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deconstruct antisemitism Apartheitdstaat, Kindermörder, Rothschild — antisemitische Codes erkennen

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(Quelle: Unsplash)

Wird Israel als „Unrechtsstaat“ bezeichnet, ist nicht der Begriff an sich antisemitisch, sondern der Kontext relevant, in dem er geäußert wird. Oft handelt es sich um einen Code zur Dämonisierung Israels. Mit ihm wird Israel eine intrinsisch böse Absicht unterstellt, den Palästinenser:innen systematisches Unrecht anzutun. Dabei werden judenfeindliche Bilder, die jahrhundertealt sind, auf den israelischen Staat projiziert und Israel im Sinne aller Jüdinnen:Juden zum absoluten Bösen erklärt.

Wird Israel als „Apartheidstaat“ und „Unrechtsstaat“ bezeichnet, wird ihm die Rechtsstaatlichkeit und der demokratische Charakter abgesprochen. Im Begriff Apartheid, der einst die rassistische Trennung von Bevölkerungsgruppen in der Republik Südafrika beschrieb, steckt der Vorwurf, der israelische Staat sei per se ein rassistisches Konstrukt.

Die Begriffe implizieren, Israel sei ein Aggressor, der die eigene Bevölkerung drangsaliere. Die Komplexität der regionalen Konflikte sowie die Handlungsspielräume und Positionen der Konfliktparteien werden ignoriert. Stattdessen wird Israel zum (alleinigen) Kriegstreiber erklärt.

Kindermörder

Die Ritualmordlegende aus dem Mittelalter besagte, Jüdinnen:Juden würden das Blut von (christlichen) Kindern zum Backen verwenden. Diese Legende wurde über Jahrhunderte hinweg tradiert und findet sich heute in aktualisierten Formen wieder.

Eine Form ist die Parole „Kindermörder Israel!“, die im Rahmen von Demonstrationen gerufen und auf Plakaten zur Schau gestellt wird. Sie unterstellt dem Staat Israel, er würde das Blut palästinensischer Kinder mit Absicht und Genugtuung vergießen.

Eine weitere Form findet sich bei QAnon. In der QAnon-Verschwörungserzählung, die in den USA entstanden ist, wird behauptet, eine satanistische Elite entführe, foltere und töte Kinder, um mit dem Blut eine Verjüngungsdroge herzustellen. Die Erzählung wird insbesondere in den Sozialen Netzwerken (z.B. auf Telegram) verbreitet.

Beide Formen machen deutlich, dass aus der Vorstellung, Jüdinnen:Juden seien Kindermörder, Vernichtungswünsche resultieren können: Wenn Israel
vermeintlich Palästinenser:innen aus rassistischen
Gründen auslöscht oder Kinder tötet, muss es im antisemitischen Weltbild mit allen Mitteln bekämpft und von der Landkarte getilgt werden. Tötet eine satanistische Elite unschuldige Kinder, muss sie beseitigt werden.

Teufel, Satan

Im Laufe der Jahrhunderte war die Teufels-Metapher im Christentum von zentraler Bedeutung. Der Satan ist der Inbegriff des Bösen. Heutzutage findet sich die Teufels-Metapher in den Sozialen Medien zuhauf. Mit ihr wird das Feindbild zum ultimativen Bösen erklärt. Bildliche Darstellungen des Teufels werden gelegentlich mit dem antisemitischen Stereotyp eines „typisch jüdischen“ Aussehens (z.B. „Krummnase“) verknüpft.

In der Geschichte des Judenhasses haben solche Darstellungen eine lange Tradition: Das Standardwerk „The Devil and the Jews“ (von Joshua Trachtenberg, 1943) untersuchte die Ursprünge des Vergleichs zwischen „Jude“ und Teufel. Der christliche Antijudaismus spielte eine zentrale Rolle. Insbesondere im Mittelalter wurde Jüdinnen:Juden unterstellt, sie seien einen Pakt mit dem Teufel, mit Satan eingegangen. Der Pakt, der zur Grundlage antijüdischer Mythen (wie Brunnenvergiftung und Ritualmord) wurde, habe angeblich Jüdinnen:Juden in die Lage versetzt, Kriege und Hungersnöte, Plagen und Seuchen zu verursachen.

