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Menschenfeindlichkeit in Europa Hohes Niveau, aber Bildung hilft

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Die Europäische Union hat ein gemeinsames Parlament und bemüht sich um eine gemeinsame Identität für die Menschen, die in Europa leben. Bei denen kommt dies allerdings nicht gut an: In weiten Teilen lehnen sie Einwanderer als Fremde ab, agieren rassistisch, islamfeindlich und antisemitisch.

Islamfeindlichkeit:

54 % der Europäer nimmt den Islam als ?Religion der Intoleranz? wahr (Islamfeindlichkeit)
44 % der Europäer meinen: ?Es gibt zu viele Muslime in Europa?
Islamfeindlichkeit: Fast überall gleich hoch. Geringfügig niedriger in Portugal, den Niederlanden, Frankreich und Großbritannien, geringfügig höher in Deutschland, Ungarn, Italien, Polen.Vorurteile gegenüber Einwanderern/ Fremdenfeindlichkeit:

50 % der Europäer stimmen der Aussage zu : ?Es gibt zu viele Einwanderer“.
48 % der Europäer finden, es sollte Jobs zuerst für Einheimische geben.
Vorurteile gegenüber Einwanderern: Vergleichsweise niedrig in Frankreich und den Niederlanden, hoch in Großbritannien und Polen.Rassismus:

31 % Der Europäer meinen: ?Es gibt eine natürliche Hierarchie zwischen schwarzen und weißen Menschen?.
Rassismus: Vergleichsweise gering in Italien, den Niederlanden und Großbritannien, vergleichsweise hoch in Portugal und Ungarn.Antisemitismus:

42 % der Europäer meinen, dass Juden versuchen, einen Vorteil daraus zu ziehen, dass sie Opfer des Nationalsozialismus waren.
24 % der Europäer meinen, dass ?Juden zu viel Einfluss? in ihrem Land haben.
Antisemitismus: Vergleichsweise niedrig in Großbritannien und den Niederlanden, vergleichsweise hoch in Portugal, Polen und Ungarn.Sexismus:

60 % der Europäer möchte Frauen in der traditionellen Geschlechterrolle sehen, die ökonomische Ungleichheit fördert.
Sexismus: Vergleichsweise niedrig in den Niederlanden und Großbritannien, hoch in Polen und Ungarn.Homophobie:

52,9 % der Europäer lehnen gleichgeschlechtliche Ehen ab.
42 % verneinen gleiche Rechte für homosexuell orientierte Menschen.
Homophobie: Niedrig in den Niederlanden, mittleres Ausmaß in Großbritannien, Deutschland, Frankreich, stark in Polen und Ungarn.
Erschreckender noch als die Einzelergebnisse ist dabei die Erkenntnis der Wissenschaftler, dass sich auch europaweit diese Vorurteile, die sich gegen Menschen als Zugehörige von Gruppen richten, als ?Syndrom der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit? funktionieren, das Professor Wilhelm Heitmeyer für Deutschland seit 10 Jahren erforscht: Wer eines der Vorurteile teilt, neigt dazu, auch anderen abwertenden Vorurteilen gegenüber offen zu sein. Wer etwa rassistisch denkt, neigt auch dazu, Juden und Homosexuelle abzuwerten.

Die Gleichwertigkeit aller Menschen, die in Grundgesetzen und Menschenrechten festgeschrieben ist, ist in den Köpfen der Europäer also noch längst nicht angekommen ? was sich allerdings nicht nur durch direkte Zustimmung zu vorurteilsbasierten Aussagen sehen lässt, sondern auch in der Vorliebe vieler Europäer für hierarchisches Denken oder für ökonomisch basierte Wertesysteme, die Ungleichwertigkeit pflegen.

Laut Professor Andreas Zick, der die Befragung von je 1.000 Menschen in Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Italien, den Niederlanden, Portugal, Polen und Ungarn leitete, gibt es klare Gefährdungsfaktoren, die Menschen anfälliger machen für die Abwertung anderer: Wer Autoritarismus, strenge Normen und Regeln, Traditionalismus, Konformismus und einen starken Staat bevorzugt, Immigration und Verschiedenheit als Bedrohung betrachtet und strikte Assimilation fordert, fundamentalistische Religiosität ausübt oder schlicht eine geringe Bildung genossen hat, neigt dazu, andere durch Vorurteile abzuwerten. Auch das Alter spielt eine Rolle: Je älter die Befragten waren, desto mehr Vorurteile äußerten sie.

