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Wahlkampf in Brandenburg Die Stimmungsschwankungen des Andreas Kalbitz

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Andreas Kalbitz bei der "Juniorwahl" im brandenburgischen Landtag. (Quelle: picture alliance/Christoph Soeder/dpa)

In Brandenburg dürfen Jugendliche schon mit 16 Jahren wählen. Im Landtag debattierten Schüler und Schülerinnen mit den Spitzenkandidat*innen der Parteien, im Rahmen einer Kampagne zur sogenannten Juniorwahl. Schlagzeilen machte dabei vor allem Andreas Kalbitz, ehemaliges Mitglied der rechtsextremen Republikaner und Vertrauter von Björn Höcke.

Johanna Liebe (15) war die direkte Debattenpartnerin von Kalbitz und ließ den Flügel-Vertreter auflaufen. Kalbitz‘ Forderung, die Förderung von Windkraftanlagen aus Tierschutzgründen einzustellen, konterte die Schülerin mit Fakten: Während in Deutschland jährlich 18 Millionen Vögel an Fensterscheiben sterben, sind es nur 100.000 wegen Windrädern. Ein Schüler fragte Kalbitz nach seiner Haltung zum Thüringer Parteichef, der „ziemlich offen ein Nazi“ sei. Kalbitz fiel daraufhin offenbar nichts Besseres ein, als dem minderjährigen Fragesteller vorzuwerfen er sei „verblendet […] durch die Dauerrotlichtbestrahlung, die Sie medial an der Schule bekommen“. Beim Thema Klimawandel sinkt das Niveau dann noch weiter, als er die Klimaaktivistin Greta Thunberg als „zopfgesichtiges Mondgesicht-Mädchen“ bezeichnet. Johanna Liebe fasste zusammen: „Schade, dass sie nicht ohne Beleidigungen debattieren können.“ Nur drei von 203 Schüler*innen gaben ihre Stimme für Kalbitz ab.

Ganz anders gab sich der AfD-Spitzenkandidat am 20. August in der Wahlarena des RBB. Hier waren von Kalbitz hauptsächlich Plattitüden zu hören. Immerhin: Mehrmals sorgte er für Heiterkeit. So habe die AfD gefordert, den Verfassungsschutz im Land aufzustocken, „um auch – völlig selbstverständlich – gegen Rechtsextremismus vorzugehen.“ Erstes Kichern ist zu hören. Laut gelacht wird, als Kalbitz behauptet, es sei „einfach falsch so schwarzweiß zu malen“. Noch lauter, als er feststellt: „Wir schüren überhaupt keine Ängste und Sorgen.“

Zum Lachen ist das alles tatsächlich. Gehört doch ausgerechnet Kalbitz zum „Flügel“, dem äußerst rechten Teil der AfD, der vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Der Spitzenkandidat hatte auch früher schon beste Verbindungen nach ganz rechts außen: Mitgliedschaften bei den rechtsextremen Republikanern, einer stramm rechten Burschenschaft, dem antisemitischen Witikobund oder dem Verein „Kultur und Zeitgeschichte, Archiv der Zeit“ – gegründet von einem ehemaligen SS-Mitglied. 2007 besuchte Kalbitz sogar ein Pfingstlager der später vebotenen, NS-verherrlichenden „Heimattreuen Deutschen Jugend“. So geht also der Kampf gegen Rechtsextremismus in der AfD. 

In der Regel geht man davon aus, dass ein rechtsradikaler Politiker, der von einer 15-Jährigen in Grund und Boden debattiert und in einer Talkshow ausgelacht wird, bei Wahlen nicht besonders gut abschneidet. Bei Kalbitz und der AfD dürfte das aber anders sein. Aktuell sehen die Prognosen die AfD bei 21 Prozent. Damit liegt sie vier Prozentpunkte vor der SPD und wäre nach den Landtagswahlen am 1. September die stärkste Kraft im Brandenburg.

Die Partei kann offenbar auch trotz wiederholter Blamagen ihre Unterstützer*innen mobilisieren. Dahinter steckt Strategie. Die Partei schafft es durch eine Mischung aus Opferinszenierung und Abgrenzung zu demokratischen Institutionen, ihre Wähler*innen einzuschwören.    

Nur ein Beispiel dafür ist die Ankündigung auf Kalbitz‘ Facebookseite zur RBB-Talkrunde. Während der AfD’ler versucht, sich im Studio seriös und handzahm zu verkaufen, heißt es auf Facebook: „Wir wissen, dass kaum noch jemand den rbb schaut aber heute Abend wäre das doch angebracht.“ Danach ist noch von „Gebührenfunk“ und „Zwangsgebührensender“ zu lesen. Einen Teil der Wähler*innen kann sie damit offenbar ansprechen und in die eigene Erzählung einbinden. Das zeigt sich auch in den Kommentaren zur Sendung. Die Kommentierenden glauben offenbar, dass vorher genau ausgesucht wurde, wer Fragen stellen darf – obwohl man sehen kann, dass Menschen die Fragen stellen wollten, sich einfach melden konnten – die Fragen selbst seien natürlich ebenfalls abgesprochen und sowieso „widerspiegelte das ausgewählte Publikum nicht das politische Meinungsbild des Landes“.

Ähnlich sehen die AfD-Unterstützer*innen Kalbitz‘ Pleite im Landtag. Der Ex-Republikaner hätte recht. Schüler und Schülerinnen würden nunmal „linksgrün indoktriniert“ und sowieso sei der Journalist, der zuerst über die Vorgänge berichtet hat, ein „Hetzer“ oder „Haltungsjournalist“. Und klar: Zur Beleidigung gegen Thunberg werden auch gerne noch weitere draufgesetzt. 

Offenbar hat die Partei es geschafft, die eigenen Wähler*innen von Fakten unabhängig zu machen. Nur noch der rechtsradikalen Propaganda wird geglaubt, alles andere ist vom „Gebührenfunk“ oder der restlichen „Lügenpresse“ manipuliert. Welche Konsequenzen das alles für die Demokratie in Brandenburg und im Rest des Landes hat, ist heute nichtmal zu erahnen. 
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