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US-Midterms QAnon-Ideologie bald im Repräsentantenhaus?

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Marjorie Taylor verbreitet die Verschwörungserzählungen vom angeblichen Wahlbetrug, und Deep State, außerdem glaubt sie, dass jüdische Weltraumstationen den Weihnachtsmann umbringen wollen. (Quelle: Wikipedia, BTN)

Am 8. November finden in den Vereinigten Staaten die sogenannten Midterms oder Zwischenwahlen für den Senat und das Repräsentantenhaus statt. Alle 435 Sitze des Repräsentantenhauses und 35 der 100 Senatssitze werden gewählt. Dazu kommen Gouverneurswahlen in 36 Bundesstaaten. Es sind Zwischenwahlen, weil sie in der Mitte von Joe Bidens vierjähriger Amtszeit liegen. Schon seit längerem machen konservative Politiker*innen der Republikanischen Partei Stimmung für die bevorstehende Wahl mit Q-Anon Verschwörungsideologie. Über Wahlbetrug, Q-Pilled Abgeordnete und die Politik des Wahnsinns:

Republikanische Abgeordnete, die das Ergebnis US-Präsidentschaftswahl aus 2020 verweigern, die also nicht an den rechtmäßigen Sieg von Biden glauben, stehen in 48 von 50 Bundesstaaten auf dem Stimmzettel und machen mehr als die Hälfte aller Republikaner aus. Eine Analyse der Washington Post zeigt, dass 291 Republikaner von 561 im ganzen Land, die am 8. November kandidieren und das Ergebnis der letzten Präsidentschaftswahl bestreiten.

Es beginnt mit einem Anstecker

Donald Trump gilt als messianische Galionsfigur der Online-Sekte QAnon. So porträtieren Q-Gläubige den ehemaligen Präsidenten der USA immer wieder als Superman im Kampf gegen den sogenannten Tiefen Staat (Deep State). Diese fanatische Hingabe wurde in der Vergangenheit von Donald Trump immer wieder durch symbolträchtige Auftritte und chiffrierte Botschaften belohnt. In letzter Zeit werden Trumps Annäherungen zur Q-Ideologie jedoch immer offensiver und unmissverständlicher. Erst teilt der ehemalige Präsident auf seiner TRUTH Social Plattform eine Serie von Falschinformationen von QAnon Anhänger*innen, dann läuft auf einer Trump-Kundgebung ein bei QAnon beliebtes Lied und schließlich veröffentlicht Trump am 12. September ein Photoshop-Selbstporträt mit QAnon Anstecker mit den Worten „A Storm is coming“ [Ein Sturm zieht auf]. Dieses öffentliche Bekenntnis von Trump sorgt dafür, dass die QAnon-Lügen noch offener in den Mainstream gelangt und die toxischen Verschwörungsideologien mittlerweile in der Republikanischen Partei fest verankert sind. 

Q-Pilled Partei?

Die republikanische Partei hat einen starken Wandel seit Donald Trump durchgemacht. Abgeordnete, die den ehemaligen Präsidenten kritisiert haben, wurden aus den eigenen Reihen ausgebuht. Gleichzeitig haben Trumps zahllose Skandale und seine aktuelle Anhörung zum geplanten Umsturz aus 2020 dafür gesorgt, dass republikanische Abgeordnete nicht mehr offen über ihn reden, seine politischen Leitlinien jedoch haargenau weiterverfolgen. Damit hat wohl für die Republikanische Partei die politische Ära des Trumpismus sans Trump begonnen, die sich in durch Postfaktizität, Verschwörungsglaube und monumentaler Korruption fortziehen wird.

Republikanische Abgeordnete wie etwa Georgias Repräsentantin Marjorie Taylor Greene, Colorados Abgeordnete Lauren Boebert, Pennsylvania Politiker Doug Mastriano und der Ohio Kandidat JR Majewski bekennen sich zum wahnsinnigen Verschwörungsglauben von QAnon. QAnon-Experte und Monitoring-Koryphäe, Alex Kaplan, spricht davon, dass über 60 Republikanische Abgeordnete aus unterschiedlichen US-Bundesstaaten offene Q-Follower sind und dass darunter bereits 15 Abgeordnete im US-Kongress sitzen, weitere 2 befinden sich gerade im Wahlkampf für den Gouvernoursposten.

Man könnte meinen, dass Dinge schlimm genug seien, mit 15 Verschwörungsideolog*innen in Machtpositionen, doch angesichts der bevorstehenden Wahlen und der 2024 Präsidentschaftswahl werden sie sehr schnell noch schlimmer. Eine landesweite Koalition, namens „America First Secretary of State Coalition“ (SOS), aus 15 Kandidaten, darunter mehr als die Hälfte QAnon-Anhänger*innen, kandidiert für das Amt – des verfassungsmäßigen Staatssekretärs. Sie verfolgen damit das Ziel, kommende Präsidentschaftswahlen in wichtigen Swing States (Ausweichstaaten, die nicht klassisch eine einer Parteilinie folgen) in Zukunft für sich zu manipulieren.

