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Franco A. vor Gericht Über die Selbstinszenierung eines mutmaßlichen Rechtsterroristen

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Anzugweste, Männerdutt, kariertes Hemd: Der Bundeswehrsoldat Franco A. vor Gericht in Frankfurt am Main
Anzugweste, Männerdutt, kariertes Hemd: Der Bundeswehrsoldat Franco A. vor Gericht in Frankfurt am Main (Quelle: picture alliance/dpa/Pool/Boris Roessler)

Als Franco A. am 24. Februar 2022 den Frankfurter Gerichtssaal betritt, wird es plötzlich still. Die üblichen leisen Unterhaltungen der Pressevertreter:innen und Zuschauenden verstummen angesichts des ungewohnten Anblicks, den der Angeklagte am heutigen Prozesstag bietet. Nach nicht weniger als 26 vergangenen Sitzungen im Staatsschutzverfahren gegen den Oberleutnant der Bundeswehr Franco A. hat sich der Erwartungshorizont der Anwesenden wohl verfestigt. Zuvor erinnerte das Aussehen des Angeklagten im karierten Hemd, oftmals mit Anzugweste, stylischem Männerdutt und gepflegtem Bart an einen Mate trinkenden Philosophiestudenten, der einem im Uni-Café die Welt erklärt. Heute aber, wirkt Franco A. in einem zu großen, fleckigen, dunkelrotem Hemd und mit offenen Haaren, ziemlich zerzaust und etwas mitgenommen.

Nicht selten große Reden schwingend, stellte sich Franco A. im bisherigen Verlauf des Prozesses entgegen der wachsenden Beweislast bezüglich seiner rechtsextremen Gesinnung gerne als missverstandener Patriot dar. Vor und nach Sitzungsbeginn, oftmals im entspannten Gespräch mit seinen Verteidigern, versuchte A. im Prozess immer wieder sich leidenschaftlich für unschuldig zu erklären. Von dieser anfänglichen Strategie des Angeklagten scheint nun wenig übrig. Die deutliche Abweichung von dieser Gewohnheit sorgt für angespannte Stille, während A. zum ersten Mal seit Prozessbeginn in Handschellen von einem Sicherheitsbeamten zu seinem Platz eskortiert wird.

Franco A. war im Februar 2017 erstmals festgenommen worden, als er eine Schusswaffe aus einem Versteck im Wiener Flughafen holte. Im Zuge der Ermittlungen stellte sich heraus, dass der Oberleutnant seit Dezember 2015 ein Doppelleben als syrischer Asylbewerber führte und bereits bei der Bundeswehr mit einer eindeutig rassistischen, von nationalsozialistischer Ideologie durchtränkten Masterarbeit aufgefallen war, jedoch ohne Konsequenzen. Verbindungen zu bekannten rechtsextremen Netzwerken, mehrere, von der Bundeswehr gestohlene Schusswaffen, Sprengstoff und verschiedene verdächtige Dokumente: Franco A. steht unter dem Verdacht der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. Der Prozess gegen ihn läuft seit Mitte Mai 2021 vor dem Oberlandesgericht in Frankfurt am Main.

Hintergrund des ungewohnten Anblicks vor Gericht Mitte Februar 2022 ist die erneute Festnahme von Franco A. am 13. Februar. Nachdem Sicherheitsbehörden beobachtet hatten, wie A. zwei Tage zuvor nach Straßburg reiste und mit einem weiteren Gepäckstück wieder in Offenbach angekommen war, wurde in einer S-Bahn-Station eine Polizeikontrolle durchgeführt und A. kurzzeitig festgenommen. Die Polizist:innen, die als Zeug:innen geladen wurden, um den Vorgang zu schildern, beschrieben, dass A. starken Widerstand leistete, bis zuletzt mehrere Beamt:innen und die Androhung eines Elektroschockers die Verhaftung ermöglichten. Videos der Festnahme, die Belltower.News vorliegen, zeigen einen verzweifelten und hysterischen Mann.

