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FIFA-WM, Woche 2 Blackface und andere Scheußlichkeiten

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Darum sorgt sich also die "Alternative für Deutschland": Von fehlenden Feiern ist allerdings deutschlandweit nichts zu merken. Von Ausfällen auf und um diese Feiern herum allerdings schon. (Quelle: Screenshot Facebook)

+++Warnung: Dieser Artikel dokumentiert rassistische und diskriminierende Entgleisungen während der Fußball-WM. Deshalb enthält er an einigen Stellen rassistische und gewaltvolle Sprache+++

Beim Spiel der deutschen Nationalelf gegen die Mannschaft aus Ghana am vergangenen Samstag hatten einige deutsche Fans die schlechte Idee, sich im Stadion der rassistischen Praxis des „Blackfacing“ zu bedienen. Fotos von ihnen verbreiteten sich in Windeseile im Internet, Kommentator*innen sprachen einhellig von Rassismus. Am Sonntag gab dann auch die FIFA bekannt, dass wegen der Fotografien und einem Bericht des Antidiskriminierungsnetzwerks FARE Ermittlungen gegen den DFB eingeleitet wurden. Die Reaktion in Deutschland? Nahezu nicht existent. Während sich in den meisten anderen Ländern die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass der Gebrauch von „Blackface“ in einer klar rassistischen Tradition steht und einhellig verdammt wird, ignoriert man dies in Deutschland lieber. Leitmedien rund um den Globus berichteten schon am Sonntag ausführlich über den Vorfall. Die deutsche Berichterstattung brachte es lange Zeit auf kaum mehr als einen kurzen Spiegel-Artikel, der weitestgehend den Inhalt der Partnerzeitung „The Guardian“ aus England übernahm.

Die rassistische Tradition von „Blackface“

Dabei müsste aber auch in Deutschland die Sensibilität für das Thema mittlerweile weitaus größer sein. „Blackface“ ist eine aus dem 19. Jahrhundert stammende, aber weit in die 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts praktizierte Schauspielpraxis, bei der weiße Menschen auf stereotypisierende Weise Schwarze in ihrer angeblichen Minderwertigkeit darstellen. Gegen das landläufige Argument, „Blackface“ sei eine rein US-Amerikanische Erfindung, deren rassistischer Gehalt im Transfer nach Deutschland verloren gehe, lässt sich einwenden, dass es auch in Deutschland, beispielsweise in Filmen der „DEFA“, in kolonialen Darstellungen oder zum Karneval, eine ähnliche Tradition gab bzw. gibt. „Diese Darstellungsweise war in jedem Kontext und zu jeder Zeit negativ belegt und steht für die Abwertung Schwarzer Menschen“, hält die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland e.V. fest. Die aktuellen Proteste von vielen Schwarzen Deutschen gegen „Blackface“ in Theateraufführungen zeigen, dass sich hier ebenfalls viele Menschen durch „Blackfacing“ rassistisch verletzt fühlen.

FIFA sieht keine Grundlage für Disziplinarverfahren

Ganz abgesehen davon: Ein globales Medienereignis wie die WM wird auch global rezipiert. Dementsprechend müssen sich auch die betreffenden deutschen Fans den Rassismus-Vorwurf gefallen lassen, egal ob er aus Brasilien, England, den USA oder Deutschland kommt. Das gleiche gilt selbstverständlich für die Fans aus Belgien und Frankreich, die sich ebenfalls des „Blackface“ bedienten. Letztere kleideten sich zusätzlich im Stile der afrobrasilianischen Religion Candomblé“, benutzten also gewissermaßen die Kultur Anderer als Kostüm. Der Widerwillen deutscher Medien, sich überhaupt mit der Thematik auseinandersetzen, ist bedauernswert (Die Taz sei an dieser Stelle als lobenswerte Ausnahme genannt (Link). Hier wird eine Chance verpasst, deutsche Kolonialgeschichte aufzuarbeiten und Alltagsrassismus zum Thema zu machen.

Die FIFA gab am Mittwoch bekannt, sie sehe sich nicht in der Lage die „Blackface“-Vorfälle während der WM zu bestrafen. Es gebe keine „legale oder faktische Grundlage für ein Verfahren“. Aller Beteuerungen zum Trotz, man wolle diskriminierendes Verhalten und Rassismus in den Stadien streng verfolgen, agierte die FIFA gegenüber dem mexikanischen Verband ähnlich zahnlos. Die eindeutig belegten homophoben Beleidigungen gegnerischer Torhüter werden keine Disziplinarmaßnahmen zur Folge haben.

Reichskriegsflagge im Stadion, Hitlergrüße beim Public Viewing

Dies waren aber bei weitem nicht die einzigen Negativschlagzeilen der vergangenen Woche mit deutscher Beteiligung. So ließ das Antidiskriminierungsnetzwerk FARE verlauten, dass schon beim Auftaktspiel Deutschlands gegen Portugal während des Abspielens der Nationalhymne eine Reichskriegsflagge im Stadion hochgehalten wurde. Neonazistische Zwischenfälle gab es währenddessen auch in Deutschland. Anfang der Woche wurde bekannt, dass in der Sauerlandhalle in Altenhundem von einer größeren Personengruppe wiederholt „Sieg Heil!“ gerufen wurde. Die Polizei ermittelt nun wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen.