Warum ist diese Koalition wichtig? Weil sieben Mitglieder dieser Koalition bei den Zwischenwahlen am 8. November auf dem Stimmzettel stehen werden und bereits jetzt mit verschwörungsideologischen Inhalten Politik machen. So sieht ihre Agenda auch vor, die Unsicherheit um Bidens Wahlsieg in 2020 durch Desinformationskampagnen zur vermeintlich gestohlenen Wahl zu vergrößern. Mehr noch, der SOS-Gründer Jim Marchant, Nevada Abgeordneter und Trump-Jünger, ist sich sicher, dass der Wahlsieg nicht nur Trump, sondern auch ihm „geklaut wurde“. Marchants eisernes Ziel ist es, 2024 Donald Trump wieder ins Amt zu bringen.

Wer ist der größte Q-Fan im ganzen Land?

Angesichts der bevorstehenden Midterms scheinen sich republikanische Kandidat*innen gegenseitig mit noch waghalsigeren Verschwörungserzählungen übertrumpfen zu wollen. Eine Zeit lang hätte man meinen können, dass die rechtsextreme Marjorie Taylor Greene die amtierende Kandidatin für den Titel QAnon-Anhänger des Jahres sein wird. Von Wahlbetrug oder Deep State bis hin zu ihren demokratiefeindlichen Säuberungsgedanken, hat die Abgeordnete schon einiges behauptet. Da Ruhm in verschwörungsideologischen Kreisen jedoch kurzlebig ist und sich Verschwörungsideolog*innen gegenseitig kannibalisieren, wurde auch Marjorie bald zur Zielscheibe des Hasses durch andere Verschwörungsideolog*innen. 

Während Taylor Greene QAnon-Ideologie hauptsächlich reproduziert hat, um damit Stimmung zu machen, geht SOS-Gründer Jim Marchant in die Offensive und steuert aktiv auf die Szene zu. So besucht Marchant in 2020 ein viertägiges QAnon Festival in Las Vegas, um über die gestohlene Wahl zu pöbeln und bastelt zusammen mit dem QAnon Schwergewicht und Influencer, Juan O Savin, an einem Plan, um die kommenden Midterms zu beeinflussen. Alex Kaplan spricht davon, dass diese Vermischung der Grenzen zwischen Politik und QAnon-Verschwörungsideologie höchstwahrscheinlich dazu führen könne, dass diese QAnon-Abgeordneten versuchen könnten, zukünftige Wahlergebnisse in den Zweifel zu ziehen oder sogar zu einer Verfassungskrise führen könnten.

Doug Mastriano, der republikanische Gouverneurskandidat von Pennsylvania, bereitet sich auch schon eifrig auf die Wahlen vor. Mastriano, der als extrem rechter Kandidat bekannt ist, unterhielt früher eine gute Freundschaft mit dem Geschäftsführer der rechtsextremen Social-Media-Plattform GAB, bis er sich von diesem nach einem dort gestreamten Attentat auf die Synagoge in Pittsburgh distanzierte. Mittlerweile fällt Mastriano mit seinen antisemitischen Thesen immer wieder medienwirksam auf. Ende Oktober war Mastriano zudem auf einem zweitägigen Festival mit Q-Anon-Vorträgen zu hören, das unter dem Namen „ReAwaken America“ bekannt ist, wo er als letzter Redner über die gestohlenen Wahlen Stimmung gemacht hat. Immer wieder lädt er Verschwörungsideolog*innen ein, mit ihm gemeinsam Stimmung zu machen, so auch General Michael Flynn, ein Star unter Qanon-Anhänger*innen, der bei Mastrianos Wahlkampfsauftakt im Januar eine Rede für den Abgeordneten hielt. 

Düstere Zukunftsvisionen

Die Verschmelzung zwischen US-Konservatismus und Verschwörungsglaube birgt eine reelle Bedrohung für die amerikanische Demokratie. Die Gefahr, die von den Q-Pilled Abgeordneten, die das Wahlbetrug-Narrativ reproduzieren, wurde auch von HBO Max Host, John Oliver in einer Spezialsendung zu Wahlbetrug sehr gut zusammengefasst. Oliver hatte über die Bedrohung, die von diesen Abgeordneten kommt, gesprochen, die nach den Midterms ins Amt ziehen könnten: „In mehr als der Hälfte des Landes kandidiert ein Wahlverweigerer für die Überwachung der Wahlen“, erklärte Oliver, „und viele von ihnen werden voraussichtlich gewinnen“. Der Talkshow-Host, der eigentlich für seine satirischen Formate bekannt ist, ergriff sehr schnell einen ernsten Ton und schlussfolgerte mit einer Botschaft, die eher als Warnung gelesen werden kann. So sprach er über eine Zukunft, in der man Menschen ins Amt wählt, die das demokratische Grundgerüst hinterfragen und zerstören möchten.  Die USA-Kennerin Annika Brockschmidt schrieb auf Twitter: „Die Demokratie steht zur Abstimmung“.

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