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Broschüre gegen Flüchtlingsheime Rassistische PR-Tipps von „Der III. Weg“

Schwerpunkt Mai 2015: „Nein zum Heim“, die professionelle Variante: Die rechtsextreme Partei „Der III. Weg“ hat im Dezember 2014 eine 20-seitige Broschüre veröffentlicht, mit der sie „besorgten Bürgern“ einfach und kleinteilig erklärt, wie man den Bau von Asylunterkünften in der „eigenen Heimat“ verhindern kann. Anhand dieser Broschüre wird deutlich, wie strategisch und professionalisiert rechtsextreme Gruppierungen gegen Geflüchtete hetzen. Sie geben Tipps, wie man Versammlungen boykottiert, und regen an, Flüchtlinge mit Strafanzeigen in Misskredit zu bringen.

 
Broschüre mit dem Titel „Kein Asylantenheim in meiner Nachbarschaft! – Wie be- bzw. verhindere ich die Errichtung eines Asylantenheims in meiner Nachbarschaft“ (Quelle: Screenshot)

Broschüre nimmt vorgebliche Ängste „besorgter Bürger“ auf – oder regt sie erst an

Auf ihrer Website wettert  die rechtsextreme Klein-Partei „Der III.  Weg“ „Gegen Schuldkult“ oder fordert „Überfremdung stoppen“ – Parolen, mit denen sie das rechtsextreme Spektrum bedient. Doch die Klein-Partei sucht auch Anschluss an Ressentiments in der Mehrheitsbevölkerung. Ihr Leitfaden  „Kein Asylantenheim in meiner Nachbarschaft!“ zur Verhinderung von Flüchtlingsheimen nimmt vorgebliche Ängste von „besorgten Bürgern“ auf  – oder regt sie erst an.

In der 20-Seiten-Broschüre wird zur Einleitung ein Überblick über vermeintliche Fakten zum Thema Asyl gegeben, der vor allem aus rassistischen Ressentiments besteht. Bei den Asylsuchenden handele es sich „nur“ um Wirtschaftsflüchtlinge „die zu großen Teilen auf Kosten des deutschen Steuerzahlers die soziale Hängematte des Systems auskosten“, oder um „Zigeunerclans aus Rumänien, Bulgarien und Albanien, die inzwischen mit ihren Großfamilien deutsche Großstädte bevölkern“.

Überdies haben sich die Macher des Strategiepapiers auch schon Gedanken gemacht, mit welchen Folgen die „heimische Bevölkerung“ beim Bau einer Asylunterkunft konfrontiert würde. Etwa „erhöhte Lärmbelästigung, zunehmende Vermüllung, Verknappung des Wohnraums für Deutsche, Verschlechterung der schulischen Leistungen deutscher Kinder, Anstieg der Kriminalität oder Wertminderung der eigenen Immobilie“. Dieses heraufbeschworene Szenario bestätigt bereits bestehende Vorurteile „besorgter Bürger“ und gibt ihnen überdies neue „Sorgen“  in die Hand, die sie gegen geplante Asylunterkünfte anbringen können.  Mit der Realität hat dies alles nicht zu tun, aber das ist dem „III. Weg“ ja egal, der hier nur rassistische Propaganda an Mann und Frau bringen will.

Der Leitfaden erklärt wie „besorgte Bürger“ professionell Stimmung gegen Flüchtlingsheime machen können

Wie genau nun ein Protest geplant werden kann und welche organisatorischen und rechtlichen Schritte dafür notwendig sind, erklären die Macher der Broschüre umfangreich und detailliert. Beispielsweise raten sie zur Organisation einer Bürgerinitiative, das erste Treffen auf einen Termin zu legen, der sich nicht mit wichtigen Fernsehevents überschneidet, und lieber einen kleineren Raum zu wählen, der dann voll wirkt, als einen großen Raum, der leer scheint. Flugblätter sollen in einfacher Sprache formuliert sein, möglichst in Hauptsätzen, und die Empfänger ermutigen, aktiv zu werden.  Auch die Teilnahme an Bürgerinformationsveranstaltungen wird empfohlen. Dabei sei es ratsam, die Politiker und ihre „dreisten Lügen“ zu filmen, um anschließend Nachweise für die Widersprüchlichkeit ihrer Aussagen im Internet veröffentlichen zu können.

Das Strategiepapier bietet auch ganz konkrete Musterschreiben zur Anmeldung von Demonstrationen oder Widerspruchsschreiben, die es den „besorgten Bürgern“ einfacher machen sollen, gegen die geplanten Unterkünfte aktiv zu werden. Falls es trotz des Protests zum Bau einer Asylunterkunft kommen sollte schlägt „Der Dritte Weg“ vor, ein „Tagebuch über die Geschehnisse“ zu führen und jede Straftat oder Ordnungswidrigkeit zur Anzeige zu bringen. Hierfür wurde folgendes Musterschreiben zur Verfügung gestellt:

Musterbrief für Strafanzeige gegen Geflüchtete

Rassistische Ressentiments finden auch in der „Mitte der Gesellschaft“ Resonanz

Wie anschlussfähig solche rassistischen Parolen auch bei Menschen aus dem nicht-rechtsextremen Milieu sind, zeigt passend ein aktueller  Leserbrief auf lokal-kompass.de, einer regionalen Online-Nachrichten-Community. Die „besorgte“  Verfasserin des Briefes möchte nicht mit einer Rassistin verwechselt werden. Sie habe lediglich Angst davor, dass ihr Haus durch eine geplante Asylunterkunft an Wert verliert, oder ihr Viertel gar zum sozialen Brennpunkt wird. Außerdem ist sie sich sicher, dass es vermehrt zu Vorfällen wie Einbrüchen, Diebstählen und Ruhestörung kommen werde, sobald die Asylsuchenden, die sicherlich Neid auf die Bewohner der Einfamilienhäuser entwickeln werden, einziehen. 

Die Oberhausenerin ist also strikt gegen den Bau des Flüchtlingsheims, betont aber mit Nachdruck: „Aber nicht weil ich Rassist bin, sondern weil ich Angst habe vor dem, was damit auf uns zu kommt: Bekanntermaßen steigt die Kriminalität in den Gegenden von Flüchtlingsunterkünften. […] Von Lärm und Ruhestörungen mal ganz abgesehen“. Ihr Leserbrief zeigt deutlich, dass rassistische Ressentiments gegenüber Geflüchteten nicht nur in Broschüren rechtsextremer Parteien auftauchen, sondern auch Resonanz in der „Mitte der Gesellschaft“ finden. „Besorgte Bürger“  werden womöglich durch die rassistische Grundstimmung, die beispielsweise im Internet durch die rechtsextreme Szene geschürt wird, ermutigt ihre Ressentiments zu verbreiten.

Mehr auf netz-gegen-nazis.de:

|Strategie: Rechtsextreme Bürgerinitiativen 

|Zum Thema Hetze gegen Flüchtlinge

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