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Prozess in Frankfurt a. M. Franco A. genießt die Bühne des Gerichtssaals

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Der Angeklagte Franco A. (M) sitzt am dritten Prozesstag im Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt zwischen seinen Anwälten Johannes Hock (l) und Moritz Schmitt-Fricke (M). Der Angeklagte soll aus mutmaßlich rechtsextremistischer Motivation Waffen beschafft haben, um Anschläge zu verüben. Dazu gab er sich laut Anklage als Syrer aus, um den Verdacht auf Geflüchtete zu lenken. (Quelle: picture alliance/dpa/Getty Images Europe/Pool | Thomas Lohnes)

Verschwundene Waffen und Munition aus Bundeswehrbeständen, NS-Devotionalien und rechtsextreme Chatgruppen. Im Jahr 2017 sorgen immer neue, erschreckende Details über Rechtsextremismus in der Bundeswehr für Schlagzeilen. Ein Name fällt dabei besonders oft: Franco A., Elitesoldat, Mitglied rechter Chat- und Preppergruppen und potentieller Rechtsterrorist.

Vier Jahre später und seit fünf Wochen verhandelt das Oberlandesgericht Frankfurt den Fall des Oberleutnants der Bundeswehr. In der Anklageschrift, die zur Eröffnung der Verhandlung am 20. Mai verlesen wurde, werden ihm Verstöße gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz, das Waffengesetz und das Sprengstoffgesetz vorgeworfen. Außerdem legt die Bundesanwaltschaft ihm Betrug und – der am schwersten wiegende Anklagepunkt – die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat zur Last. Benannt wird in der Anklage auch die „völkisch-nationalistische Gesinnung“ des Angeklagten. Die Bundesanwaltschaft geht davon aus, dass Franco A. unter falscher Identität als syrischer Flüchtling einen Anschlag auf hochrangige Politiker:innen oder Medienschaffende verüben wollte. Auf verschiedenen Listen, die bei ihm gefunden wurden, finden sich Namen wie Claudia Roth, Heiko Maas und Joachim Gauck. Alle Namen können als potentielle Anschlagsopfer aufgrund ihrer linken oder liberalen Haltung zu Einwanderung gelesen werden. Die Anklage geht davon aus, dass Franco A. mit einer sogenannten „False Flag“-Aktion die Stimmung in der Bevölkerung gegen Geflüchtete aufheizen wollte. A. war außerdem Mitglied in diversen Prepper-Chatgruppen, die sich auf den „Tag X“, also den Zusammenbruch der Staatsordnung, an dem die extreme Rechte die Macht übernimmt, herbeiführen wollte. Trotz dieser Vernetzung ist A. allein angeklagt, Verfahren gegen zwei mögliche Mitwisser wurden schon früh von seinem abgetrennt. Neben einer falschen Identität als syrischer Geflüchteter unter dem Namen „David Benjamin“, unter der Franco A. 15 Monate ein Doppelleben führte, verschaffte er sich über 1.000 Schuss Munition, mehr als 50 Sprengkörper sowie mehrere Waffen.

Vor Gericht hat Franco A. mittlerweile den Erhalt von Sach- und Geldleistungen aufgrund seiner falschen Identität als syrischer Geflüchteter, sowie den Besitz dreier Waffen und Munition zugegeben. Den Waffenbesitz gesteht A. in der zweiten Prozesswoche einigermaßen überraschend, doch zu den drängendsten Fragen will er sich nicht äußern: Woher er die Waffen bekommen hat und wo die Waffen sind, die bisher noch nicht gefunden wurden, dazu schweigt er. Seine Tarnung als Geflüchteter war bereits vor dem Prozess unstrittig und in der Öffentlichkeit bekannt. In der fünften Prozesswoche regt der Senat an, die Anklage wegen Betrugs fallen zu lassen. Richter Koller betont: „In diesem Verfahren geht es um was ganz anderes, viel Wichtigeres, als diesen wiedergutgemachten Betrug.“ Schließlich sei die Anklage der Vorbereitung einer staatsgefährdenden Straftat schwerwiegender und Franco A. habe das Geld, das er als Geflüchteter erhalten hatte, nach Auffliegen seiner Tat umgehend zurücküberwiesen.