Eine entscheidende Rolle für die Einstellung zu generalisierten Abwertungen, wie sie Vorurteile darstellen, spielen Bildung und politische Orientierung der Menschen. Geringe Schul- und Demokratiebildung sowie eine politisch konservative Einstellung befördern das (Ab-)Urteilen aufgrund von Gruppenzuschreibungen. Eine Identifikation mit Europa hat dagegen, anders als von den Wissenschaftlern prognostiziert, keinen Einfluss auf die Einstellung der Europäerinnen und Europäer zu Vorurteilen. Zu einer oft vermuteten Quelle von Vorurteilen, nämlich Armut bzw. Arbeitslosigkeit, kommen die Wissenschaftler zu einem zwiespältigen Urteil: Denn nicht reale Armut an sich führt zu mehr Vorurteilen, sondern vielmehr das subjektive Gefühl ?Ich habe weniger als andere?. Weitere Effekte ergeben sich dadurch, dass Armut in der Regel mit weniger Bildung einhergeht.

Angesichts der Tatsache, dass der ganzen Welt in Zukunft große Migrationsbewegungen etwa in Folge von Umweltkatastrophen bevorstehen werden, erfüllt Professor Andreas Zick besonders die negative Einstellung der Europäer zu Zuwanderung mit Sorge, die sich etwa auch darin ausdrückt, dass viele Europäer keinen Kontakt mit Zuwanderern in ihrem Land wollen. ?Wir sollten lieber Debatten über die Vorzüge von Migration führen anstelle der Integrationsdebatten, die wir aktuell haben?, meint er.

Die Wissenschaftlerinnen Beate Küpper und Carina Wolf merkten an, dass rund die Hälfte aller Europäer eine Einführung der Todesstrafe in Europa befürworteten: ?Damit werden grundlegende Werte unserer Demokratie in Frage gestellt. Es zeigt, wie sehr wir in Zukunft auf Demokratiebildung setzen müssen.?

Im Vergleich mit den anderen acht befragten Ländern ist Deutschland ist im Mittelmaß der Vorurteile angekommen. Hohe Zustimmungen zu Vorurteilen finden sich in Polen und Ungarn, punktuell aber auch in ?toleranten? Ländern wie den Niederlanden.

Wie Professor Miles Hewstone aus Oxford auf einer Pressekonferenz zur Studie in Berlin erklärte, ist ein effektives Mittel zum Abbau von Vorurteilen der Kontakt zu Minoritäten. Dieser funktioniert sogar indirekt: Schon, wer einen Freund kennt, der etwa mit einem Immigranten befreundet ist, agiert weniger rassistisch ? und, weil das Syndrom auch in die umgekehrte Richtung funktioniert, auch weniger feindlich gegenüber anderen Gruppen. ?Je mehr Kontakte es zwischen den verschiedenen Gruppen gibt, desto weniger basiert das Handeln der Beteiligten auf Vorurteilen?, so Hewstone. Allerdings funktionieren solche Kontakte nur auf Augenhöhe, ohne Wettkampfsituation und wenn sie von der Gesellschaft gewollt sind: ?Wenn sich etwa Kinder aus zwei Ländern treffen und kennenlernen, Eltern und Lehrer das aber nicht positiv unterstützen, wird die positive Wirkung schwächer.?

Desweiteren gelte es, eine positive Einstellung zur Vielfalt des Lebens, zu demokratischer Mitbestimmung und zu Migration zu stärken, etwa durch politische Bildung und Demokratiepädagogik. ?Im Zentrum steht der Gedanke der Gleichwertigkeit, der muss gestärkt werden?, so Professor Zick, wie dies etwa die Amadeu Antonio Stiftung in ihrem Projektverbund ?Living Equality? tue, der für Akzeptanz und demokratische Grundprinzipien arbeitet. Für eine europäische Identität sei es außerdem unerlässlich, Netzwerke über die Ländergrenzen hinweg zu etablieren.

Zum Thema:

| Interview mit Professor Andreas Zick: „Europäische Mentalität: Wir machen die Schotten dicht“

Detaillierte Ergebnisse der Studie zur „Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit in Europa“ finden Sie auf der Seite der
| Amadeu Antonio Stiftung

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