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AfD Revolte von rechts

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Symbolbild (Quelle: Flickr / vfutscher / CC BY-NC 2.0)

Nach dem von der Rechercheplattform Correctiv enthüllten Geheimtreffen von AfD-Funktionären mit Rechtsextremen im November 2023, das sich unter anderem um „Remigration“ drehte, verschärft sich die öffentliche Debatte über ein mögliches Verbotsverfahren gegen die Partei. Vor dem Hintergrund des im Februar anstehenden Prozesses am Oberverwaltungsgericht Münster, wo entschieden werden soll, ob der Verfassungsschutz die Partei bundesweit als rechtsextremen Verdachtsfall einstufen darf, gibt es zudem Streit über die „Unvereinbarkeitsliste“. Mit diesem Papier will die Partei sich unter anderem von neonazistischen Gruppen abgrenzen, so finden sich darauf die NPD/Die Heimat, die „Identitäre Bewegung“ (IB), der Dritte Weg oder die verbotene Terrorgruppe Combat 18. Mitglieder von auf der Liste stehenden Organisationen sollen nicht eintreten dürfen.

Allerdings ist bereits lange Zeit vor den Correctiv-Enthüllungen über den Auftritt des österreichischen „Identitären“ Martin Sellner bei dem Treffen in Potsdam bekannt, dass die Liste oftmals ohne Konsequenzen bleibt. Das offenbarte nicht zuletzt das prominente Beispiel des AfD-Bundestagsabgeordneten Jan Nolte, der den Bundeswehroffizier Maximilian T. beschäftigte, der verdächtigt wurde, als Komplize von Franco A. an der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat beteiligt gewesen zu sein und dafür in Untersuchungshaft saß. Obwohl der Militärische Abschirmdienst ihn als Rechtsextremen einstufte, bekam er einen Hausausweis für den Bundestag.

Immer wieder fallen AfD-Abgeordnete auf, weil sie Kontakt zu Rechtsextremen haben, was schon seit Jahren zeigt, wie wenig ernst die Partei ihre eigene „Unvereinbarkeitsliste“ nimmt. Vor dem Bekanntwerden des geheimen Treffens, bei dem Sellner und Co. Vertreibungspläne schmiedeten, sorgte in den völkischen Netzwerken in der AfD und deren Umfeld für Unmut, dass der Bundesvorstand im Dezember die rechtsextreme Gruppe „Revolte Rheinland“ auf diese Liste gesetzt habe, wie die taz Anfang Januar berichtete. Die seit Ende 2021 in Erscheinung tretende Gruppierung, die der Verfassungsschutz Rheinland-Pfalz als eine Nachfolgeorganisation der IB ansieht, beschreibt sich als „patriotisch, aktivistisch und sozial“ und ist laut der Behörde vor allem im nördlichen Rheinland-Pfalz und im südlichen Nordrhein-Westfalen aktiv.

Im Juni 2023 überklebten Mitglieder der „Revolte Rheinland“ einen in Regenbogenfarben gestalteten Zebrastreifen in Bonn mit einer schwarz-rot-goldenen Folie und bekannten sich dazu in den sozialen Medien unter dem Hashtag „Stolzmonat“. Im März hatten Anhänger*innen der Gruppe ein zusätzlich in arabischer Schrift angebrachtes Straßenschild in der Düsseldorfer Ellerstraße überklebt und als „Karl-Martell-Straße“ ausgewiesen. Ende August tauchten in Bonn Flugblätter der „Revolte Rheinland“ auf, in denen von einem vermeintlichen „Bevölkerungsaustausch“ die Rede war. Die Rechtsextremen verwenden die „Odal“-Rune, die einige NS-Organisationen als Symbol nutzten, als Logo. Insgesamt rechnet der Verfassungsschutz der Gruppierung derzeit Mitglieder im niedrigen zweistelligen Bereich zu.

