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Graz Auf einen antisemitischen Anschlag folgt rechte Hetze

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Flagge zeigen: Eine Solidaritätskundgebung nach dem Angriff auf den Präsidenten der jüdischen Gemeinde in Graz.
Flagge zeigen: Eine Solidaritätskundgebung nach dem Angriff auf den Präsidenten der jüdischen Gemeinde in Graz. (Quelle: picture alliance / Ingrid Kornberger / APA / picturedesk.com)

Die selbsternannte Stadt der Menschenrechte ist erschüttert. Dreimal ist die jüdische Gemeinde in der vergangenen Woche Ziel antisemitischer Angriffe geworden. Dreimal konnte derselbe Täter zuschlagen. Zuerst beschmierte er die Grazer Synagoge mit pro-palästinensischen Parolen. Danach schmiss er ein Fenster ein und am Samstag griff er, mit einem Stuhlbein bewaffnet, den Präsidenten der jüdischen Gemeinde, Elie Rosen, unmittelbar vor der Synagoge an. Rosen konnte sich glücklicherweise in sein Auto retten und blieb unverletzt.

Nach Bekanntwerden der dritten Tat kündigte die österreichische Regierung erhöhten Polizeischutz für alle jüdischen Einrichtungen in Österreich an. Die Grazer Polizei steht nach der Wiederholungstat in der Kritik. Es bleibt die Frage offen, warum die Polizei nicht früher reagierte und die Synagoge verstärkt schützte, erst recht als klar war, dass sie vermehrt zum Ziel antisemitischer Attacken wird. Eine Einsicht, dass man die Situation unterschätzt hat, ist von der Polizei bisher nicht zu hören gewesen. Die Grazer Polizei sah sich erst kürzlich Kritik ausgesetzt, nachdem öffentlich bekannt wurde, dass in internen Nachrichten Bilder ausgetauscht wurden, die den Nationalsozialismus verherrlichen.

Islamistisches Motiv

Der mutmaßliche Angreifer, ein 31-jähriger Syrer, wurde mittlerweile festgenommen und zeigt sich geständig. Wie „Der Standard“ berichtet, geht die Polizei von einem islamistischen Tatmotiv aus. Der Verdächtige habe zudem weitere Delikte gestanden, darunter ein Angriff gegen eine Einrichtung der Grazer LGBTIQ*-Community und auf eine katholische Kirche. Der Chefinspektor Fritz Grundnig von der Landespolizeidirektion Steiermark erklärte der „Wiener Zeitung“: „Der Täter hat eine klar islamistische Überzeugung. […] Er ist von Hass gegenüber Israel, Juden, Schwulen, Lesben und Prostituierten erfüllt.“

Das rechtspopulistische Milieu sieht in der Herkunft und in dem Motiv des Täters eine Chance, Hass zu schüren und rassistisch gegen Geflüchtete zu hetzten. Die FPÖ Steiermark wirft den Regierungsparteien vor, durch ihre Asylpolitik verantwortlich für die Tat zu sein. Die Tat wird auf diese Weise politisch instrumentalisiert. Dabei wird das bei Rechten beliebte Bild des „importierten Antisemitismus“ verwendet. In diesem Bild wird einerseits allen Geflüchteten pauschal Antisemitismus unterstellt und andererseits so getan, als habe es in Europa vor der vermeintlichen „Flüchtlingskrise“ kein Problem mit Antisemitismus gegeben. Der Begriff „importiert“ suggeriert zudem, dass der Antisemitismus absichtlich ins Land geholt werden würde. In Deutschland hört man besonders häufig die „AfD“ vom „importierten Antisemitismus“ sprechen. Dabei ist es statistisch belegt, dass antisemitische Straftaten überwiegend von rechts begangen werden.

Screenshot von „Twitter“

Breite Solidarität und warnende Worte

Schon am Samstagabend fanden sich im strömenden Regen um die 30 Menschen zu einer Mahnwache vor der Grazer Synagoge ein. Am Sonntag riefen die „Jüdisch österreichischen HochschülerInnen“ zu einer Kundgebung auf, an der laut Polizei um die 200 Menschen teilnahmen. Die Politik zeigt sich nach Bekanntwerden der Taten überwiegend bestürzt und solidarisiert sich mit der jüdischen Gemeinde. Bundespräsident Alexander van der Bellen schrieb auf “Twitter”: „[…] Judenhass und Antisemitismus haben keinen Platz in unserer Gesellschaft. Meine Solidarität gilt allen in Österreich lebenden Jüdinnen und Juden.“ Kultusministerin Susanne Raab (ÖVP) sprach von einem “Angriff auf unsere Wertegemeinschaft” und dass man sich die „Schnittstelle von Islamismus und dem politischen Islam“ zum Antisemitismus genauer anschauen müsse. Es dürften aber keine Pauschalurteile über Migrantinnen und Migranten gefällt werden.

Elie Rosen selbst bedankte sich in einem „Facebook“-Post für die Solidaritätsbekundungen, sprach sich aber gleichzeitig gegen die politische Instrumentalisierung aus, egal aus welcher Richtung. Er habe in der Vergangenheit immer wieder darauf hingewiesen, dass dem israelbezogenen Antisemitismus eine immer größere Bedeutung zu kommt. Die Unterstützer*innen der BDS-Bewegung, denen es ja angeblich nur um die Kritik am Staat Israel ginge, habe er in den letzten Tagen nur schweigend wahrgenommen. Rosen meint „wer die Existenz eines israelbezogenen Antisemitismus, ja einen Zusammenhang zwischen dem Haß gegenüber dem Staats Israel und einen Hass gegenüber Juden zu verneinen können meint, der leugnet jene Realität, wie sie sich der Jüdischen Gemeinde in Graz in den letzten Tagen offenbart hat.“ Rosen reagiert damit auf Stimmen, die den pro-palästinensischen Schmierereien nichts Antisemitisches abgewinnen könnten. Die pro-palästinensischen Parolen seien eben nicht an einem Würstelbude am Grazer Hauptplatz aufgetaucht, sondern an einem jüdischen Gebetshaus.

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