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Kommunalwahlen Rechte an der Basis

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(Quelle: Pixabay)

Die AfD sitzt mittlerweile in allen Landesparlamenten und im Bundestag. Die EU-Wahlen werden den Rechtspopulist*innen weitere gut dotierte Posten in Brüssel verschaffen. Für nachhaltigen Erfolg einer Partei reicht das allerdings noch nicht. Vertreter*innen müssen vor Ort, in Städten und Ortschaften sichtbar und aktiv sein, um die eigene Ideologie vor der eigenen Haustür zu normalisieren. Es kann als sicher gelten, dass genau das am kommenden Sonntag geschehen wird.

In acht Bundesländern finden Kommunalwahlen statt, in Bremen wird die Bürgerschaft neu gewählt und in Hamburg die Bezirksversammlungen. Obwohl es für Kommunalwahlen praktisch keine Prognosen gibt, kann Deutschland davon ausgehen, dass die AfD und rechtsextremere Wahlbündnisse Erfolge erzielen werden.

Bei den letzten Kommunalwahlen sah das noch anders aus, vor allem, weil die AfD noch nicht genug Menschen mobilisieren konnte, um anzutreten. Das hat sich mittlerweile geändert. Mit Rassismus, Antifeminismus, Antisemitismus, Homo- und Transfeindlichkeit lassen sich nicht nur Wähler*innen ansprechen, sondern eben auch Menschen, die sich – am Ende für diesen Hass – wählen lassen. Genau das ist entscheidend für Kommunalwahlen: Es muss genug Leute geben, die sich auf die Wahllisten setzen lassen. Die Umfragewerte der AfD waren in ihrer Geschichte zwar schon höher, dürften aber trotzdem für hunderte Mandate in den vielen Kommunen reichen.

Verfestigte Milieus

Damit wird sich die Partei endgültig als politische Größe etablieren. Wenn AfD-Repräsentant*innen auf jedem Volksfest, jeder Schwimmbaderöffnung und jedem Tag der offenen Tür nicht nur als Wahlkämfer*innen, sondern als gewählte Kommunalvertreter*innen erscheinen, normalisiert das die Ideologie, die hinter den Rechtspopulist*innen steckt. „Rechtsradikale Milieus verfestigen sich lokal. Die AfD kommt jetzt auf regionaler Ebene an. Was wir sehen, ist erst der Anfang“, so Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung.

Die AfD wird in den Kommunalparlamenten sitzen und möglicherweise bald auch Dezernent*innen und sogar Bürgermeister*innen stellen. Ein Szenario, dass im Übrigen schon am Sonntag in Görlitz Realität werden könnte. Vorteile hat das sehr viele für die AfD, so kann sie sich Nachwuchspolitiker*innen heranziehen und muss keine Angst vor temporären Misserfolgen haben. Sie baut sich eine noch größere Basis.

Gefahren sind aber auch ganz real und abseits von bloßer politischer Normalisierung vorhanden. Kommunalparlamente entscheiden über Jugendarbeit vor Ort, über Kulturprojekte, Sport, Veranstaltungen und mehr. Die AfD hat sich die „Entsiffung des Kulturbetriebes“ auf die Fahnen geschrieben und meint damit auch – wahrscheinlich sogar vor allem – kleine kulturelle Initiativen, die vor Ort für Demokratie arbeiten und streiten.

Rechtsruck real

Um zu sehen, wie sich der gesellschaftliche Rechtsruck auf kommunaler Ebene auswirkt, muss man dabei nicht bis nach den Wahlen warten. In Freiberg in Sachsen sollte die Publizistin Liane Bednarz im Rahmen einer Diskussionsveranstaltung Mittelsächsischen Theater über ihr Buch „Die Angstprediger“ und rechte Christen sprechen. Angeblicher wegen erwarteter Störungen wurde die Veranstaltung kurzfristig in den städtischen Festsaal verlegt. Für die im Stadtrat vertretene AfD reichte das nicht. Deren Argumentation folgte der parteilose Bürgermeister und unterstellte dem Intendanten Ralf-Peter Schulze mangelnde Neutralität. Der Bürgermeister verbot schließlich, zukünftig „derartige Veranstaltunge“ in den Räumen des Theaters abzuhalten. Die rechtspopulismuskritische „Erklärung der Vielen“, in der sich Kulturschaffende aus ganz Deutschland für ein offenes Deutschland positionieren und zu deren Erstunterzeichnenden Intendant Schulze und Schauspieldirektorin Anett Wöhlert gehören, verschwand von der Website des Theaters.

Tobias Burdukat ist ein vielfach ausgezeichneter Sozialarbeiter in Grimma in Sachsen. Im Ort hat er zusammen mit engagierten Jugendlichen das „Dorf der Jugend“ aufgebaut. Träger ist der „Förderverein für Jugendkultur und Zwischenmenschlichkeit”. Jugendliche haben vor Ort ein eigenes Festival mit Konzerten und Workshops auf die Beine gestellt. Die Band Egotronic hat ein Soli-Konzert gegeben. Auf dem Gelände scheint es einen Aufkleber mit dem Schriftzug „FCK AFD“ zu geben und womöglich noch schlimmer: auf einer Toilette soll der gesprühte Satz „Kacken ist wichtiger als Deutschland“ zu lesen sein. Das alles ist offenbar für das örtliche Jugendamt genug, um dem Trägerverein die Anerkennung als freier Träger der Jugendhilfe zu verweigern. Das heißt der Verein und das Dorf der Jugend haben keinen Zugang zu finanziellen Mitteln. Offiziell nennt das Jugendamt fachliche und formelle Gründe. Die Betroffenen Jugendlichen glauben, dass das Engagement von Burdukat in der Behörde nicht gut ankommt. Bemerkenswert dabei: Die AfD ist bisher noch nicht im Stadrat von Grimma vertreten. Was sich vermutlich am kommenden Sonntag ändern wird.

In anderen Kommunen ist das bereits der Fall, Vertreter*innen der Partei sitzen in Gremien der Jugendhilfeausschüsse und können damit Einfluss auf die Jugendzentren nehmen. Gezielt werden Finanzierung und Konzepte unter die Lupe genommen und geprüft, ob alles im Sinne der Partei stattfindet.

Rechtspopulistische und extrem rechte Politik hat Auswirkungen, auch und vor allem auf kommunaler Ebene. Menschenfeindliche Ideologie werden in die Breite getragen, Parteien wie die AfD könne ihre Basis ausbauen und vor allem gibt es ganz reale Konsequenzen für die Menschen vor Ort. Kultur- und Jugendeinrichtungen werden kontrolliert und wenn nötig auch drangsaliert. Deshalb ist und bleibt es wichtig, auch kommunal gegen den Rechtsruck vorzugehen, sich für Demokratie und Vielfalt zu engagieren und Betroffenen zu zeigen, dass sie nicht allein sind.
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