte der „Querdenker“ Bründel auf der Goa-Party „Mystic Rose“ auflegen. Jetzt findet die neonfarbene, sexpositive Psytrance-Party ohne den selbsternannten Superhelden statt. Doch damit zeigt sich die Szene nicht zufrieden.
Schon vor der Covid-Pandemie legte Bründel hin und wieder als DJ im „KitKatClub“ auf, er veranstaltete zudem den „Bründel Bondage Ball“. Als Reaktion auf die Infektionsschutzmaßnahmen gegen das Coronavirus 2020 trat er mit gelbem Cape und gelber Augen-Maske auf und nannte sich „Captain Future“. Er wolle die Menschheit vor dem „verrückten Professor Drosten“ retten, der die Menschen „mit dem Angst-Virus infiziert“ habe, so heißt es auf seiner Webseite. Er gründete die „Freedom Parade“ und tanzte ohne Mund-Nasen-Bedeckung die Polonaise durch Supermärkte, „Ein bisschen Sars muss sein“ singend, während die Intensivstationen mit schweren Covid-Fällen kurz vor dem Zusammenbruch standen und Zehntausende Menschen starben. Bründel wurde Galionsfigur von Verschwörungsideologen und Coronaleugner:innen. Kaum eine maßnahmenkritische Demonstration in der Hauptstadt geht ohne „Captain Future“ über die Bühne. Er feiert sich selbst als Spaßguerilla: mit Cape gegen Coronamaßnahmen.
Vor allem sucht Bründel aber auf Demonstrationen aus dem „Querdenken“-Spektrum immer wieder den Schulterschluss mit Rechtsextremen. Er läuft neben waschechten Neonazis und hartgesottenen „Reichsbürger:innen“. In Interviews und Reden relativiert er immer wieder den Nationalsozialismus. Die Regierung seien Faschisten, Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn wird mit Hitler verglichen, Geimpfte mit „Ariern“. Im Sommer 2020 teilte Bründel eine Bühne mit dem verurteilten Holocaustleugner und Rechtsextremen Nikolai Nerling, der sich als „Volkslehrer“ bezeichnet. Als „Abgrenzung“ hängte Bründel lediglich ein durchgestrichenes Hakenkreuz an seinem Laptop auf, laut Bründel ein „Anti-Nazi-Schild“.
Kein Abstand zu Nazis
In der Praxis sind solche Gesten aber nichts mehr als ein Feigenblatt. Bründel versteht sich selbst als links. Doch im Verschwörungsmilieu sind die Grenzen zum rechten Rand fließend: Im März 2022 klebten Sticker der neonazistischen Kleinstpartei „Der III. Weg“ auf den Lautsprechern, als Bründel auf einer Kundgebung vor dem Brandenburger Tor auftrat. Rechtsaußen hat „Captain Future“ viele Fans. Das rechtsextreme Compact-Magazin fand in einem Beitrag aus Dezember 2020 glühende Worte: Er und seine „Freedom Parade“ seien „Punks unter den Widerstandskämpfern gegen die Lockdown-Diktatur“. Im Februar 2021 ließ Bründel sich vom Compact sogar interviewen. Auf beide Texte im vom Verfassungsschutz beobachteten Magazin wird auf der Webseite der „Freedom Parade“ verwiesen und verlinkt.
Vor diesem Hintergrund ließ die Empörung auf Bründels Auftritt im „KitKatClub“ nicht lange auf sich warten. Vor allem, weil der Club seit dem Winter 2020 auch als Covid-Testzentrum dient – damals eines der ersten in Berlin überhaupt. „KitKat“-Betreiberin Kirsten Krüger reagierte auf die Kritik auf Facebook: „Captain Future“ sei „durchaus unterhaltsam und Futter für die Presse“. Bründel habe wenige Male im Club gespielt, aber nur auf extern veranstalteten Partys, nicht solchen vom „KitKatClub“ selbst. Krüger kenne ihn „begrenzt, also eigentlich gar nicht“. Bründel soll den Club während der Pandemie nach Unterstützung für seine „Aktivitäten“ gefragt haben. Die Antwort: „Nein, wollten wir nicht“, so Krüger lapidar.