Laut dem antifaschistischen Magazin Lotta stammen viele Mitglieder der „Revolte“ aus dem burschenschaftlichen Milieu oder sind ehemalige „Identitäre“. 2021 und 2022 trat die Gruppe bei Protesten gegen die Corona-Schutzmaßnahmen in Düsseldorf, Bonn und Koblenz auf. Im September 2022 entrollten Mitglieder in Bonn ein Banner auf einer Fridays for Future-Demonstration. Im selben Monat zeigte die „Revolte“ ein Transparent mit der Aufschrift „Blut und Eisen statt Schuldkult-Propaganda“ vor dem Bismarckturm in der Bonner Rheinaue. Nach eigenen Angaben besuchten Aktivist*innen auch die Sommerakademie des laut Verfassungsschutz „gesichert rechtsextremistischen“ Instituts für Staatspolitik (IfS) in Schnellroda. Bilder in sozialen Netzwerken zeigen sie bei Wanderungen, als Mob vor der Nibelungenhalle in Königswinter oder mit der „White Power“-Geste.

 

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Dass die „Revolte“ auf der „Unvereinbarkeitsliste“ der AfD gelandet ist, missfällt besonders dem Umfeld des IfS rund um Götz Kubitschek. Benedikt Kaiser, Mitarbeiter des AfD-Bundestagsabgeordneten Jürgen Pohl und langjähriger Lektor des angeschlossenen Antaios Verlags schrieb auf X, vormals Twitter: „Die Unvereinbarkeitsliste der AfD muss nicht erweitert, sondern eingedampft werden. Sie ist kein Zeichen souveräner Stärke, sondern ein Relikt vergangener Schwäche.“

Auch der Thüringer AfD-Landesvorsitzende Björn Höcke will die Liste schon seit Jahren abschaffen. Bereits 2019 versuchte er einen entsprechenden Antrag auf einem AfD-Parteitag durchzusetzen. Nach dem jüngsten Beschluss schrieb er Ende Dezember auf Telegram: „Die von außen bestimmte Distanzeritis hat uns keinen taktischen Vorteil gebracht – im Gegenteil. Sie diente unseren Gegnern lediglich dazu, uns gegen einander auszuspielen“. Zudem empfahl Höcke, der sich wegen der mutmaßlichen Verwendung einer SA-Parole vor dem Landgericht in Halle verantworten muss, seinen „Parteifreunden“ das in Kubitscheks Verlag erschiene Buch Martin Sellners, „Regime Change von rechts“.

Auch der AfD-Bundestagsabgeordnete Roger Beckamp positionierte sich auf Instagram deutlich gegen den Beschluss des Bundesvorstands: „Frohe Weihnachten auch an die mutigen Aktivisten der Gruppe ‚Revolte Rheinland‘! Möge Eure kraftvolle Botschaft des Friedens und der Liebe auch im Jahr 2024 im ganzen Deutschland gehört werden.“ Dazu postete er ein Bild, das die Gruppe mit einem „Defend-Europa“-Banner zeigt.

Das völkische Propagandaorgan Heimatkurier aus Österreich meint zu wissen, wer im AfD-Bundesvorstand für den Beschluss gestimmt hat: Demnach sollen Tino Chrupalla, Roman Reusch, Marc Jongen, Peter Boehringer, Stephan Brandner und Carsten Hütter für die Unvereinbarkeit mit den Rechtsextremen aus dem Rheinland gestimmt haben, dagegen vier Mitglieder, darunter der Spitzenkandidat für die Europawahl Maximilian Krah, der vergangenes Jahr bei der österreichischen IB auftrat und die Kampfschrift „Politik von rechts“ im Antaios-Verlag veröffentlichte. Ein Sprecher der „Revolte Rheinland“ sagte dem Heimatkurier die Entscheidung zeige, „dass immer noch Elemente in der Partei existieren, die ihre eigene Person über die Interessen unseres Volkes und dem Fortkommen jener stellt, die es bewahren und verteidigen. Glücklicherweise stellen diese Einflüsse in der AfD nicht die Mehrheit“.