Große Nase, Happy Merchant

Eine große Nase, ein gieriger Blick und Schläfen locken – in den meisten antisemitischen Darstellungen „des Juden“ sind solche Merkmale zu finden. Häufig handelt es sich um Darstellungen von Männern, die edle Anzüge und dicke Hornbrillen tragen und sich ihre Hände reiben. Sie zeichnen das Bild eines raffgierigen und reichen Mannes. Die äußeren Merkmale, die ihm zugeschrieben werden, machen „den Juden“ zum Anderen, Fremden. Häufig findet sich diese Darstellung beim sogenannten „Happy Merchant“ in rechtsterroristischen und rechtsextremen Online-Subkulturen.

Das antisemitische Stereotyp des typisch jüdischen Aussehens, d.h. die Behauptung, Jüdinnen:Juden seien durch äußere Merkmale erkennbar, hat eine lange Tradition. Wenn Jüdinnen:Juden antisemitisch dargestellt werden, fehlt selten eine große Nase. Das betrifft die Darstellungen auf Münzen im 17. Jahrhundert ebenso wie Karikaturen in der NS-Propagandazeitung „Der Stürmer“ im 20. Jahrhundert. Sie findet sich aber auch in Bebilderungen nicht-jüdischer Menschen, die mit vermeintlich jüdischen Eigenschaften gekennzeichnet werden sollen.

Rothschild, Rockefeller, Soros, Anetta Kahane, Zuckerberg, Gates

Die antisemitische Behauptung, es bestünde eine natürliche Verbindung zwischen „den Juden“ und Finanzen, Zinsen, reicht bis ins Mittelalter zurück. Der Name einer alten jüdischen Familie wird als Code für die vermeintliche Herrschaft „der Juden“ über das internationale Finanzwesen verwendet: Rothschild. Durch unehrlich erlangten Reichtum hätten „die Juden“ die Macht, die Welt zu lenken und zu regieren. Auch einer der großen nationalsozialistischen Propagandafilme trägt den Namen „Die Rothschilds“ (1940).

Komplexe gesellschaftliche Verhältnisse werden durch diesen Code personifiziert. Hinter allem, so die Behauptung, steckten „die Rothschilds“ und ihresgleichen. Denn eigentlich gemeint sind „die Juden“. In der COVID-19-Pandemie zeigte sich, wie der Name benutzt wurde, um offenen Antisemitismus zu vermeiden. Nicht wenige, die sich im Zuge der Pandemie radikalisierten, sprachen zunächst von „den Rothschilds“ und machen heute „die Juden“ verantwortlich.

Rothschild ist nur der berühmteste Name. Heute wird er oft in einem Atemzug mit Rockefeller, George Soros, Anetta Kahane, Mark Zuckerberg oder Bill Gates genannt. Zwar sind Rockefeller und Gates nicht jüdisch. Aber es wird behauptet, sie seien eigentlich auch jüdisch oder Marionetten „der Juden“. Die Namen sollen die angeblichen Drahtzieher einer globalen Verschwörung benennen.

Krake, Schlange, Schwein

Die Süddeutsche Zeitung veröffentlichte 2014 die Karikatur einer Datenkrake mit dem Gesicht des Facebook-Gründers Mark Zuckerberg. Die Darstellung wurde scharf kritisiert, denn die Tiermetapher des Kraken, der die Erdkugel mit seinen Tentakeln umschlingt, hat eine antisemitische Prägung. Sie schließt an den Mythos vom allmächtigen „Weltjudentum“ an. Das verdeutlicht die antisemitische Zeichnung eines jüdischen Kraken, die
1938 in der NS-Propagandazeitung „Der Stürmer“ ver
öffentlicht wurde. Die Botschaft: „Der Jude“ hat die Welt unter Kontrolle.

Der Krake ist nicht die einzige Tiermetapher, die im „Stürmer“ verwendet wurde. Die Schlange besitzt eine ähnliche Geschichte und Funktion. Die Tiermetapher der jüdischen Schlange soll zum Ausdruck bringen, dass „der Jude“ die Völker in den Würgegriff nehme und die Menschheit vergiften wolle. Im Allgemeinen haben Tiermetaphern in der Geschichte des Antisemitismus eine lange Tradition. Jüdinnen:Juden werden kollektiv entmenschlicht. So stammt die erste „Judensau“, die an einem Säulenkapitell im Brandenburger Dom entdeckt wurde, aus dem 13. Jahrhundert. Die Tiermetapher lebt fort: Im Netz und im Rahmen von Demonstrationen wird „der Jude“ als „feiges Schwein“ und „Judenschwein“ verunglimpft.


Die Broschüre deconstruct:antisemitism! Antisemitische Codes und Metaphern erkennen gibt es hier zum Download.

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