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Katzen, Krieg und Creators TikTok – eine kurze Einführung

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(Quelle: Unsplash)

Soziale Medien mit audiovisuellen Inhalten erfreuen sich großer Beliebtheit: Ansprechend gestaltet, ist ihr Inhalt auf die Nutzer*innen zugeschnitten und schnell konsumierbar. Die chinesische App TikTok ist das am schnellsten wachsende Soziale Netzwerk seit Beginn der Coronavirus-Pandemie. Mit 1,5 Milliarden Downloads in den Jahren 2020 und 2021 war sie die am häufigsten heruntergeladene App weltweit. Im Januar 2022 hatte die Plattform eine Milliarde monatlich aktive
Nutzer*innen, die im Durchschnitt mehr als 850 Minuten pro Monat in der App verbrachten. Zwischen 2020 und 2021 steigerte sich in den USA die wöchentliche Aktivität um 26 Prozent. In den Wochen der Lockdowns erfuhr die App auch in Deutschland einen enormen Schub an Nutzer*innen, die zum Großteil der „Generation Z“ (Geburtsjahre 1997 bis 2012) zuzuordnen sind.

Was macht die Plattform so besonders?

TikTok besteht lediglich aus Videos im Kurzformat. Die App ermöglicht die schnelle Aufnahme und Bearbeitung von Handyvideos mit einer vielfältigen Auswahl an Filtern, Effekten und Sounds. Studien haben gezeigt, dass Nutzer*innen Sozialer Medien eher Inhalte anklicken, liken, teilen oder kommentieren, wenn diese Visualisierungen aufweisen. Die intuitive Benutzeroberfläche und der Algorithmus der App sind so konzipiert, dass Nutzer*innen möglichst lange in der App verweilen und sich durch zahlreiche Videos der „For You Page“ scrollen. Schon beim Öffnen der App werden auf der Startseite algorithmusbasiert Inhalte ausgespielt, die die Nutzer*innen potenziell ansprechen sollen. Die Videofeatures laden schnell dazu ein, selbst ein Video aufzunehmen, und durch die algorithmische Streuung der Inhalte können auch unbekannte Nutzer*innen enorm hohe Klickzahlen erreichen, also schnell viral gehen – zu ihrem Nutzen oder Schaden: Denn Aufmerksamkeit bekommen sowohl positiv wahrgenommene Inhalte als auch unfreiwillig komische, peinliche oder kontroverse Videos. Im Fokus liegt nicht die Qualität des Contents, sondern die Aufmerksamkeit und die Interaktion zwischen den Nutzer*innen, die ein Video generiert.

Somit begünstigen die Funktionsweisen der App auch eine schnelle Verbreitung von Desinformation und Verschwörungserzählungen. Zusätzlich gerät die Plattform immer wieder ins Zentrum medialer Aufmerksamkeit. Kontroversen über Datenschutz und Zensur thematisieren die Befürchtung einer direkten Einflussnahme chinesischer Behörden auf die Inhalte der App und auf die persönlichen Daten der Nutzer*innen. In den USA ist sogar ein Verbot von TikTok im Gespräch.

Doch trotz aller Risiken und berechtigten Kritik erfreut sich die App weiterhin großer Beliebtheit. Andere Plattformen wie YouTube und Instagram haben bereits das Kurzvideoformat übernommen, was zeigt: TikTok ist der First Mover unter den Sozialen Netzwerken, und das wird sich wohl so schnell nicht ändern.

Aufbau und Interaktionsmöglichkeiten auf TikTok

Die populäre „For You Page“ ist eines der bekanntesten Alleinstellungsmerkmale von TikTok. Sie bildet die Startseite der App und bietet eine algorithmusbasierte Auswahl an Videos für den*die jeweilige*n Nutzer*in. Ansonsten besteht die Benutzer*innenoberfläche standardmäßig aus verschiedenen Reitern: dem Posteingang, dem Bereich für das Erstellen eigener Videos, dem eigenen Profil und den Nutzer*innen, denen man folgt.

