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Gibt es eigentlich Rassismus gegen Deutsche?

„Deutschenfeindlichkeit greift um sich“, so Jens Maier (AfD) im Plenarsaal des Bundestags. Und weiter: „Es geht um den Schutz der Deutschen im eigenen Land.“ Damit begründete Maier den Antrag der AfD-Fraktion, Paragraph 130, der den Umgang mit Volksverhetzung regelt, anzupassen, damit auch „Rassismus gegenüber Deutschen“ darunter fällt. Das beweist einmal mehr, dass die AfD im Parlament nicht gerade mit Wissen über Gesetzgebung brilliert. Wie dann auch alle Redner der anderen Parteien Jens Maier und dem Rest der offenbar planlosen AfD-Fraktion erklären: Paragraph 130 schützt erstmal den öffentlichen Frieden, nicht eine bestimmte Bevölkerungsgruppe.

 
Von Rassismus betroffen? Jens Maier, inmitten seiner Fraktionskollegen. (Quelle: picture alliance / AP Images)

 

Wer gehört zur Bevölkerung?

Die „Teile der Bevölkerung“ aus dem Gesetzestext sind ein sogenannter „unbestimmter Rechtsbegriff“. So ein Begriff wird erst durch die eigentliche Rechtssprechung definiert. Wichtig dabei aber: Es muss sich um eine Gruppe handeln, die durch ein bestimmtes Unterscheidungsmerkmal eine erkennbare Einheit bildet. Für viele Juristen bedeutet das, das „Deutsche“ nicht unter diesen Rechtsbegriff fällt. „Deutsche“ sind in Deutschland kein unterscheidbarer Teil der Gesamtheit der Bevölkerung.

So erklärt sich auch, warum das Verfahren wegen Volksverhetzung gegen ein ehemaliges Mitglied des Türkischen Elternbundes eingestellt wurde, der nach der Armenien-Resolution des Bundestages auf Facebook geschrieben hatte: „Diese Schlampe mit dem Namen Deutschland hat uns den Krieg erklärt – und wir schweigen immer noch.“ Weiterhin hatte er Deutsche als „Hundeclan“. Bzw. „Köterrasse“ bezeichnet. Nana  Frombach, Sprecherin der zuständigen Staatsanwaltschaft in Hamburg sagte dazu: „Es muss sich um eine Gruppe handeln, die als äußerlich erkennbare Einheit sich aus der Masse der inländischen Bevölkerung abhebt“.

Volksverhetzung nur gegen Weiße

Für die AfD existieren allerdings unterscheidbare Teile der Bevölkerung. Auch ohne auf die juristischen Details einzugehen – wie es auch die Partei kurzerhand getan hat – geht es den Antragstellern um „Rassismus gegen Deutsche“. Die Partei, die „Deutsche vor Hetze und Pöbelei“ schützen will, meint mit „Deutsche“ offenbar nur Weiße. Ausgerechnet Jens Maier war es schließlich, der Noah Becker rassistisch beleidigte. Becker ist genauso Deutscher wie Maier. Nur eben nicht weiß.

Rassismus richtet sich in der Regel gegen Minderheiten in der Bevölkerung: Menschen, die als anders wahrgenommen werden als das Klischeebild der deutsche Mehrheitsgesellschaft, was sich oft an Hautfarbe oder Namen festmacht. Darüber hinaus drückt sich Rassismus nicht nur durch Beleidigungen aus, sondern zieht sich durch die ganze Gesellschaft und hat wenig mit dem Personalausweis zu tun. Wenn Jugendliche mit türkischem Nachnamen keinen Ausbildungsplatz bekommen, weil sie einen türkischen Nachnamen tragen, spielt es keine Rolle, in welchem Land ihr Reisepass ausgestellt wurde. Ausschließlich dass sie als „Migrant_innen“ wahrgenommen werden,  ist entscheidend. Leute, die Ali, Selma oder Shiyan heißen, müssen sich immer wieder die Frage gefallen lassen, wo sie denn nun eigentlich herkommen, auch wenn die Antwort darauf Landau, Dessau oder Bremen-Schwachhausen ist. Rassistisch ist dabei die Ausgrenzung. Selma kann in den Augen der Fragesteller_in eben nicht wirklich eine Deutsche sein. Sie gehört nicht dazu, weil sie anders aussieht, sich anders kleidet, und einen anderen Namen hat. Rassistisch ist es genauso, wenn die rechtsextreme Mordserie der NSU-Terroristen monatelang nur als „Dönermorde“ in der deutschen Öffentlichkeit vorkommt. Gegen diesen Rassismus gegen Deutsche richtet sich der Antrag von Maier und seiner Partei nicht.

Überhaupt hat Rassismus etwas mit Macht zu tun. Der Rassismusvorwurf wird von unten nach oben erhoben: Menschen die unterdrückt werden, zeigen diese Unterdrückung auf. Die Unterdrückenden sind dabei in der Mehrheit, sonst würde sich die Situation gar nicht erst ergeben. Ähnlich formuliert es auch der SPD-Abgeordnete Karl-Heinz Brunner in seinem Beitrag zur Debatte im Bundestag: Paragraph 130 ist „dazu da, Minderheiten in diesem Land zu schützen, nicht die Mehrheitsgesellschaft, die auch polemische Angriffe aushalten muss.“

People of Colour, die in Deutschland leben, sind gegenüber der weißen Bevölkerungsmehrheit in einer Minderheitenposition und können sie schon deshalb auch nicht unterdrücken. Alleine das ist schon ein Grund dafür, dass „Rassismus gegen Deutsche“ kein nachvollziehbares Konzept sein kann.
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Themen: Debatte | Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit | Rechtsextremismus | Rechtspopulismus

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