Beim „Public Viewing“ in Leipzig während des Spiels Deutschland gegen Ghana haben sich noch gruseligere Szenen abgespielt. Dort zeigte eine Gruppe Männer in der „Bierbörse“ während der deutschen Nationalhymne den Hitlergruß. Am Musikpavillon wurden derweil die Ballkontakte der ghanaischen Spieler mit „Affenlauten“ begleitet. Stören an den neonazistischen Auswüchsen tat sich niemand.

#GERGHA: Abgründe auf Twitter

Den sozialen Medien, allen voran „Twitter“, kommt bei dieser WM eine wichtige Rolle zu. Sie ermöglichen es Rassist*innen, ihre Kommentare direkt und ungefiltert vom Stammhirn der Mehrheitsgesellschaft in den digitalen Raum zu blasen. So ist es dieses Jahr sehr viel einfacher möglich, den Nachweis zu führen, dass der mit der WM verbundene Nationalismus latent vorhandene rassistische Einstellungen während der Spiele manifest werden lässt. So taten sich auch während des Spiels der DFB-Vertretung gegen das ghanaische Team Abgründe von ungeahnten Ausmaßen auf. „Tweets“ in denen ghanaische Spieler mit dem „N-Wort“ bezeichnet wurden, gehörten noch zu den harmloseren Äußerungen (Link:Lichterkarussell)  ]. Eine junge Kommentatorin wünschte sich gar:

 

Unpatriotische Kommentare unerwünscht

Bei „Schwarz-Rot-Geil“ hört der Spaß also auf. Das musste auch Hans Sarpei feststellen. Sarpei ist ein ehemaliger Nationalspieler Ghanas, lebt aber schon seit seiner frühesten Kindheit in Deutschland und ist durch seine ironischen Kommentare zu einem Liebling der deutschen Online-Welt geworden. Seine Facebook-Seite hat über 500.000 „Likes“, auf Twitter folgen ihm etwa eine viertel Millionen Menschen. Als er seine Freude über die ghanaischen Treffer gegen Deutschland kundtat, erzürnte dies einen Teil seiner deutschen Fangemeinde. Man witterte „Undankbarkeit“ und „Verrat“. Garniert wurde das ganze selbstverständlich mit rassistischen Schimpfwörtern. Es stellten sich aber auch einige Facebook-User*innen auf Sarpeis Seite:

Ähnliche Zwischenfälle in England

Der englische Schauspieler und Musiker Riz Ahmed, dessen Eltern aus Pakistan stammen, musste während des Spiels von England gegen Uruguay im Stadion die Erfahrung machen, dass für einige Engländer*innen seine Hautfarbe und Nationalität unvereinbar sind. So twitterte er aus São Paulo:

[Ich war im Stadion von São Paulo, konnte es vor Spannung kaum aushalten, habe „Eng-er-land“ gesungen. In der Halbzeit werde ich von einem England Fan rassistisch beleidigt. Zweite Halbzeit kann ich einfach nicht singen.]

Twitter-Nutzer*innen aus England zeigten ebenfalls, dass sie den Sieg von Uruguay über England, für den in erster Linie der Stürmer Luis Suarez verantwortlich zeichnete, schwer verkraften konnten. Statt der viel beschworenen „Völkerverständigung“ führte der Spielausgang zu Gewaltphantasien und Morddrohungen:

 

[Sinngemäß: „Ich würde es großartig finden, wenn Suarez in den Mund geschossen werden würde].

Balotelli wehrt sich gegen Anfeindungen

Nach Italiens WM-Aus war wieder einmal Mario Balotelli ein Lieblingsziel enttäuschter Fans der italienischen Nationalmannschaft. Ihm wurde eine Hauptschuld am frühen Ausscheiden der Mannschaft gegeben. Und auch hier gab es die zu erwartenden rassistischen Anfeindungen. Balotelli sei kein richtiger Italiener, er solle aus der Nationalelf zurücktreten, heißt es beispielsweise in einem auf Instagram veröffentlichten Video. Auf dieses nahm Balotelli in einem Statement direkt Bezug: „Ich bin Mario Balotelli, ich bin 23 und ich habe es mir nicht ausgesucht, Italiener zu sein. Ich wollte es, weil ich in Italien geboren bin und immer in Italien gelebt habe“.

Auch in dieser Woche gab es also jede Menge Negatives zu berichten. Bedenklich stimmen die Unfähigkeit der FIFA, entgegen ihrer Ankündigung, diskriminierende Zwischenfälle während der WM auch tatsächlich zu bestrafen (auch die homophoben Gesänge mexikanischer Fans werden etwa nicht bestraft (ran.de)), sowie die Nichtbeachtung solcher Vorfälle in den deutschen Leitmedien. Wir sind auf die nächste Woche gespannt, und hoffen, dass es dann weniger zu berichten gibt.

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