Die Auflistung der gesicherten Gegenstände sorgte unter den Anwesenden im Saal für Kopfschütteln: 23 Abzeichen mit Hakenkreuzen und NSDAP-Motiven, 21 Mobiltelefone, 50 Prepaid-Karten, ein gefälschter Impfpass und schriftliche Notizen gelten nun als mögliche Beweismittel im laufenden Prozess. Der vorsitzende Richter erließ angesichts dieser Entwicklung erneut Haftbefehl gegen Franco A., der sich nun erstmals seit seiner Freilassung nach siebenmonatiger U-Haft im Herbst 2017 wieder in Untersuchungshaft befindet – wegen Verdunkelungs- und Fluchtgefahr.

Im Saal ist auch seine Lebensgefährtin Sophia T. mit dem gemeinsamen, nur wenige Wochen alten Kind. T. ist die Tochter eines bekannten Neonazis und Schwester des rechtsextremen ehemaligen Bundeswehroffiziers Maximilian T., der zunächst als Komplize von A. verdächtigt wurde und später Mitarbeiter des AfD-Bundestagsabgeordneten Jan Nolte wurde. Sie soll Mitglied bei „Die Linke​​“ sein. Für Franco A. war ihre Anwesenheit offenbar unerwartet. Erst als der vorsitzende Richter die Sitzung unterbrach und T. wegen einer potentiellen Zeugenaussage bat, den Saal zu verlassen, blickte A. überrascht zu den Zuschauenden.

Die U-Haft war auch Thema vor Gericht. So begründete die Verteidigung ihre mangelnde Vorbereitung beispielsweise damit, dass der Angeklagte keinen Zugriff auf Prozess-relevante Dateien hatte. Diese würden sich auf konfiszierten Laptops befinden und außerdem habe A. in der JVA bislang keinen Computer zur Verfügung gestellt bekommen. Auf den Hinweis des Richters, dass doch die Verteidiger Zugriff auf die vollständigen Unterlagen haben und die Verteidigung entsprechend vorbereitet hätte sein können, wurde nicht weiter eingegangen.

Mit Franco A.s Aufenthalt in Untersuchungshaft begann ein neues Kapitel des Prozessgeschehens. Die sonst so lockere Stimmung der Verteidigung ist merklich angeschlagen. Die entspannten Gespräche zwischen A. und seinen Verteidigern blieben aus und der Eindruck einer angespannten Atmosphäre wurde mit dem Antrag des Verteidigers Johannes Hock bestätigt, der um Befreiung seines Mandats als Pflichtverteidiger in diesem Verfahren bittet. Der klaren Linie folgend, das Verfahren möglichst bald abzuschließen und keine Angriffsfläche für eine Wiederaufnahme zu bilden, lehnte der Senat diesen Antrag ab.

Dennoch zieht sich der Prozess. Aufgrund einiger Krankheitsfälle im Senat fielen mehrfach angesetzte Prozesstage aus, sodass die aktuelle Prozessplanung bis Ende Mai reicht. Franco A. macht einen erschöpften Eindruck. Die erneute Festnahme und der seither andauernde Aufenthalt in U-Haft sind ein Einschnitt im Prozessverlauf und die anstrengenden Bedingungen der Inhaftierung für den Angeklagten sicherlich nicht zu unterschätzen. Doch hinter A.s neuem Auftreten könnte auch Kalkül stecken. Denn A. inszeniert sich weiterhin als Opfer, allerdings dem veränderten Umstand der U-Haft angepasst. Er präsentiert sich nicht mehr, wie zu Beginn des Prozesses, als missverstandener Patriot und Ziel einer medialen „Hetzkampagne“, sondern als ein Opfer der langsam mahlenden Mühlen der Justiz, trotz der sich häufenden Beweise, zu Unrecht inhaftiert und angeklagt. Der nächste Prozesstermin ist für Freitag, den 8. April angesetzt.

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