Gleichzeitig kann Krüger aber offenbar die Kritik an Brüdels Auftritt nicht ganz nachvollziehen. „Zur Mystic Rose ist er einfach nur DJ, nichts anderes“, schreibt sie etwa. Und zum Schluss: „Ich finde es auch grausig, dass russische Künstler überall ausgeladen werden, nur, weil sie sich nicht explizit gegen Putin aussprechen. Alles schwierig.“ In einem Kommentar unter dem Facebook-Beitrag kommentierte die offizielle „KitKat“-Seite zudem: „Michael Bründel ist nicht rechts. Er würde keinen Schwarzen im Wald liegen lassen. Andere schon.“
Unterhaltsam? Mitnichten
Für diese Äußerungen erntete Krüger viel Kritik in den sozialen Medien. Auf das Statement reagierten User:innen auf Facebook und Twitter mit Unverständnis – aus beiden Richtungen. Ein Shitstorm entbrannte, in dessen Mittelpunkt die „KitKat“-Betreiberin Krüger stand. Einige monierten die mangelnde Distanzierung des Clubs von „Captain Future“ und fanden die Beschreibung „unterhaltsam“ schlicht verharmlosend. Doch andere verteidigten Bründel und machten deutlich, in welchem problematischen Umfeld der Provokateur mit gelbem Cape einen Namen für sich machte.
So verglichen manche die Situation des ausgeladenen DJs mit dem Nationalsozialismus und der Shoah. „Wenn jetzt jeder Gärtner auf seine Gesinnung geprüft wird, sind wir bald da, wo wir nicht hin wollten: ‚Kauf nicht beim…!‘“, schreibt ein Nutzer in Bezug auf den Boykott von Jüdinnen:Juden im Nationalsozialismus. „Du fährst doch auf über die Strassen die Hitler hat bauen lassen oder meidest Du die auch?“ (sic), fragt eine andere. Eine Frau kommentiert: „Heute Russen hassen, Morgen wieder Ungeimpfte und übermorgen wollen sie vom Duschen wieder nichts gewusst haben“ (sic) – und relativiert somit den industriellen Massenmord der Nationalsozialisten in Gaskammern während des Holocausts. In einem zweiten Facebook-Beitrag ergänzt Krüger ihr Statement: „Ich ärgere mich gerade, dass ich überhaupt etwas zu dem Booking geschrieben habe.“
Klarerer Worte gegen den geplanten Auftritt Bründels findet hingegen Sascha Disselkamp, Vorsitzender der „Clubcommission“ und Betreiber des „Sage Clubs“, der den Club mit „KitKat“ teilt. „Die Einladung hat mich sprachlos gemacht“, sagt er Belltower.News. „Als unsere ganze Branche in Trümmern lag, rannte er mit Rechtsextremen rum und machte eine Polonaise, als wüsste er alles besser. Das finde ich ganz schlimm. Das war wirklich unsolidarisch“. Die Pandemie habe die Szene zum Teil gespalten, so Disselkamp. Krügers Meinung zu Bründel teile er zwar nicht. Gleichzeitig tue es ihm angesichts der großen Empörung um den „KitKatClub“ leid.
Laut Disselkamp war es Kirsten Krügers Idee, den Club in ein Testzentrum zu verwandeln. „Das hat sie ins Leben gerufen“, betont er. Dass Krüger aber nun in der Kritik steht, habe sie nicht verdient: Sie habe schon im März 2020 schnell und konsequent auf die Pandemie reagiert. Denn Infektionsschutz war schon länger Thema im „KitKatClub“: 2018 sorgte der Laden nach einem Meningitis-Ausbruch für Schlagzeilen. „Wenn man ein Forschungszentrum für Aerosoleninfektionen aufbauen müsste, dann würden sich Clubs gut dafür eignen“, lacht Disselkamp.
