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AfD-nahe Stiftung Erasmus oder Stresemann? Hauptsache Provokation und Geld (2)

Jahrelang hat die AfD die Gründung der Desiderius-Erasmus-Stiftung betrieben, um diese als parteinahe Stiftung zu etablieren – nun wollen Teile der AfD-Führungsebene plötzlich eine Gustav-Stresemann-Stiftung. Und dass, obwohl die in der Vergangenheit vor allem durch Kontakte ins neurechte Spektrum auffiel. Warum?

 
Im Internet hat die Gustav-Stresemann-Stiftung die Nase vorn. Sie hat schon eine frisch aufgehübschte Website (Foto), während die Konkurrenz noch gar nicht im Internet vertreten ist. (Quelle: Screenshot Website Gustav-Stresemann-Stiftung)

 

 

Teil 1 zur „Desiderius-Erasmus-Stiftung“

 

2. Gustav-Stresemann-Stiftung

Die Gustav-Stresemann-Stiftung gibt es seit 2011 als eingetragener Verein mit Sitz in Jena. Gegründet wurde sie von den Jenaer Rechtsanwälten Sascha Giller und Philipp Wolfgang Beyer. Beyer war zugleich Landesvorsitzender der islamfeindlichen Partei „Die Freiheit“ in Thüringen und zog die Stresemann-Stiftung mit entsprechender Zielrichtung auf.  Benannt wird das nicht, sondern umschrieben: „Unser Land, den Westen, ja vielleicht sogar die ganze Welt mindestens genauso frei an unsere Kinder zu übergeben, wie wir sie erhalten haben. Vielleicht sogar ein bisschen freier.“

Laut einem Bericht der ZEIT gab es keine Berührungsängste zu rechtsextremen neurechten Strukturen. So hat der damalige Geschäftsführer Felix Strüning (auch Mitglied des Bundesvorstandes von „Die Freiheit“) die Stiftung im Oktober 2012 auf der rechtsextremen Messe „Zwischentag“ vorgestellt, die vom neurechten Kopf Götz Kubitschek organisiert wird. Im November 2013 tritt Strüning in der neurechten „Bibliothek des Konservatismus“ in Berlin auf, referiert darüber: „Wie islamische Akteure unsere Grundrechte bedrohen.“

Finanziert wurde die Arbeit der Stresemann-Stiftung, ebenfalls laut ZEIT-Bericht, unter anderem aus den USA durch das „Middle East Forum“, wie die Stiftung selbst in ihrem Jahresbericht 2013 vermerkt. Das sich proisraelisch verstehende „Middle East Forum“ des Historikers Daniel Pipes unterstützt islamfeindliche Strukturen in Deutschland und Europa. Zuletzt wurde die Finanzierung des rechtspopulistischen Blogs „Journalistenwatch“ bekannt (ZEIT), langjährig geleitet von Thomas Böhm, Mitgründer und Sprecher von „Die Freiheit“ in Berlin.

Entsprechend dieser Grundausrichtung hatten die Begründer der Gustav-Stresemann-Stiftung offenkundig kein Problem damit, ihre Stiftung in AfD-Hände zu geben. Ende November übernahmen die AfD-Mitglieder Rainer Groß und Hannes Kernert den Vorstand des Vereins. Der frühere Geschäftsführer Felix Strüning schreibt  auf seiner Website am 24.11.2017, er lege seine Tätigkeit nieder und ziehe die Nutzungsrechte aller von ihm namentlich verfassten Texte zurück. Hannes Kernert gilt als „einflussreicher Strippenzieher“ in der AfD. Er hat unter anderem den Goldhandel der AfD aus den Anfangstagen mitorganisiert (vgl. Welt).

Heute ist finanziell die Rede von einem Erbe von einer halben Million Euro, das eine „vermögende ältere Dame“ aus Bayern an die Stiftung spenden will – das wäre an eine Stiftung auch ohne Namensnennung problemlos möglich. Unterstützung angeboten hat auch die neurechte „Ein Prozent“-Bewegung – dies allerdings sei (bisher) abgelehnt worden (vgl. LVZ)

 

Warum Stresemann?

