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„Go film the Police!“ Neue Kampagne gegen rassistische Polizeigewalt gestartet

Die Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP) hat eine neue Kampagne ins Leben gerufen. Unter dem Motto „Go film the Police“ sollen Menschen ermutigt werden, rassistische Polizeigewalt selbstbestimmt auf Video festzuhalten.

 
Celine Barry, Maren Burkhardt, Biplab Basu und Zakaria Puvogel bei der Präsentation der Kampagne (Quelle: AAS)

Die KOP, die seit Jahren rassistische Polizeigewalt dokumentiert und Betroffene berät, beobachtet eine Kriminalisierung von Zeug:innen. Das geschieht dann, wenn sie filmen, um Misshandlungen zu dokumentieren. Sie werden bedroht, verprügelt, Handys werden konfisziert, das Video-Material wird gelöscht. Für Celine Barry von der TU Berlin ist klar: „Die Polizei muss gefilmt werden!“ Die Aufnahmen führen zu mehr Kontrolle. Die Beamt:innen stehen eher unter Druck, im Rahmen der Legalität zu handeln, dazu wird  rassistische Polizeigewalt sichtbarer.

Biplab Basu von der KOP sagt: „Filmen ist nicht gegen die Staatsgewalt, sondern gegen Verbrechen.“ Mit der Kampagne will er mehr Menschen ermutigen Polizeieinsätze zu filmen. Über solche Videos soll die Bevölkerung für rassistische Polizeigewalt sensibilisiert werden. Die Forderungen der Kampagne sind eine Entkriminalisierung von Videoaufnahmen von Polizeieinsätzen durch Zeug:innen und Betroffene, ein Verbot der Konfiszierung von Handys und der Löschung von Videoaufnahmen durch die Polizei. Die Aktivist:innen sind der Meinung, dass Videoaufnahmen als sichere Beweismittel vor Gericht zugelassen werden sollten. Dazu wird eine Kontrolle und Rechenschaftspflicht der Polizei eingefordert. Die kriminellen Beamt:innen sollen verurteilt werden.

Die derzeitige rechtliche Lage erklärt Rechtsanwältin Maren Burkhardt, die Betroffene rassistischer Polizeigewalt vertritt: „Filmen ist nicht verboten!“ Vielmehr seien die Videos  wichtig für die Beweisführung in Strafprozessen, denn eine „Verurteilung ohne Videomaterial eines Polizisten ist schwierig bis unmöglich.“ Allerdings kriminalisieren Polizist:innen häufig das Filmen: rechtlich nicht haltbar, so die Anwältin. Dabei werde sich zum Teil auf das Kunsturhebergesetz berufen, das verbiete allerdings lediglich die Veröffentlichung, nicht aber das Filmen an sich. 

Übergriffe durch die Sicherheitsbehörden können auch  als zeithistorisch bewertet werden und sind damit zulässig. In einem solchen Fall wäre sogar eine Veröffentlichung juristisch in Ordnung. 

Immer wieder berufen sich Beamt:innen auch auf Paragraph 201 im Strafgesetzbuch, der die Vertraulichkeit des Wortes regelt. Demnach ist es verboten Gespräche ohne Erlaubnis mitzuschneiden oder danach zu veröffentlichen. Dabei geht es um das „nichtöffentliche Wort”, also private Äußerungen.  Die Anwältin bestätigt allerdings dass der Paragraph im Falle rassistischer Polizeigewalt oder rassistischer Beleidigungen durch Beamt:innen nicht geltend gemacht werden kann. Denn die Aufnahmen und gegebenenfalls ihre Veröffentlichung dient der Wahrnehmung überragender öffentlicher Interessen.

Wenn es zu rassistischer Polizeigewalt, zu Racial Profiling oder zu Beleidigungen kommt, wollen Polizist:innen lieber keine Öffentlichkeit. Doch dafür fehlt eine rechtliche Grundlage. Betroffene und Zeug:innen haben das Recht, Übergriffe zu dokumentieren, Videoaufnahmen sind oft der einzige Weg, um Rassismus sichtbar zu machen.

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