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Monitoring Der Gaza-Konflikt auf Facebook

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Das "Gaza-Kampagnenbild" wurde massiv in den Sozialen Netzwerken verbreitet. (Quelle: Facebook)

Facebook ermöglicht so manchen Einblick in das Denken seiner Nutzer und Nutzerinnen. So lässt sich hier beobachten, wie in deutschsprachigen Communities mit dem Nahostkonflikt umgegangen wird. Mit Beginn der neuerlichen Kriegshandlungen tauchten unzählige Seiten auf,  die ihre Solidarität mit Gaza und den Palästinenser*innen verkünden. Doch die überwiegende Mehrzahl der Seiten beschränkt sich dabei nicht auf die allgemeine Ablehnung des Konfliktes und der Gewalt.

Einseitig, emotional, meinungsverstärkend

Die Aufnahme des Konfliktes geschieht  auf diesen Seiten einseitig emotional. Das heißt, dass lediglich der eigenen Sicht auf den Konflikt Raum gegeben wird. Eine ausgewogene Darstellung, also auch israelische Stimmen einzubeziehen, geschieht nicht. Lediglich Informationen, die die eigene Sicht bestärken, finden hier Platz: So sind die einzigen Juden, die hier zu Wort kommen dürfen, solche wie die Angehörigen der jüdischen Sekte Neturei Karta, die den Staat Israel aus religiösen Gründen ablehnen.

Leser*innen der Seiten wird ein klares Gut-Böse-Schema vermittelt: Auf der einen Seite steht das „Wir“, die Muslime, die Freunde Palästinas, deren Kampf gerecht ist. Auf der anderen Seite hingegen stehen „Die“, also alle, die in den Augen der „Wir -Gruppe der gerechten Sache entgegenstehen Das sind in den meisten Darstellungen: Israel und die Zionist*innen, mit ihren Verbündeten der USA und der  westlichen Welt, die Unterdrücker und Besatzer.

 

Right vs Might: Die „Gerechten“ kämpfen gegen die „Mächtigen“

Überall auf Facebook ist derzeit ein Bild zu sehen, auf dem ein Frauengesicht in den Farben der palästinensischen Fahne eingefärbt ist, während eine männliche Hand – mit Davidstern – ihr den Mund zuhält. Es wird über die Pro-Palästina-Gruppen verbreitet, die kein kleines Phänomen sind. Eine der größten Seiten hat über 28.000 Likes auf Facebook und erreicht damit eine große Anzahl von User*innen, andere erreichen ebenfalls 23000, 21000 oder 13000 Leser*innen, die Fünf größten Seiten erreichen also über 85000 Leser*Innen,  eine gewaltige Reichweite. Die Genaue Zahl der Leser*Innen ist hingegen noch um einiges größer.  Vernetzt sind diese Seiten auf den ersten Blick nur lose. Gegenseitige Likes und Beiträge werden geteilt, doch ähneln sich die Beitrage vieler Seiten sowieso schon stark:  Wer also in mehreren Gruppen Mitglied ist, muss den Eindruck gewinnen, dies sei ein einheitliches Bild einer Wahrheit.

Postings ziehen Kreise

Doch die Nachrichten dieser Seiten bleiben oft nicht nur auf den Kreis der pro-palästinensischen Seiten beschränkt. Auch für traditionelle Rechtsextreme scheinen einige der Inhalte attraktiv zu sein. So teilte beispielsweise die Facebook-Seite der Hamburger NPD ein Bild der Seite „Freiheit für Palästina 2“, das eine brennende USA und eine brennende Israel-Fahne abbildet.  Der antisemitische Charakter solcher Posts bietet also auch Anschluss für eher traditionelle rechtsextreme Kreise. Mit ihrer scheinbaren Palästinasolidarität bietet sich für die NPD eine gute Gelegenheit, Antisemitismus und Antiamerikanismus auszudrücken, ohne dies explizit zu benennen.

Dafür müssen die Rechtsextremen allerdings darüber hinwegsehen, dass sie sich hier im Antisemitismus mit einem Publikum gemein macht, das normalerweise nicht auf ihrer Freundesliste steht: Denn der größte Teil des Publikums der pro-palästinensischen Seiten scheint  aus einem muslimisch-migrantischen  Milieu zu stammen. Festmachen lässt sich dies allerdings nur an sehr oberflächlichen Fakten, also an dem Profilnamen und den Kommentaren, in denen oft arabische oder türkische Worte oder Sätze vorkommen. Das Publikum dieser Seiten ist zudem noch relativ jung, so gibt Facebook bei den meisten Seiten einen Altersdurchschnitt von 18 – 24 Jahre an.