Ausführliche Einlassungen und rassistische Einstellung

Das Schweigen zu Widersprüchen scheint Prozessstrategie von Franco A. zu sein: Insgesamt äußert er sich hauptsächlich zu dem, was entweder bereits bekannt oder zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht von Interesse ist. Anstatt konkrete Fragen zu beantworten, verliert A. sich in Allgemeinplätzen und Ausflüchten, die seine Handlungen rechtfertigen oder verharmlosen sollen. Bereits vor Prozessbeginn hat Franco A. beständig das Licht der Öffentlichkeit gesucht. Er gab zahlreiche Interviews, ließ sich für Homestories besuchen und tauchte auf Veranstaltungen der Grünen sowie beim Tag der Offenen Tür des Bundestages auf. Die Befürchtung, Franco A. könne den Prozess als Bühne nutzen und seine rechtsextremen Ansichten teilen, muss nach den ersten fünf Prozesswochen daher als berechtigt beurteilt werden. Der Angeklagte dominiert die Verhandlung und gibt immer wieder Einlassungen. Dabei versucht er, seine politische Gesinnung als harmlos zu verkaufen, ohne von seinem rechtsextremen Gedankengut abzuweichen. „Wenn Frau Haverbeck im Gefängnis, dann Befreiungsaktion“, steht auf einer seiner Listen. Bei Ursula Haverbeck handelt es sich um eine rechtsextreme Holocaustleugnerin. Franco A. gibt zu ihrer Person lediglich an, sie habe zum Holocaust „ihre eigene Meinung“ und dass man auch über historische Tatsachen „sachlich diskutieren“ können müsse. Als der Vorsitzende Richter Koller fragt, ob Franco A. rassistisch sei, verneint A. nicht direkt: Es gebe „abstammungstechnisch Unterschiede zwischen den Menschen“, ein Rassist sei jedoch erst der, der damit auch ein Problem habe, was auf ihn nicht zuträfe. In seiner ersten Einlassung bezieht er sich auf das Parteiprogramm der CDU von 2004, immer wieder führt er Artikel und Berichte aus bürgerlichen Medien an, in denen über Geflüchtete berichtet wird. Damit schließt er sich der Kontinuität eines rassistischen Diskurses an, in dem nun über kulturelle statt biologische Unterschiede gesprochen wird. Durch diese Bezugspunkte versucht er, sich selbst als staatstreuen und friedlichen Patrioten darzustellen und die bürgerlichen Medien als Legitimation seiner Haltung anzuführen. Die falsche Identität als Flüchtling habe er sich nur zugelegt, um investigativ Missstände der Asylpolitik aufzudecken. Zwischendurch schiebt er immer wieder ein, er sei für Frieden und Liebe, er wolle keine Spaltung zwischen links und rechts, Muslime und Christen sollten in Frieden miteinander leben. Diese Ausführungen decken sich in keinster Weise mit seinen rassistischen und antisemitischen Aussagen, Sprachaufnahmen und Notizen. Darüber hinaus stehen sie in krassem Gegensatz zum gewaltvollen Inhalt letzterer.

Vor dem Oberlandesgericht in Frankfurt am Main: Franco A. (Quelle: Helen Dabo)

Widersprüche in der Beweisaufnahme

Gegenstand der Beweisaufnahme sind in den ersten Prozesswochen Videos, die er unter falscher Identität in verschiedenen Geflüchtetenunterkünften aufnahm, eine Sprachaufnahme, die unerlaubt während seines Asylverfahrens lief, sowie verschiedene Notizzettel und Inhalte von WhatsApp-Nachrichten. Bei den Notizen handelt es sich unter anderem um die Listen, bei der die Bundesanwaltschaft von Todeslisten spricht. Sie geht davon aus, dass hier potenzielle Anschlagsziele notiert wurden. In der Vernehmung gibt A. immer wieder an, es handele sich lediglich um „Recherche-Listen“ mit Namen, zu denen er weiter recherchieren wollte. Gleiches gilt für Stichpunkte wie „Darknet“, „Handgranaten“ und „Molotowcocktails herstellen“. Auf Nachfragen, warum auf einigen Listen dann auch „Sprengung Rothschild-Stein FFM“ oder „Gruppe Antifa Granate Asylant werfen lassen, filmen“ steht, behauptet A., das könne er sich auch nicht erklären. Neben den genannten Namen, finden sich in den Notizen u.a. Zitate, alltägliche To-Dos aber auch eine Wegskizze zur Amadeu-Antonio-Stiftung, deren Geschäftsführerin Anetta Kahane ebenfalls auf mehrerer der Listen steht. In der Tiefgarage der Stiftung hat Franco A. Fotos von Autos aufgenommen, die ebenfalls zum Beweismaterial gehören. Angeblich wollte er hier mit Kahane diskutieren – die Tiefgarage habe er dabei nicht als unpassenden Ort empfunden, um mit einer fremden Frau über Asylpolitik zu sprechen.

