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„Freunde aktueller Kunst“ Neonazis bedrohen Zwickauer Kunstverein

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Galerist Klaus Fischer (Quelle: Freunde aktueller Kunst)

Die „Freunde aktueller Kunst“ in Zwickau gehören zu den renommiertesten Kunstvereinen im Osten Deutschlands. Seit Jahren wird die Galerie jedoch von Neonazis bedroht. Wie geht ein Kunstverein also ganz konkret damit um, wenn er im Jahr 2021 Zielscheibe eines rechten Kulturkampfes wird?

Die Geschichte der Einschüchterungsversuche und Angriffe von Rechts auf den renommierten Kunstverein in Zwickau beginnt nicht erst diesen Sommer. Bereits vor drei Jahren wurden rechtsextreme Gruppen bei einer Gruppenausstellung von 75 Leipziger Malerinnen auf den Kunstverein „Freunde aktueller Kunst“ am neuen Standort in der Innenstadt aufmerksam, bei der „nicht deutsch klingende Namen an der Fensterfront angebracht waren“, wie der Künstlerische Leiter und Vereinsvorsitzende Klaus Fischer Belltower.News berichtet. Es kam zu ersten Provokationen aus dem rechtsextremen Milieu. Mittlerweile gibt es bundesweite Solidaritätsbekundungen, da sich die Situation zunehmend zuspitzt:

Bei der Eröffnung der Ausstellung von „Pipilotti Rist“ im Juli 2021 mobilisierten die Rechtsextremen erstmals auch aus anderen Städten und versammelten sich skandierend, mit Trommeln und Spruchbändern vor dem Gebäude in Zwickau. Die Störversuche reichen von Megafonlärm und Flugblätter über das Abfilmen der Besuchenden bis hin zu Anzeigen gegen Herrn Fischer persönlich, wie er berichtet.

Bei der darauffolgenden Eröffnung im Oktober 2021 kam es erneut zu Mobilisierungen und Angriffen. In den letzten Jahren erfuhr die rechtsextreme Szene spürbar Zuwachs, in letzter Zeit auch aus dem radikalen Querdenkermilieu, so Fischer gegenüber Belltower.News. Die Angreifer:innen um den extremrechten Nazikader Torsten Graslaub fordern die Streichung aller öffentlichen Gelder, sowie das Ausstellen „völkisch regionaler Kunst“ erklärt uns Fischer. Auch der medienwirksame Rechtsextreme Nikolai Nerling, bekannt als der „Volkslehrer“, versuchte sich Zutritt zum Kunstverein zu verschaffen, wie bereits der MDR berichtete. Videos und Stellungnahmen der Kader werden anschließend in einschlägigen Blogs veröffentlicht.

Der Bereich der Kunst und Kultur steht im Kulturkampf von Rechts stellvertretend für eine offene, demokratische und tolerante Gesellschaft. Symbolhaft wird an ihm ein Liberalismus bekämpft, um antimoderne und kulturpessimistische Positionen zu legitimieren. Diese Bedrohung erkannte und adressierte bereits 2018 das regionale und länderübergreifende Netzwerk mit den „Erklärungen der VIELEN“, bei denen die „Freunde aktueller Kunst“ zu den Erstunterzeichnenden gehören. Die VIELEN setzten ein Zeichen gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und Rechtsextremismus, als sich damals 140 Kulturinstitutionn aus ganz Deutschland für die Freiheit der Kunst, die Stärkung der Demokratie und gegen Einschüchterungsversuche aus dem rechten Spektrum positionierten.

In einer mittelgroßen Stadt wie Zwickau stellt sich schnell die Frage nach Bündnissen und gegenseitigen Unterstützungsstrukturen, um auf die Eskalationen zu reagieren.

Die „Freunde aktueller Kunst“ machten hier sehr unterschiedliche Erfahrungen. So erlebten sie von Seiten der Polizei in mehreren Fällen Versuche der Täter-Opfer-Umkehr. Auch die Oberbürgermeisterin Constance Arndt („Bürger für Zwickau“) bagatellisiert die Lage und übernimmt wenig Verantwortung. Und das in einer Stadt, in der die AfD mit 24 Prozent stärkste Kraft ist und Angriffe von rechts zunehmen.

