Weiter zum Inhalt Skip to table of contents

Antisemitismus Lufthansa verweigert über 120 jüdischen Passagieren den Weiterflug

Von|
Über 120 Jüdinnen und Juden wurde die Weiterreise verwehrt. Die Lufthansa-Maschine nach Budapest startete mit weniger als 30 Personen an Bord.
Über 120 Jüdinnen und Juden wurde die Weiterreise verwehrt. Die Lufthansa-Maschine nach Budapest startete mit weniger als 30 Personen an Bord. (Quelle: Wikimedia / Julian Herzog / CC BY 4.0)

Am 4. Mai landet eine Lufthansa-Maschine aus New York am Frankfurter Flughafen. An Bord sind über 120 orthodoxe Juden und Jüdinnen, die über Frankfurt weiter nach Budapest reisen wollten, die meisten, um dort an einer Gedenkfeier für einen vor 97 Jahren verstorbenen Rabbiner teilzunehmen. Einige Passagiere hielten sich im Verlauf des Fluges, trotz wiederholter Aufforderung durch die Crew, nicht an die Maskenpflicht. Ein Passagier berichtet der Washington Post, dass der Pilot daraufhin in einer Durchsage warnte, dass diejenigen, die sich den Anordnungen der Crew widersetzen, Schwierigkeiten mit ihrem Weiterflug haben könnten. 

Als die Passagiere später am Gate des Anschlussfluges ankommen, erwartet sie eine ungewöhnlich große Polizeipräsenz. Wie in einem Video festgehalten wurde, verkündete wenig später ein Mitarbeiter der Lufthansa, dass Personen des Fluges aus New York aus „operativen Gründen​​“ von dem Flug nach Budapest ausgeschlossen werden. 

Einige Reisende suchten das Gespräch mit dem Flughafenpersonal, um zu erklären, dass sie nicht zu der Gruppe gehören, selbst regelkonform ihre Maske getragen haben und versuchten den Grund zu erfahren, warum sie dennoch an der Weiterreise gehindert werden. Ein zweites Video zeigt einen jüdischen Mann im Gespräch mit einer Lufthansa-Mitarbeiterin. Er fragt, warum ausgerechnet allen jüdischen Personen der Weiterflug verwehrt wird und weist die Frau auf den antisemitischen Charakter dieser Entscheidung hin. „Everybody has to pay for a couple“, antwortet die Mitarbeiterin schlicht. „It’s Jewish people who were the mess, who made the problems“, begründet sie die Entscheidung der Airline weiter. Die Lufthansa bestätigte gegenüber The Jewish Chronicle, dass der Flug nach kurzer Verspätung mit weniger als 30 Passagieren startete.

Der offensichtliche Antisemitismus im Jahr 2022 auf deutschem Boden hinterlässt den Betroffenen fassungslos: „This is gruesome“, sagt er der Lufthansa-Mitarbeiterin. Die Vorgänger-Firma „Luft Hansa” wurde unter anderem von Kurt Weigelt gegründet, späteres SS-Fördermitglied und verurteilter Kriegsverbrecher. Das Unternehmen beschäftigte zwischen 1933 und 1945 über 10.000 Zwangsarbeiter:innen, darunter auch Kinder. 1953 wurde Weigelt Aufsichtsratsvorsitzender des neuen Unternehmens Lufthansa. 2022 selektiert die Fluggesellschaft Juden und Jüdinnen aufgrund von Aussehen, Namen und Kleidung.  

Die Lufthansa veröffentlichte inzwischen ein Statement und räumt ein, dass nur die einzelnen Personen, die sich nicht an die Maskenpflicht gehalten hatten, am Weiterflug gehindert hätten werden dürfen. Das Unternehmen entschuldigt sich bei den Gästen dafür, „dass ihre persönlichen Gefühle verletzt wurden”. Was fehlt ist eine Anerkennung der massiven finanziellen, logistischen und persönlichen Umstände, die die haltlose Entscheidung der Airline zur Folge hatten. „Es gibt keine Toleranz gegenüber Rassismus, Antisemitismus oder Diskriminierung jeglicher Art“, heißt es im Statement der Lufthansa. Das ist nicht gut genug. Anstatt den offensichtlichen Antisemitismus zu benennen, bleibt das Statement so vage, dass sich ohne konkretes Wissen die antisemitischen Umstände des Vorfalls nicht erschließen lassen. 

Man wolle mit betroffenen Fluggästen in Kontakt treten, um „offen zu diskutieren, wie wir unsere Abläufe in solchen Situationen verbessern können“. Was genau an dieser Stelle offen diskutiert werden soll, bleibt unklar. Klar sollte vielmehr sein, dass Konsequenzen für das Missverhalten einiger, nicht auf alle Personen abgewälzt werden dürfen, die bis auf das Reiseziel und ihren jüdischen Glauben nichts gemeinsam haben. 

„Das Geschehen ist vor allem in Kombination mit der dürftigen Entschuldigung äußerst problematisch”, betont Miki Hermer, Projektleiterin der Aktionswochen gegen Antisemitismus der Amadeu Antonio Stiftung. „Lufthansa hat es geschafft, eine Entschuldigung zu schreiben, ohne die Wörter Jude oder Jüdin den Mund zu nehmen.” Marlene Schönberger, Mitglied des Bundestages für Bündnis 90/Die Grünen, spricht auf Twitter von einem „Skandal“. Besonders von deutschen Unternehmen erwartet sie ein Bewusstsein für Antisemitismus. Dieses Bewusstsein hat am 4. Mai nicht bloß gefehlt, es wurde sich dem regelrecht verschlossen, schließlich betonten mehrere Fluggäste den antisemitischen Charakter der Entscheidung. Kritisiert wird der Vorfall auch von Hessens Antisemitismusbeauftragten Uwe Becker. Er betont, dass sich „auch die Unternehmensspitze persönlich in der Verantwortung sehen“ sollte und „klar und unmissverständlich Stellung“ bezogen werden muss, denn „so etwas darf sich nicht wiederholen“.

„Nie wieder” heißt es immer, wie weit wir davon tatsächlich noch entfernt sind, hat sich am Frankfurter Flughafen auf beschämende Art und Weise gezeigt.  

 

Bild: Wikimedia / Julian Herzog / CC BY 4.0

 

Weiterlesen

Eine Plattform der