In der vierten Prozesswoche ist Maximilian T., langjähriger Freund A.s, ebenfalls Soldat und Bruder von A.s Lebensgefährtin, vor Gericht als Zeuge geladen. Zwischenzeitlich stand er auch im Fokus der Ermittlungen gemeinsam mit A. Gewalttaten vorbereitet zu haben. Mittlerweile wurde die Anklage gegen ihn aus Mangel an Beweisen fallengelassen. T. arbeitet seit 2018 für den AfD-Bundestagsabgeordneten Jan Nolte und kandidierte zuletzt bei den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt für die AfD. Vor Gericht beruft sich T. auf sein Aussageverweigerungsrecht.

Fragwürdige Verteidigungsstrategie

Dass es so lange dauerte, bis Franco A. endlich vor Gericht steht, hängt auch damit zusammen, dass der Strafsenat die Klage der Bundesanwaltschaft ursprünglich ablehnte. Vier der fünf Richter:innen waren bereits bei der Ablehnung der Klage Teil des Senats, darunter auch Christoph Koller, nun vorsitzender Richter. Der Senat hielt den Vorwurf der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat damals für nicht haltbar: Franco A. hatte lange genug Zeit, einen Anschlag durchzuführen, ohne es getan zu haben. Auf diese Argumentation beziehen sich auch A. und seine Anwälte in diesem Prozess immer wieder, besonders wenn es um die Begründung der Aufrechthaltung des Geflüchtetenstatus geht. Nach der Absage legte die Generalbundanwaltschaft Beschwerde beim Bundesgerichtshof ein, sodass der Strafsenat die Anklage schließlich doch annehmen musste. Während die Richter:innen in den ersten Prozesstagen zurückhaltend waren und A. in seinen ausschweifenden Ausführungen kaum unterbrachen, hat sich der Verhandlungsstil mittlerweile gewandelt. Am vierten Prozesstag reicht es dem vorsitzenden Richter Koller: A. gestehe nur das, was sowieso bereits bekannt sei. Er konfrontiert A. mit der Unglaubwürdigkeit seiner Einlassungen und mahnt: „Wir klären das auf“. A.s Einlassungen seien nicht dafür geeignet, ihn zu entlasten: Das wäre nur möglich, wenn er bereit sei, Widersprüche tatsächlich aufzuklären und über die konkreten Anklagepunkte zu sprechen.

Die langen Einlassungen Franco A.s

Bisher ist der Prozessverlauf geprägt durch die langen Einlassungen Franco A.s, die zunehmend unterbrochen werden. Die Verteidigungsstrategie A.s und seiner Verteidiger Moritz Schmitt-Fricke und Johannes Hock, A. als friedlichen Patrioten mit einem ungestillten Interesse für Ungerechtigkeit darzustellen, scheint zunehmend nicht aufzugehen. Zu Prozessbeginn behauptete Schmitt-Fricke der Presse gegenüber, dass A. „Opfer von Hetze“ sei. Warum die Anwälte die langen Einlassungen Franco A.s nicht verhindern, nachdem der Senat oft betont hat, dass Franco A. bislang nichts Entlastendes zugegeben hat, bleibt bisher offen. Der Senat hat bereits mehrmals danach gefragt, ob A. sich mit seinen Anwälten nicht über seine Einlassung beraten habe. Beide Anwälte sind nicht bekannt aus vorherigen Prozessen mit Mandanten rechter oder rechtsextremer Gesinnung.

Solange A. sich aber zu den Fakten so verhalten äußert, muss eine umfassende Beweisaufnahme und Zeug:innenverhörung durchgeführt werden. Bereits jetzt ist klar, dass der Prozess, der eigentlich im August hätte enden sollen, sich mindestens bis in den Oktober weiterziehen wird.

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