„Captain Future“ ist kein Einzelfall
Doch Bründel ist nicht das einzige Problem für das „KitKat“. Mitgründer und Lebensgefährte von Krüger, Simon Thaur, scheint auf einer ähnlichen Wellenlänge wie „Captain Future“ zu sein. Auf Facebook äußert er sich nahezu ständig gegen Covid-Impfungen und eine mögliche Impfpflicht, er verbreitet Verschwörungserzählungen rund um das Coronavirus und teilt Beiträge von Quellen wie dem russischen Staatspropagandasender RT sowie verschwörungsideologischen Medien wie „KenFM“ oder den „Nachdenkseiten“.
Bründel ist auch nicht der einzige DJ im „KitKat“-Programm, der problematisch ist. Am Tag nach seinem geplanten Auftritt im Club soll der DJ Mr. Fonk auftreten – ein Dauergast im Laden. In Echt heißt Mr. Fonk David E. und hat die Kampagne „Clubkultur retten!“ mitinitiiert, die noch zum Höhepunkt der Covid-Pandemie forderte, die Clubs ohne jegliche Infektionsschutzmaßnahme wieder aufzumachen. David E. macht auch Werbung für verschwörungsideologische Impfgegner-Demos, auf denen auch Rechtsextreme mitgelaufen sind, wie beispielsweise vom Bündnis „Friedlich zusammen“ (siehe Belltower.News).
Da das „Fusion“-Festival 2021 in einem Newsletter schrieb, es sei fraglich, ob Ungeimpfte noch Zugang zum Festival bekommen, teilte ein User im Telegram-Kanal von „Clubkultur retten“ das „Fusion“-Logo kombiniert mit einem Hakenkreuz. David E. schrieb dazu „sehr gut“. Denn er könne nicht mehr erkennen, ob das linksalternativ Festival, das für seine antifaschistische Haltung international bekannt ist, gegen den Nationalsozialismus sei. In einem anderen Telegram-Beitrag schreibt der DJ, dass „KitKat“-Mitgründer Thaur „sehr corona kritisch“ sei, es aber „natürlich auch woko haram Impfkrieger“ im Club gebe.
Auch der DJ Felix FX, der schon öfter im „KitKatClub“ aufgelegt hat, zuletzt am 6. Juni 2022, äußert sich in ähnlichem Ton. „Autsch…na die werden es noch bereuen Leute zum impfen gebracht zu haben“, schreibt er etwa auf Telegram. „Was über die ‚Impfstoffe‘ inzwischen bekannt ist aber natürlich nicht groß in den Medien kommuniziert wird ist heftig. Jeder mit einem Gewissen dürfte da Schuldkomplexe bekommen sobald es der Großen Öffentlichkeit bekannt ist“ (sic). Er spricht von „Impf-Nötigungsdiskriminierung“ und wittert eine Verschwörung. Auch in Bezug auf Affenpocken schreibt er: „Schon wieder Zufall? Weitere 500 Milliarden Umsatz für die Pharmamafia?“
Auf eine Anfrage von Belltower.News mit einer Bitte um Stellungnahme zu diesen Äußerungen reagierte der „KitKatClub“ bis Redaktionsschluss nicht.
Den „Künstler“ vom Werk trennen?
Inzwischen wurde Bründel von der Party im „KitKatClub“ ausgeladen. Der „Mystic Rose“-Veranstalter Ananto, der mit bürgerlichem Namen Ingo Damm heißt – ein Urgestein der Goaszene –, schreibt auf Facebook, dass das Booking von „Captain Future“ seine Idee gewesen sei, nicht die des „KitKatClubs“. Er habe Bründel als DJ gebucht, nicht als „Politaktivist“: „Denn als DJ gefällt er mir verdammt gut! “. Dass Bründel aber unter seinem aktivistischen Pseudonym „Captain Future“ auftritt und nicht seinem bürgerlichen Namen wie vor der Pandemie, zieht diese Behauptung in Zweifel.
Vor allem will Damm betonen: KitKat-Beitreiberin Krüger habe nichts von dem Booking gewusst. Und es sei ihm nicht bewusst, dass das Booking „eine solche Welle von Hass und Negativität“ auslösen würde. Damm habe Bründel als „weltoffenen und inspirierten Menschen“ kennengelernt, „ein Freak, ein Anarchist, mit eher linken Ideen“, der „vielleicht zu dumm oder naiv“ gewesen sei, „sich mit Nazis oder AfDlern ablichten zu lassen“. Bründel sei kein Nazi, betont er. Allen Belegen für Bündels zahlreiche Verbindungen bis ins rechtsextreme Milieu zum Trotz.
