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Kommentar zur Israel-Wahl Antisemitismus gegen Rechts

Nach der fünften Wahl innerhalb vier Jahren macht Netanyahu ein Comeback mit Unterstützung von Rechtsaußen. Der Sieg steht für einen alarmierenden globalen Rechtsruck. Und er könnte Antisemitismus überall befeuern. Solidarität mit Israel an sich darf das Ergebnis aber nicht behindern. Ein Kommentar.

 
"Bibi" is back. Und nach der fünften Wahl innerhalb vier Jahren siegt vor allem die radikale Rechte in Israel
"Bibi" is back. Und nach der fünften Wahl innerhalb vier Jahren siegte vor allem die radikale Rechte in Israel (Quelle: Karolina Grabowska/Pexels)

Israel hat gewählt und die düsteren Prognosen haben sich bestätigt. Der rechte Block von Benjamin Netanyahu hat nach aktuellem Stand der Auszählung mit 65 von 120 Sitzen eine stabile Mehrheit erreicht. „Bibi“ ist zurück. Der größte Sieger der Wahl ist aber ein anderer: Itamar Ben-Gvir, ein „verurteilter Rechtsextremist, der mehrfach we­gen Volksverhetzung und Anstiftung zum Terror im Gefängnis saß“, wie Meron Mendel ihn in der FAZ beschreibt.

Der Wahlkampf des linken Blocks drehte sich vor allem darum, Netanyahu zu verhindern. Das Unterfangen ist krachend gescheitert. Beobachter beklagten, dass es kaum um Inhalte und viel um Netanyahu ging. Aber: Es hat ihm nicht geschadet. Jan-Christian Kitzler vom ARD-Studio Tel Aviv kommentierte: „Israel ist deutlich nach rechts gerückt und der Einfluss religiöser Kräfte steigt. Die streng religiösen und nationalreligiösen Parteien stellen künftig über ein Viertel der Parlamentsabgeordneten und hätten in einem Regierungsbündnis mit dem Likud-Block von Netanyahu sogar die Mehrheit.“ Der Publizist und Spiegel-Autor Richard C. Schneider schrieb bei Twitter, dass die extreme Rechte der eigentliche Sieger ist: „Sie ist endgültig parlamentsfähig geworden.“ Und Esther Schapira vom Hessischen Rundfunk mahnte: „Aus Herzls Traum von einem freien demokratischen Israel droht nach dieser Wahl ein autoritär national religiöser Albtraum zu werden. Israel reiht sich ein in die lange Liste zutiefst gespaltener Länder.“

Denn die Wahlen in Israel passen zu einem globalen Trend. Die Verheißungen der Rechten finden weltweit Anklang. In Italien ist jüngst eine Faschistin zur Ministerpräsidentin gewählt worden. In Schweden haben die rechtsextremen Schwedendemokraten mehr als 20 Prozent erhalten. In den USA will Donald Trump in zwei Jahren wieder an die Macht kommen. Und auch hierzulande gewinnt die AfD wieder Stimmen, sie profitiert von der rechten Mobilisierung gegen die Energieversorgungskrise. Noch sitzt sie zwar in keiner Landesregierung, aber machen wir uns nichts vor: Eine Zusammenarbeit demokratischer Parteien mit der rechtsextremen AfD wird immer wieder vorbereitet, auf lokaler Ebene findet sie längst statt.

Doch zurück zu Israel. Die Wahlergebnisse sind für viele ein Schock. Eine Koalition mit Rechtsextremen ist immer ein No-Go, überall, weil sie das Leben von Minderheiten erschwert und gefährdet. Eine Welt, in der man ohne Angst verschieden sein kann, ist der Albtraum aller Rechtsextremen. Dass deren Verheißungen nach Sicherheit und Ordnung gerade in Zeiten der Krise verfangen, überrascht nicht wirklich.

Die Israelhasser weltweit werden den Anlass für sich nutzen und ihren Hass verbreiten. Das wiederum werden Jüdinnen*Juden in der Diaspora zu spüren bekommen, die jetzt mal wieder aufgefordert werden, sich zu distanzieren. Oder sie werden verantwortlich gemacht für das, was im Nahen Osten passiert. Damit keine Missverständnisse aufkommen: die neue Regierung (wie jede vor ihr) ist nicht der Grund für den Antisemitismus. Sie ist ein gern gesehener Anlass. Da ist der israelbezogene Antisemitismus nicht anders als die antisemitischen Verschwörungserzählungen. Auch die suchen sich immer neue Anlässe. Wo es bis Februar noch um Corona ging, geht es jetzt um den Ukraine-Krieg oder die Energieversorgungskrise. Die einzig konsequente Antwort ist, jeden Antisemitismus zu bekämpfen.

Praktisch bedeutet das auch jetzt, solidarisch mit Jüdinnen*Juden sein, die von diesem Antisemitismus betroffen sind und ihren Positionen Sichtbarkeit zu verleihen. An einer solidarischen Position mit Israel ändern diese Wahlen nichts. Sollten sie jedenfalls nicht. Sich mit Israel solidarisch zu erklären, bedeutet nicht, die jeweilige konkrete Politik des Landes zu verteidigen oder gut zu heißen. Die Solidarität ist abstrakter und wurde deshalb auch bedingungslose genannt. Sie geht aus von einem Blick auf Israel als einzigen jüdischen Staat, als Schutzmacht, als Versprechen auf ein Leben ohne Antisemitismus. Der Israelhass hat das Ziel, diese Schutzmacht aus der Welt zu schaffen.

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