Unterstützer der Gustav-Stresemann-Stiftung finden sich im völkisch-nationalistischen Teil der AfD. Andreas Kalbitz von der AfD Brandenburg ist Fan und  nun im AfD-Bundesvorstand zuständig für das Stiftungsthema (vgl. Welt).  Prominentester Befürworte bleibt allerdings AfD-Parteichef Alexander Gauland. Er wünscht sich die Gustav-Stresemann-Stiftung und wischt den Werdegang in typischer AfD-Manier vom Tisch: Es ginge ihm nur um den Namen Gustav Stresemanns. Denn er findet: „Die Politik Gustav Stresemanns im Rahmen seiner Zeit passt ideologisch am besten zu uns. Dessen Erbe ist bei der AfD sehr gut aufgehoben. Wir sind die perfekte moderne Kombination aus Patriotismus und Liberalismus.“ (vgl. Saarbrücker Zeitung). Die Bezeichnung als „nationalliberal“ behagt hier offenbar sehr. Zugleich ist die Namenswahl ein offensichtliches, provokatives Manöver, das Gustav Stresemann instrumentalisiert, der sich im Laufe seines Lebens vom nationalliberalen Politiker zu einem führenden Verfechter der Republik und der Demokratie entwickelt hat (vgl. Welt, NDR). Erstens kann sich die AfD damit als vorgebliche Verfechterin von Freiheitsrechten darstellen (die sie dann allerdings nutzen möchte, um die Freiheiten und Rechte anderer zu begrenzen). Andererseits ist die Behauptung, die „wahren Liberalen“ zu sein, nicht nur eine Verschleierung eigener Wünsche nach Autorität und Führung, sondern auch ein Seitenhieb auf die FDP, die auch entsprechend empört reagierte. FDP-Vize Wolfgang Kubicki sprach von „antieuropäischen Spaltern“ und nannte die AfD-Wahl „makaber“ (vgl. stern).

Gustav Stresemanns Enkel wollen gegen eine Benennung der Gustav-Stresemann-Stiftung als AfD-Parteistiftung klagen (vgl. FAZSpiegelZEIT). Eine Chance auf Erfolg hätte das nur, wenn sie nachweisen könnten, dass die Partei dem Wirken Stresemanns diametral entgegen stünde oder die Partei extremistisch aufträte – was die Enkel allerdings als gegeben ansehen. Die AfD dagegen freut sich schon auf Publicity durch den Prozess.

 

Saubere Arbeit sieht anders aus

Ebenso wehren will sich das überparteilich arbeitende Gustav-Stresemann-Institut in Bonn. Interessanterweise hörte die Welt zwar „aus Kreisen der Gustav-Stresemann-Stiftung“, man habe sich mit dem Gustav-Stresemann-Institut geeinigt. Davon weiß der Vorstand des Gustav-Stresemann-Instituts allerdings nichts.

Ebenso suspekt: Die Gustav-Stresemann-Stiftung legte dem AfD-Bundesvorstand eine Liste von „Mitgliedern und zur Mitwirkung eingeladenen Aufnahmekandidaten“ vor. Darauf: SPD-Rechtsaußen Thilo Sarrazin, Osteuropa-Historiker Jürgen Barberowski, Publizistin Gertrud Höhler. Allerdings wurde keiner dieser Prominenten zuvor angesprochen oder hat auch nur im Entferntesten vor, dem Kuratorium anzugehören (vgl. Welt).

Das Ende vom Lied könnte übrigens eine Verschmelzung von Desiderius-Erasmus-Stiftung und Gustav-Stresemann-Stiftung sein. AfD-Funktionär und Jurist Rainer Groß gehört in beiden Stiftungen zum Vorstand und sagt gegenüber der Welt, es wäre falsch, die Stiftungen „gegeneinander auszuspielen“: „Ich bin fest überzeugt, dass es sinnvoll und möglich wäre, Gemeinsamkeiten dieser Initiativen zu entwickeln und zusammenzuführen.“ Als humanistische Nationalliberale möchte sich die AfD vermutlich am liebsten sehen.

 

Teil 1 des Textes zur Desiderius-Erasmus-Stiftung

Ergänzung 12.11.2018:

Nach monatelanger Kontroverse ist die Entscheidung auf dem Bundesparteitag der AfD am 30. Juni 2018 in Augsburg zugunsten der Desiderius-Erasmus-Stiftung gefallen. Fast zwei Drittel stimmten für die von der früheren CDU-Bundestagsabgeordneten und ehemaligen Vertriebenen-Präsidentin Erika Steinbach geleitete Stiftung.

Dem Vorstand der Stiftung gehören 2018 an: Erika Steinbach (Ex-CDU, Präsidentin des „Bundes der Vertriebenen“ und rechte Hardlinerin), Lars-Patrick Berg (AfD Baden-Württemberg), Klaus-Peter Krause (Journalist, u.a. Autor der neurechten Scharnier-Publikationen „Eigentümlich frei“ und „Junge Freiheit“, Gerhard Fischer (AfD Köln), Stefan Sellschopp (AfD Schleswig-Holstein), Konrad Adam (Gründungsmitglied AfD, Gründungsvorsitzender der Stiftung), Ralf Nienaber (Publizist und Verschwörungstheoretiker), Daniela Ochmann (Rechtsanwältin, AfD Rodenkirchen), Hans Hausberger (AfD Bodensee), Sebastian Wippel (Polizeikommissar, AfD Sachsen).

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