Der geplante Auftritt von Bründel auf der „Mystic Rose“-Party war kein Ausrutscher. Bereits im vergangenen Oktober bewarb Damm alias Ananto die „27 Year Mystic Rose Celebration“ im KitKatClub mit einem Ankündigungstext, in dem er die damals geltende 2G-Regelung für Partys scharf kritisierte. „Ich habe mir diese Scheisse nicht ausgedacht“ (alle Zitate: sic), schreibt er gleich zu Beginn in Bezug auf die Regelung für Genesene und Geimpfte. 30 bis 40 Prozent der Goaszene seien ihm zufolge nicht geimpft. „Ich hoffe, ihr kommt jetzt nicht auf die verschrobene Idee, euch impfen zu lassen, damit ihr wieder zur Mystic Rose kommen könnt…“, schreibt er. Damm und seine Freunde hätten bereits Covid gehabt und das Virus sei „absolut nichts Lebensbedrohliches“, sondern wie „eine fette Grippe“.
Bislang sind mindestens 139.000 Menschen in Deutschland alleine an Covid-19 gestorben, manche Infizierte leiden bis heute an Long-Covid-Symptomen. Doch Damm hätte lieber eine erneute Coronainfektion, statt sich impfen zu lassen, heißt es weiter in der Beschreibung des Events. „Ich bin mir sicher, dass dieser Wahnsinn bald ein Ende haben wird…auf die ein oder andere Art und Weise…!!!“, fügt er ominös hinzu. Der Text wurde von der Eventbeschreibung kommentarlos wieder gelöscht.
Doch auch auf Damms privaten Facebook-Profil sind Beiträge in einem ähnlichen Ton zu finden: Dort ist von „Impfpropaganda“ und „Laborratten“ die Rede. In einem Kommentar schreibt der „Mystic Rose“-Veranstalter in Bezug auf den NS-Arzt Josef Mengele: „Mengele hätte seine wahre Freude gehabt an dieser Entwicklung [die Covid-Pandemie]…immerhin hatte ER noch seine Menschen…(Laborratten) dazu zwingen müssen in Konzentrationslagern, …heute bieten sich die Laborratten freiwillig an, an diesen Versuchen teilzunehmen“. Über den Kommentar postet ein anderer User ein Foto mit dem Schriftzug „Impfen macht frei“ auf dem Tor des Vernichtungslagers Auschwitz.
In der Verschwörungsblase umstritten
Vor diesem Hintergrund ist es also kein Wunder, dass ausgerechnet „Captain Future“ auf der „Mystic Rose“ auflegen sollte. Doch der Auftritt war in der Coronaleugner-Szene offenbar auch teilweise umstritten. Auf Telegram schreibt Bründel: Leichte Kritik sei auch aus den eigenen Reihen gekommen, wie er in einem Club auftreten könne, „der nicht nur die vorgeschriebenen Corona-Auflagen erfüllte, sondern sich gleich in ein Testzentrum verwandelte und die diskriminierende 2G/3G Kontrolle sogar länger als vorgeschrieben durchführte“. Auf die Ausladung reagiert Bründel allerdings entspannt. KitKat sei vor der Pandemie sein Lieblingsclub gewesen, die Entscheidung von „Mystic Rose“ könne er „natürlich völlig nachvollziehen“.
Andere hingegen sind nicht so entspannt. Die Anti-Verschwörungs-Kampagne „Geradedenken“ hat einen offenen Brief lanciert, in dem es heißt: „Kein Comeback für Coronaleugner und rechtsoffene Querdenker!“. Auch die Fetisch-Partyreihe „Symbiotikka“ im „KitKatClub“ zeigte klare Kante. Ihre Position laute: „Kein Raum für rechte Hetze!“, wie es in einem Facebook-Beitrag heißt. Doch Bründel ist offenbar lediglich die gelbe Spitze des Eisbergs.