Weiter zum Inhalt Skip to table of contents

Impffrei.work Die Jobbörse für Impfgegner:innen

Von|
Impffrei.work beschreibt sich auf der Webseite als „die alternative Jobbörse“ – und vermittelt Ungeimpfte mit Stellen in Seniorenpflegeheimen
Impffrei.work beschreibt sich auf der Webseite als „die alternative Jobbörse“ – und vermittelt Ungeimpfte mit Stellen in Seniorenpflegeheimen (Quelle: Webseite-Screenshot)

Schon das Logo der Jobbörse ist eine klare Ansage: Eine Faust, die eine Impfspritze kaputtschlägt. Arbeiten ohne Impfung, Ausgrenzung und Diskriminierung – so verspricht es das deutschsprachige Stellenportal Impffrei.work. Gleichzeitig verbreitet die Jobbörse Desinformationen und Verschwörungserzählungen rund um das Coronavirus. Das Interesse ist dennoch groß: 99 offene Stellen in der Kategorie „Handwerk und gewerblich-technische Berufe“ werden aktuell angeboten. Auch in der Gastronomie sind auf der Jobbörse 27 Stellen für Ungeimpfte frei – obwohl zumindest für Gäste aktuell nahezu flächendeckend die 2G-Regel gilt.

Besonders besorgniserregend: 70 Stellen gibt es auf dem Impfgegner-Portal im Gesundheitswesen. Zum Beispiel als Altenpfleger:in im Seniorenpflegeheime Aurelius-Hof im hessischen Mainhausen. Bewerber:innen solle der Beruf zugleich auch eine Berufung sein, zudem müssten sie Zeit für Menschlichkeit haben, heißt es in der Stellenausschreibung auf Impffrei.work. Doch eine Impfung gegen Sars-CoV-2, um ältere Risikopatient:innen in der Einrichtung vor einem tödlichen Virus zu schützen, gehört offenbar nicht dazu. Auf eine telefonische Anfrage von Belltower.News bestätigt eine Mitarbeiterin vom Aurelius-Hof, dass die Ausschreibung authentisch sei und von dem Pflegeheim auf dem Impfgegner-Portal hochgeladen worden sei. Auf Nachfrage, wie viele Pflegekräfte in der Einrichtung ungeimpft sind oder ob Ungeimpfte im Bewerbungsprozess bevorzugt werden, will sie aber keine Auskunft geben.

Anfang Dezember 2021 beschloss der Bundestag mit überwiegender Mehrheit eine Impfpflicht in Pflegeeinrichtungen und Kliniken. Bis zum 15. März 2022 müssen Beschäftigte Nachweise als Geimpfte oder Genesene vorlegen müssen – oder eine Arzt-Bescheinigung, dass sie nicht geimpft werden können. Das gilt nicht nur für Pfleger:innen, Ärzt:innen, Arzthelfer:innen und medizinische Fachangestellte, sondern auch für Reinigungskräfte, Köche und Handwerker:innen.

Das Seniorenpflegeheim in Mainhausen ist kein Einzelfall: Eine Schmerztherapiepraxis in Neu-Isenburg bei Frankfurt am Main sucht etwa eine Arzthelferin „mit alternativer gesundheitlicher Einstellung“. Eine Naturheilkunde-Arztpraxis in Kiel braucht eine Service-Mitarbeiterin, die unter anderem Patient:innen empfangen oder Akupunktur-Nadeln ziehen soll. Erfahrung im medizinischen Bereich sei nicht erforderlich. Oder eine Frau im ländlichen Nordhessen sucht eine ungeimpfte Alltagsbegleiterin für ihre ältere allein lebende Mutter, die mit vaskulärer Demenz diagnostiziert sei.

