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„Gruppe Wagner“ Putins rechtsextreme Schattenarmee

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Die „Gruppe Wagner“: eine paramilitärische Söldnerarmee, die sich für Russlands Interessen einsetzt
Die „Gruppe Wagner“: eine paramilitärische Söldnerarmee, die sich für Russlands Interessen einsetzt (Quelle: picture alliance/imageBROKER/Siegra Asmoel)

Seit Wochen agieren sie offenbar in der Ukraine mit einer klaren, brutalen Mission: Den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu ermorden. Mehr als 400 russische Söldner sollen mit diesem Befehl aus Afrika in die Ukraine geflogen sein. Sie gehören einem privaten Militärunternehmen an, kurz PMC: die „Gruppe Wagner“, ein Paramilitär, das offenbar vom russischen Oligarchen Jewgeni Prigoschin finanziert wird (siehe Deutschlandfunk). Prigoschin steht dem russischen Präsidenten nahe, der Gastronomie-Magnat wird als „Putins Koch“ bezeichnet. Auf der Todesliste der „Gruppe Wagner“ stehen auch 23 weitere Regierungsvertreter:innen der Ukraine, wie Premierminister Denys Schmyhal und der Kiewer Bürgermeister Vitali Klitschko. Das berichtet die britische Times.

Der mutmaßliche Gründer der „Gruppe Wagner“ ist Dmitri Utkin: ein Verehrer des Nationalsozialismus, der SS-Tattoos auf seinen Schultern trägt. Auf seiner Brust: Ein Reichsadler. Ein Foto von einem Einsatz in Syrien zeigt offenbar Utkin mit einem Wehrmachtshut, wie die Rechercheplattform Inform Napalm berichtet. Genannt hat er das PMC nach seinem Kampfnamen „Wagner“ – ein Name, den er gewählt haben soll, weil Richard Wagner der Lieblingskomponist Hitlers war.

Utkin ist ein Veteran des ersten und zweiten Tschetschenienkriegs. Bis 2013 diente er als Oberstleutnant der 2. Spezialaufklärungsbrigade im GRU, dem Militärnachrichtendienst der russischen Armee. Danach arbeitete er für private Sicherheitsfirmen wie das „Slawische Korps“ und kämpfte im syrischen Bürgerkrieg als Söldner (siehe The Interpreter). Dort sollte das „Slawische Korps“ syrische Ölfelder und Raffinerien bewachen – die letzten ökonomischen Lebensadern des Kreml-Verbündeten Assad. Der Einsatz war ein Fehlschlag, fünf Kämpfer fielen. Und da Söldnerei nach russischem Gesetz illegal ist, wurden die restlichen Söldner bei ihrer Rückkehr nach Moskau vom Geheimdienst FSB festgenommen.

Doch für Utkin hatte die Episode offenbar wenige Konsequenzen, im Gegenteil. Am 9. Dezember 2016 war Utkin im Kreml zu Gast beim „Tag der Helden des Vaterlands“. Dort wurde er mit Putin höchstpersönlich fotografiert und bekam den Tapferkeitsorden. Wofür genau, bleibt unbekannt. Doch ein Blick auf seine Vita nach seiner Rückkehr aus Syrien lässt nichts Gutes ahnen.

Denn seit 2014 tritt Utkin mit der „Gruppe Wagner“ in Erscheinung, zunächst auf der Krim, die Putin annektierte, dann im ostukrainischen Donbas, wo prorussische Separatisten gegen ukrainische Streitkräfte kämpften und im Februar 2022 Putin die sogenannten „Volksrepubliken“ Donezk und Luhansk als „unabhängige Staaten“ anerkannte, bevor Russland in die Ukraine einmarschierte. Eine Schattenarmee, von der Putin offiziell nichts wissen will, die sich aber stets nur für russische Interessen einsetzt – nun auch wieder in der Ukraine.

Und eine Gruppe, die ihre rechtsextreme Ideologie durch einschlägige Symbole der Szene kundtut: So verwendet die „Gruppe Wagner“ etwa Runen der SS auf Kampffahrzeugen und Uniformen. Im Kampf gegen ukrainische Streitkräfte in Donbas trugen Utkin und seine Söldner Stahlhelme der Wehrmacht, wie die russische Onlinezeitung Fontanka berichtet. In der Ostukraine soll laut dem Thinktank Soufan Center die „Gruppe Wagner“ auch zusammen mit paramilitärischen Gruppen wie der rechtsextremen „Russischen Reichsbewegung“ gekämpft haben. Während ihrer Einsätze in Libyen sollen „Wagner“-Söldner zudem Hakenkreuze und SS-Runen an Gebäude, unter anderem Moscheen, gesprüht haben.

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Zunächst kommandierte Utkin nur eine Handvoll Söldner, inzwischen ist die „Gruppe Wagner“ eine kleine Armee: Laut Bloomberg hatte das PMC im Jahr 2017 6.000 Kämpfer. 2016 verfügte sie über mindestens vier Kompanien mit Panzern, Artillerie und Raketen. Ein anonymer Mitarbeiter des ukrainischen Geheimdienstes sagte der Kyiv Post: „Kein privates Militärunternehmen auf der ganzen Welt hat eine so starke Feuerkraft“.