Falschmeldungen als Propaganda

Es wird auf wirkmächtige Bilder gesetzt, weinende Väter in Trauer gebeugt über ihre toten Kinder oder verletzte Kleinkinder werden gezeigt. Dass unter diesen Bildern oft Fälschungen sind, scheint die Administrator*Innen nicht zu stören, immerhin geht es darum, die eigene Sicht der Dinge zu stärken, und diese Sicht will Israel mit allen Mitteln Terror und Kriegsverbrechen beweisen. So werden zur Bebilderung von Meldungen angeblicher Kindstötungen durch Israel  Bilder aus dem Syrischen Bürgerkrieg benutzt.

Auch die Hamas will den Eindruck befördern, dass Israel keine Rücksicht auf Zivilist*Innen nimmt. So gibt es ausdrücklich die Anweisung, tote Hamas-Kämpfer als getötete Zivilisten zu bezeichnen. Nicht umsonst tauchen in den offiziellen Statistiken aus Gaza, die nebenbei von der Hamas herausgegeben werden, keinen Hinweis auf getötete Hamas-Kämpfer auf (hagalil). Das Hamas-Handbuch für Kampfhandlungen ordnet auch an, Zivilist*Innen als menschliche Schutzschilde für Hamas-Einheiten und militärisches Gerät zu verwenden. Aus diesem Grund schoss die Hamas ihre Raketen aus dicht besiedeltem Gebiet aus Gaza ab und nicht aus einem der nicht besiedelten Flächen, die es auch im Gazastreifen gibt (hagalil).

Antisemitismus mit und ohne Chiffren

Der manifeste Antisemitismus dieser Seiten zeigt sich allerdings nicht immer offen. In den Posts der Administrator*Innen wird  immer wieder der Unterschied zwischen Jüdinnen und Zionist*Innen betont. Dies ist allerdings nicht mehr als eine Taktik: Wenn den Zionist*Innen oder Israel die Schuld an der Eskalation gegeben wird, dann steht das Wort Zionist*In als Chiffre für „die Juden“. Überhaupt wird die Gesamtheit der Juden und Jüdinnen für die Handlungen des Staates Israel verantwortlich gemacht (hagalil).

Der Antisemitismus der User*Innen hingegen äußert sich sehr viel offener und kommt ohne Chiffren aus. Er  äußert sich in offenen Todeswünschen und Gewaltandrohungen gegen Juden und Jüdinnen, dass diesem offenen Antisemitismus nicht von Administratorenseite her widersprochen wird, offenbart den antisemitischen Charakter der Seiten.

Natürlich fehlen auch die üblichen antisemitischen Verschwörungstheorien nicht. Je nach Seite wird Israel verdächtigt, für den islamistischen Terror der IS verantwortlich zu sein. Andere sehen die Hamas als vom Mossad infiltriert. Israel und die USA hätten den IS geschaffen um den Irak und Syrien langfristig zu destabilisieren und die Gesamtheit der Moslems durch den IS als Terroristen zu diskreditieren. So neu der Kontext dieser Theorie, ist es doch inhaltlich nur alter Wein in neuen Schläuchen. Hier wird das Muster anderer antisemitischer Verschwörungstheorien neu interpretiert, dass die Juden als dunkle Macht hinter den Vorhängen der Weltpolitik stehen und durch Lügen und Intrigen die Welt nach ihren Gutdünken verändern wollten.

Die Auswirkungen, die dieser Propagandakrieg nach außen hat, sind verheerend. Denn der Antisemitismus, der durch solche Seiten gefördert wird, wird auch auf die Straße getragen. Dort bleibt es oft nicht  bei Äußerungen. So wurde im Juli erst ein Mann seiner Kippa wegen verfolgt sowie die Synagoge in Wuppertal mit Molotowcocktails angegriffen. 

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2014-02-25-nipster-titel.

Nazis im Hipster-Gewand Der Nipster

Beim Neonazi-Aufmarsch in Magdeburg sah man das erste Mal einen junge Nazi im Look der „Autonomen Nationalist*innen“, der einen Jutebeutel dabei hatte mit der Aufschrift „Bitte nicht schubsen, ich habe einen Joghurt im Beutel“ (Foto: Störungsmelder, Bild 1), doch dieser erste in freier Wildbahn gesichtete Nipster (=Nazi-Hipster) ist nicht allein: Rechtsextreme Hipster betreiben Tumblr-Blogs oder filmen gar eine rechtsextreme vegane Kochshow.

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