Im Bereich der pseudowissenschaftlichen, sogenannten „Alternativmedizin“ kommt das Impfgegner-Portal Impffrei.work offenbar gut an. Doch viele wollen mit Belltower.News nicht öffentlich darüber sprechen. Anruf bei der Apotheke Neue Löwen im rheinland-pfälzischen Bellheim. Auf der mit der Cartoon-Schriftart „Comic Sans“ designten Webseite heißt es, dass die Apotheke neben einer „professionellen Beratung zu klassischen Medikamenten aus der Schulmedizin“ auch über „alternative Medizin“ wie Homöopathie informiere. Aktuell sucht die Apotheke eine:n neue:n Apotheker:in – auch mithilfe der Impfgegner-Jobbörse Impffrei.work. Am Telefon bestätigt der Inhaber, dass er die Stellenausschreibung dort veröffentlichte, will aber keine weiteren Angaben gegenüber Belltower.News machen. Auch zu den antiwissenschaftlichen und verschwörungsideologischen Inhalten auf der Online-Jobbörse will er nichts sagen.

Dabei gibt es viele problematische Beiträge auf Impffrei.work. Denn lediglich um eine Skepsis gegenüber bestimmten Impfstoffen geht es den Betreiber:innen wohl kaum. In Blogbeiträgen lassen sie keinen Zweifel über ihren Hang zu Verschwörungserzählungen und Desinformation. „Das Coronamärchen – Viruslüge verständlich erklärt“, heißt etwa ein Beitrag vom 18. Dezember 2021. Auf der Webseite schreibt Impffrei.work von der „sogenannten Pandemie“. In anderen Beiträgen behauptet das Portal, dass die Impfstoffe gegen Covid-19 „eine Explosion von Krebs, Immunschwäche, Autoimmunerkrankungen und beschleunigtes Altern“ auslösen würden. Oder dass das „toxische Spike-Protein“ von Geimpften an Ungeimpfte übertragen werden könne. Behauptungen, die wissenschaftlich unhaltbar sind.

Vor allem die neu entwickelten mRNA-Impfstoffe wie von Moderna und Biontech werden auf Impffrei.work stark kritisiert. Diese seien, so das Portal, einerseits unwirksam, andererseits verursachten sie schwere gesundheitliche Schäden. mRNA-Impfstoffe seien zudem „Gentherapie“ und enthielten Teile, die „nicht für den menschlichen Gebrauch“ bestimmt seien. Konkrete Beweise dafür liefert Impffrei.work nicht. Stattdessen wird auf dubiosen Webseiten verlinkt.

Wer hinter Impffrei.work steckt, ist nicht bekannt. Im Impressum verweigern sich die Betreiber:innen, einen Verantwortlichen für die Inhalte zu nennen. „Wir erhalten Hinweise und Aufforderungen von selbsternannten Blockwarten, aber auch von verunsicherten Menschen, die meinen wir müssen ein Impressum hinterlegen, da dies zwingend Notwendig sei“, steht da (Fehler im Original). Sie sehen sich als kostenlose Dienstleistung nicht verpflichtet, ein gültiges Impressum bereitzustellen, heißt es weiter. Als Partner der Jobbörse sind die „Querdenken“-nahe „Whistleblower“-Plattform „Mutigmacher“ sowie ein Impfgegner-Blog für Desinformationen rund um das Thema Covid-19 ebenfalls ohne Impressum genannt. Aus Angst vor rechtlichen Konsequenten haben die Betreiber:innen von Impffrei.work zudem gleich mehrere URLs sowie einen Link für das verschlüsselte Tor-Netzwerk für ihre Webseite registriert – Alternative „wegen Zensur“.

Impffrei.work wurde offenbar im Sommer 2021 gegründet: Die Webseite wurde erstmals von der Wayback Machine im Juni 2021 archiviert. Tatsächlich ist es bereits zu Cyberattacken gegen sie Seite gekommen: Im Juni 2021 nahm das Hacker-Kollektiv Anonymous Germany mit einem DDOS-Angriff die Jobbörse offline. Für Impffrei.work offenbar Teil eines geheimen Plans der Regierung: „Die BRD scheint die Hose voll zu haben, man hat die Antifa Spinner aka Fake Anonymous beauftragt, einen weiteren kriminellen Angriff zu starten“, hieß es damals auf Telegram.