10 Jahre nach der Selbstenttarnung des NSU, dessen Mitglieder seinerzeit jahrelang unerkannt in Zwickau lebten, bemüht Arndt in einem Interview mit dem MDR Sachsenspiegel weiterhin das Einzeltäternarrativ, statt konkrete Handlungsschritte einzuleiten. Sie scheint nicht zu bemerken, wie sie das Bild von Zwickau als potentielle rechtsextreme Brutstätte aufrecht hält. Und das nicht nur für etablierte Nazinetzwerke, sondern auch für jede Person, die sich nun einmal mehr überlegt, ob sie in dieser Stadt leben oder sie auch nur sicher bereisen könnte. Kann das in ihrer beruflichen Position noch als Naivität, Strategie oder Bildungslücke abgetan werden? Oder muss man nicht eigentlich klares politisches Versagen konstatieren, dass weitere Diskursverschiebungen nach rechts legitimiert?

Zu Recht fordert der Rechtsanwalt und ehemalige Vertreter der Nebenklage im NSU-Prozess Mehmet Daimagüler auf einem Podium zu 10 Jahren NSU Aufarbeitung in Zwickau im November 2021: „Sie müssen einfach Ihren Job machen und dazu gehört es auch, klare Ansagen zu machen.“

Am 13. Dezember 2021 unterzeichnete Constanze Arndt dann einen Offenen Brief des Zwickauer Demokratiebündnisses, der sich dezidiert dagegen ausspricht, dass Zwickau „zum Abenteuerspielplatz der Rechtsextremen und Coronaleugnenden“ wird. Ob es sich hierbei um reine Symbolpolitik angesichts des steigenden Drucks oder um tatsächliches Umdenken handelt, wird sich erst in Zukunft zeigen. Ihr derzeitiges Handeln bezeugt jedenfalls allemal, dass es sich auszahlen kann, Politiker:innen vehement in die Verantwortung zu ziehen. Es bleibt abzuwarten, welche weiteren Maßnahmen von Seiten aller Beteiligten folgen werden.

Der Kunstverein hingegen setzt seit Jahrzehnten Gegenimpulse in der Stadt und bezieht klar Stellung. So zum Beispiel als die „Freunde aktueller Kunst“ 2018 ein großes, mehrsprachiges Transparent mit dem Schriftzug „Wir (alle) sind das Volk“ von Hans Haacke über Monate am Marktplatz installierte. Immer wieder positionierte sich der Kunstverein mit politischen Projekten und wird sich auch in Zukunft nicht einschüchtern lassen. Und trotzdem sei es „schockierend gewesen plötzlich dieser Bedrohung und diesem Hass ausgesetzt zu sein“, so Fischer.

Wie geht ein Kunstverein also ganz konkret damit um, wenn er im Jahr 2021 Zielscheibe eines rechten Kulturkampfes wird? Und was können andere davon lernen? Klaus Fischer hat hierzu eine klare Haltung: „Kunst als gesellschaftlicher Standpunkt ist immanent politisch und sehr wichtig im Zurückdrängen rechtsextremer Tendenzen.“ Eine vermeintliche Neutralität existiert somit nicht. Gerade Aktionen im öffentlichen Raum böten sich an, um relevante Positionen zu untermauern.

Nach den Eskalationen im Sommer reagierten die „Freunde aktueller Kunst“ schnell und organisierten Workshops für alle Vereinsmitglieder und weitere Interessierte zum Thema „Hilfe und Selbsthilfe“, erklärt Klaus Fischer weiterhin. Parallel dazu entsteht derzeit ein Netzwerk von Betroffenen, darunter Einzelpersonen und andere Institutionen.  Einerseits weil, so Fischer, man schon verloren habe, wenn man sich dem Ganzen als „Alleinkämpfender“ aussetze. Und andererseits zum regelmäßigen Austausch über Erfahrungen und Vorgehensweisen.  Neben den entstehenden Bündnissen betont Fischer die wichtige Rolle einer großen medialen Öffentlichkeit. Aufmerksamkeit, die außerhalb der Kontrolle von rechtsextremen Gruppierungen liege, sei enorm wertvoll.

Er wünscht sich auch von Seiten der Stadt und Politik klare Signale. Man könne zusätzlich beeinflussen, wo die Märsche der Rechtsextremen langführten, gegebenenfalls Hausverbote aussprechen und auch dann seien die Mittel der Justiz noch nicht ausgeschöpft. Durch zivilgesellschaftliches Engagement soll der Druck nun weiter erhöht, neue Bündnisse geschaffen und die Bedrohungslage weiter zurückgedrängt werden.

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