Die App lebt besonders durch ihre Interaktionsmöglichkeiten mit und zwischen den Nutzer*innen. Neben der Kommentarfunktion und Privatnachrichten gibt es sogenannte „Stitches“ und „Duette“. Diese ermöglichen eine unmittelbare Reaktion auf fremde Videos mit eigenen Videos. Dabei werden Ausschnitte des Videos, auf das man reagieren möchte, in das eigene Video eingebettet (Stitch) oder das Ursprungsvideo parallel zum Reaktionsvideo abgespielt (Duett). Es gibt auch die Möglichkeit, Videos anderer Creators zu teilen: Mit der Funktion „erneut veröffentlichen“ kann ein Beitrag auf der Startseite der eigenen Followerschaft erscheinen. Es ist jedoch nicht möglich, Videobeiträge anderer im eigenen Profil zu teilen.

Der Algorithmus von TikTok legt großen Wert auf Authentizität. Die Videofunktion ermöglicht es, schnell und einfach eigene Beiträge zu realisieren, wobei es nicht darum geht, qualitativ hochwertige oder aufwendig produzierte Videos zu erstellen. Mittlerweile ist es möglich, sich „TikTok now“ als optionale Erweiterung von TikTok herunterzuladen. Dabei handelt es sich um eine Adaption der App „bereal“, bei der man jeden Tag zu unterschiedlichen Zeiten eine Fotoaufnahme von sich und seiner aktuellen Umgebung postet. Mit dieser Funktion unterstreicht TikTok seinen Fokus auf Authentizität.

Funktionsweise des Algorithmus

An TikTok führt für die Generation Z kaum etwas vorbei. So wird die Plattform mittlerweile nicht nur zur Unterhaltung, sondern auch als Informationsquelle und Suchmaschine genutzt. Problematisch dabei ist nicht nur, dass knapp 20 Prozent der angezeigten Suchergebnisse Fehlinformationen aufweisen. Das Prinzip Desinformation funktioniert auf der Plattform besonders gut und wird von antidemokratischen Akteur*innen bewusst genutzt. Doch woran liegt das?

TikTok ist im Wettbewerb der Sozialen Plattformen in den letzten Jahren besonders erfolgreich: durch die intuitive Benutzer*innenoberfläche und die Logik des Algorithmus. Nutzer*innen sollen möglichst lange durch unzählige Videos scrollen und/oder mit eigenen Videos hohe Klickzahlen generieren.

Die Art des Contents spielt eine entscheidende Rolle für das Sehverhalten der Nutzer*innen. Erfolgreich im Wettbewerb der Interaktionslogik ist nicht die schlichte und nüchterne Information, sondern tendenziell provokanter und skandalöser Content.

Hierbei spielen Emotionen eine wesentliche Rolle. Schafft es das Video, gewisse Emotionen hervorzurufen, interagieren Menschen deutlich häufiger. Es ist also zweitrangig, ob ein Content gut oder schlecht dargestellt oder ob er wahr oder erfunden ist. Entscheidend ist die Reaktion der Nutzer*innen, welche höhere Klickzahlen und ein längeres Verbleiben garantiert. Das Erfolgsrezept von TikTok: der Algorithmus.

Durch die Nutzung der App lernt der Algorithmus schnell, welche Themen bei der*m Nutzer*in Interesse erzeugen, und zeigt entsprechenden Content vermehrt an. Die Logik des Algorithmus unterscheidet dabei nicht zwischen Katzen- oder Kriegsvideos oder gar moralischen Aspekten. Der Fokus liegt auf der Aufmerksamkeit und Interaktion mit den angezeigten Videos. So bekommen Nutzer*innen relativ schnell den Content angezeigt, der perfekt zum vermeintlichen eigenen Interesse passt. Die Gefahr, in ein sogenanntes „Rabbit Hole“ (dt. Kaninchenbau) zu geraten, also nur noch Content aus gewissen Themenbereichen angezeigt zu bekommen, ist dabei extrem hoch.

Begünstigt wird dadurch auch die Möglichkeit einer Radikalisierung durch Desinformationen. Überdies ist das Kurzvideoformat als visuelles Medium im Vergleich zum reinen Textformat besonders wirkungsvoll, insbesondere dabei, Emotionen auszulösen und nachfolgend Interaktion hervorzubringen. Gleichzeitig ist es technisch schwieriger, eine Fehlinformation in visuellen Medien zu entlarven, als wenn diese in reiner Textform erscheint.


Hier steht die Broschüre zum Download bereit.

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