Nach ihrem Einsatz in Donbas 2014-2015 war die „Gruppe Wagner“ wieder in Syrien aktiv, wo sie sich sogar eine Militärbasis mit der russischen Armee teilte. In einem Video von einem „Wagner“-Söldner aus 2019 wird ein syrischer Häftling gefoltert, enthauptet, zerstückelt und schließlich angezündet. Auch in Sudan, der Zentralafrikanischen Republik, Libyen, Mozambique, Mali und Venezuela soll das private Militärunternehmen in sogenannten „Black Ops“ – verdeckten Operationen – agiert haben. Die „Gruppe Wagner“ soll laut BusinessDay über Büros in 20 afrikanischen Ländern verfügen. Ihre Einsätze dienen häufig der Destabilisierung von Staaten. Als drei russische Journalist:innen 2018 in die Zentralafrikanische Republik als Teil einer Recherche zur „Gruppe Wagner“ reisten, wurden sie unter dubiosen und unaufgeklärten Umständen ermordet, wie die New York Times berichtet.

Obwohl die „Gruppe Wagner“ offiziell ein privates Militärunternehmen ist, fungiert sie de facto als verlängerten Arm des Kremls. Oder wie die Kyiv Post es 2018 formulierte: Sie macht Russlands „Drecksarbeit“. Paramilitärs wie die „Wagner Gruppe“ erlauben Russland eine vermeintlich glaubhafte Abstreitbarkeit, so offenbar die Einschätzung Moskaus (siehe New York Times). Putin behauptet, nichts von den Einsätzen der paramilitärischen Gruppe rund um den Globus zu wissen. So kann Russland sich in Konflikte und Kriege einmischen – ohne offizielle Kriegsbeteiligung, ohne offiziellen Verluste: „Soldaten? Welche Soldaten?“ Mit dem Einsatz von Söldnern ist Putin aber nicht alleine: Auch andere Staaten wie die USA und Großbritannien setzen auf private Dienstleister in Konflikten: So beschäftigte das US-Verteidigungsministerium 2016 rund 30.000 „Contractors“ in Afghanistan.

Auf Instagram posiert die rechtsextreme „Task-Force Rusitsch“ mit Valknut-Flaggen (Quelle: Screenshot)

Zum Netzwerk der „Wagner Gruppe“ gehört offenbar auch die „Task-Force Rusitsch“ (auf Englisch: „Rusich“). „Rusitsch“-Söldner posieren in den sozialen Medien mit Valknut-Logos und -Flaggen, einem germanischen Dreieck-Symbol, das in der rechtsextremen Szene häufig verwendet wird. In Fotos auf Instagram während eines Einsatzes in Syrien zeigen Mitglieder den Hitlergruß. Dort kämpfte die „Task-Force“ offenbar auch gegen die Terrorgruppe Islamischer Staat, wie Fotos auf Instagram nahelegen. „Rusitsch“ ist laut The Daily Beast aus der ultranationalistischen und neonazistischen Szene in Sankt Petersburg entstanden. Führende Köpfe des Bataillons sind Alexey Milchakov und Yan Petrovsky, die die Gruppe 2014 gegründet haben sollen, nachdem sie am paramilitärischen Training-Programm „Partizan“ der „Russischen Reichslegion“ teilnahmen – dem paramilitärischen Arm der „Russischen Reichsbewegung“.

Hitlergruß in Syrien: Die „Task-Force Rusitsch“ lädt Fotos aus Kriegsgebieten auf Instagram hoch (Quelle: Screenshot)

Die „Task-Force Rusitsch“ gilt als besonders brutal: Während ihres Einsatzes in Donbas im September 2014 tötete die paramilitärische Gruppe Dutzende Freiwilligen auf ukrainischer Seite. Sie teilten Fotos in den sozialen Medien, auf denen sie ihre Leichen verstümmelten oder anzündeten. Menschenrechtsorganisationen werfen „Rusitsch“ Foltermethoden vor. In Donbas soll „Rusitsch“ zudem Kriegsverbrechen begangen haben (siehe The New America). Und nun sind sie offenbar wieder auf ukrainischem Boden. Bereits im Oktober 2021 deutete „Rusitsch“ auf Instagram an, dass die Gruppe bald in der ukrainischen Stadt Charkiw eingesetzt werden würde. Seit Januar 2022 ist es auf der ansonsten auch in Kriegssituationen aktiven Instagram-Seite der Gruppe auffällig still geworden.

Zwischen 2.000 und 4.000 Söldner der „Gruppe Wagner“ sollen laut The Times inzwischen in der Ukraine sein – mit unterschiedlichen Missionen. Was diese sind, ist noch nicht bekannt. Westliche Geheimdienste warnen aber seit Wochen von „False Flag“-Attacken in der Ukraine – verdeckte Operationen, um das Land zu destabilisieren. Nach Bekanntwerden des Selenskyj-Mordplans reagiert der ukrainische Präsident wie mittlerweile typisch für ihn: kühl, gelassen, unbeeindruckt. Die Regierung in Kiew hat eine harte 36-stündige Ausgangssperre in der Hauptstadt verhängt: Wer auf der Straße gesichtet wird, wird für einen Saboteur gehalten. Seit Dienstagmorgen steht nun ein 64 Kilometer langer Konvoi russischer Militärfahrzeuge kurz vor der Hauptstadt. Der Kampf um Kiew steht kurz bevor. Doch mit der „Gruppe Wagner“ sind russische Streitkräfte schon längst dort.

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