Der Erfolg des Portals ist schwer zu messen: Auf Twitter hat Impffrei.work ganze 22 Follower:innen. Der YouTube-Kanal der Börse wurde bereits im Mai 2017 angemeldet, das älteste Video ist aktuell aber nur fünf Monate alt und hat rund 1.200 Aufrufe. Auf Telegram ist Impfrei.work mit knapp 17.000 Abonnent:innen wesentlich erfolgreicher. Dort werden Beiträgen von den Wortgebern der Verschwörungsszene geteilt – wie Oliver Janich, Boris Reitschuster, der Epoch Times oder dem vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestufte Magazin Compact um Jürgen Elsässer.

Offenbar kein Problem für einige Seniorenpflegeheime, Apotheken und Arztpraxen. Gleichzeitig will nicht jedes Unternehmen, das auf Impffrei.work eine Stellenausschreibung veröffentlicht, in die Verschwörungsecke gestellt werden. Das nordrhein-westfälische Tech-Unternehmen Volla Phone stellt Open-Source-Handys mit erhöhtem Schutz der Privatsphäre her – und schreibt auch eine Stelle auf Impffrei.work aus. Auf Anfrage von Belltower.News schreibt Geschäftsführer Dr. Jörg Wurzer, dass das Unternehmen die Meinungsfreiheit respektiere und daher sich offiziell nicht zu tagespolitischen oder gesundheitspolitischen Themen Stellung beziehe. Die Stelle sei dort ausgeschrieben worden, weil das Portal Impffrei.work ebenfalls ein kleines Jungunternehmen sei. Zu geringen Kosten könne Volla Phone Kandidat:innen für offene Positionen finden. Und die Nachfrage sei auf dem Portal besonders hoch, so Wurzer.

Wie viele Jobs tatsächlich über Impffrei.work bereits vermittelt wurde, ist schwer überprüfbar. Die Betreiber:innen wollen aber offenbar nun ein kleines Impfgegner-Imperium aufbauen: Inzwischen gibt es auch das Portal Impffrei Leben für Jobgesuche sowie die Webseite Impffrei.kaufen, auf der Nutzer:innen nach Geschäften und Dienstleistungen ohne Impf- oder Testnachweis suchen können, „welche die Diskriminierung und den politischen Zwang nicht mitmachen“. Eine Reisebörse, Impffrei.travel, sei noch in Planung.

Mittlerweile ist Impffrei.work nicht mehr alleine auf dem Impfgegner-Jobmarkt: Auch die rechtsextreme Corona-Leugner-Partei „Freie Sachsen“ hat nun die Jobbörse XY-Ungeimpft ins Leben gerufen. Doch nicht einmal die Suchfunktion des rudimentär designten Portals funktioniert. Und auf der Jobbörse werden aktuell nur vier Stellen angeboten – drei davon in Chemnitz. Die vierte ist eine Stelle als Moderatorin beim rechtsextremen Compact TV: „Frau zwischen ca. 20 und 45, sympathische Ausstrahlung, gutes Aussehen, akzentfreies Hochdeutsch, freiheitsliebend, teamfähig“. Und natürlich auch gerne ungeimpft.

Weiterlesen

Eurythmie-Vorführung im Goetheanum, dem Hauptsitz der Anthroposophie in Dornach (Schweiz) - ein Gebäude ohne rechte Winkel

Anthroposophie in der Pandemie Im Land des Hokuspokus

Der deutschsprachige Raum hat die niedrigste Impfquote in Westeuropa. Das hat System: Hier genießt die anthroposophische Medizin einen besonderen Status – ob Homöopathie oder Heileurythmie.

Von|
Aufs falsche Pferd gesetzt: Es gibt keine wissenschaftlichen Belege für die Wirksamkeit von Ivermectin gegen Covid-19.

Ivermectin Warum Impfgegner:innen Pferdeentwurmer essen

Ein Anti-Wurmmittel für Tiere soll eine Wunderdroge gegen Covid-19 sein, doch wissenschaftliche Beweise für die Wirksamkeit gibt es keine. Alarmierend viele Menschen konsumieren den sogenannten „Moo Juice“, der in Menschen starke Nebenwirkungen auslösen kann. In einigen Fällen kann das tödlich enden.

Von|
Eine Plattform der