IB-Aktivist Sellner spricht auf der Internetseite des rechtsextremen Magazins Sezession von einer „verheerenden Signalwirkung“. Der Beschluss sei „geradezu eine Aufforderung von Seiten der AfD, den Aktivismus einzustellen“. Er greift besonders die Mitglieder des Bundesvorstands Roman Reusch und Jan Bollinger an, letzterer ist rheinland-pfälzischer AfD-Landesvorsitzender, die den Beschluss initiiert haben sollen. Diesen widersprochen hätten Sellner zufolge neben Krah der ehemalige Kopf der als gesichert rechtsextrem geltenden Jungen Alternative (JA), Carlo Clemens und Martin Reichhardt, Vorsitzender des im November 2023 als gesichert rechtsextrem eingestuften Landesverbands Sachsen-Anhalt. Der österreichische Rechtsextremist klagte weiter, dass die „Revolte“ von der AfD „isoliert“ werde, keine „Perspektive“ mehr hätte und die Partei in Rheinland-Pfalz damit verhindern wolle, dass deren Mitglieder in die JA einträten.

Dass die „Unvereinbarkeitsliste“ der AfD lediglich ein Feigenblatt und der Einfluss rechtsextremer Aktivist*innen aus der IB in der Partei nach wie vor hoch ist, belegt beispielsweise auch der in IB und JA aktiv gewesene Jonas Schick, inzwischen Herausgeber des rechten Öko-Blatts Die Kehre, der laut Medienberichten für den AfD-Bundestagsabgeordneten René Springer arbeitet. Der NRW-Verfassungsschutz hatte kurz vor dem Beschluss im Dezember die JA Nordrhein-Westfalen als rechtsextremen Verdachtsfall eingestuft, weil es eine „umfassende Zusammenarbeit mit zahlreichen Akteuren der rechtsextremistischen Strömung der Neuen Rechten“ gebe und „Personen mit einer rechtsextremistischen Biografie in der JA NRW aktiv“ seien. So werbe sie in den sozialen Medien für die Nachfolgeorganisationen der IB wie die rechtsextreme Fraueninitiative „Lukreta“ und „Revolte Rheinland“ sowie für „Ein Prozent“ und das IfS.

Darüber hinaus organisierte die AfD Rheinland-Pfalz in Person des Landtagsabgeordneten Joachim Paul im Oktober 2023 einen Vortrag des ehemaligen IB-Aktivisten Andreas Karsten über die „gesellschaftliche[n] Folgen der Multikulti-Ideologie“, bei dem Mitglieder der JA und der „Revolte Rheinland“ anwesend waren. Sowohl Paul als auch Karsten sind Mitglieder in rechten Burschenschaften. Der Schulterschluss extrem rechter Burschenschaftler, der „Revolte Rheinland“ und der AfD zeigte sich auch beim „Marsch für das Leben“, der im September 2023 in Köln stattfand.

Nach Angaben der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Köln waren auf der zeitweise auch von der Kölner CDU beworbenen Veranstaltung neben Anhänger*innen der „Lebensschutzbewegung“, extrem rechte Burschenschaften sowie Mitglieder der „Revolte Rheinland“, der AfD und der JA anwesend. Die Verbindungen zwischen den IB-Nachfolgeorganisationen „Lukreta“ und „Revolte Rheinland“ zur JA in NRW und Rheinland-Pfalz sind unverkennbar. Das zeigte zum Beispiel auch die Demonstration „Es reicht“ im Januar 2022 in Düsseldorf, wo Gerald Christ, Vorstandsmitglied der JA NRW neben der „Lukreta“-Frontfrau Reinhild Boßdorf, deren Mutter Irmhild Boßdorf für die AfD bei der Europawahl kandidiert und bei der AfD-Europawahlversammlung im Juli 2023 eine „millionenfache Remigration“ forderte, und Simon Thiele, Mitglied der Burschenschaft „Raczeks zu Bonn“ und der „Revolte Rheinland“ gemeinsam zu sehen waren.

Im Oktober 2022 solidarisierte sich die AfD Bonn laut dem antifaschistischen Magazin Lotta mit der „Revolte“, nachdem Ermittlungen der Bonner Polizei gegen die Gruppe bekannt wurden. Dass die Zusammenarbeit der AfD mit der rechtsextremen „Revolte Rheinland“ nach dem Unvereinbarkeitsbeschluss aufhört, ist daher zu bezweifeln.

Foto: Flickr / vfutscher / CC BY-NC 2.0

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