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„Mut zur Wahrheit“ Die Hochstapler-Affäre des AfD-Flügels

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"Mut zur Wahrheit" - so lautet ein Slogan der AfD, den die Partei aber wohl nicht so genau nimmt (Quelle: picture alliance / ZUMAPRESS.com | Sachelle Babbar)

Zum demokratiefeindlichen Repertoire der AfD gehört neben Rassismus und Verschwörungserzählungen auch eine ganze Palette an Vorwürfen gegen Politiker*innen der „Alt-Parteien“. Dazu gehören Anschuldigen, die Demokrat*innen würden untereinander Posten verschachern, würden lügen, betrügen und in die eigenen Taschen wirtschaften. Nur sie, die Rechtsaußen-Partei, sei davor gefeit. Die blind-blaue Anhängerschaft glaubt das zu großen Teilen. Wirklichkeit und Anspruch klaffen hier jedoch ellenweit auseinander. Immer wieder versucht die Parteiführung sich aus Spendenskandalen und Intrigen herauszureden.

Derzeit erschüttert die Partei-Basis eine Hochstapler-Affäre. Arno Bausemer aus Sachsen-Anhalt und Mary Khan-Hohloch aus Brandenburg kandidieren für die Partei bei der Europa-Wahl, beide hatten falsche Angaben zu ihren Lebensläufen gemacht. Seit Bekanntwerden der Vorwürfe rumort es innerhalb der AfD gewaltig.

Arno Bausemer

Der Lokalpolitiker Arno Bausemer aus Stendal will im kommenden Jahr ins EU-Parlament einziehen. Die AfD hat ihn Ende Juli auf dem zehnten von 35 Listenplätzen gewählt. Nach Diskussionen um seinen Lebenslauf hat der Bundesvorstand der Partei die Unterlagen aller 35 Kandidaten zur Kontrolle nachreichen lassen.

Bausemer konnte keine schlüssigen Belege liefern. Er habe keine Dokumente vorweisen können, die seine Aussagen belegen, dass er ein journalistisches Volontariat sowie eine Berufsausbildung absolviert habe. Auch einen Studienabschluss konnte er demnach nicht nachweisen, berichtet t-online. EU-Spitzenkandidat, Listenplatz 1, und Flügel-Mann und Höcke-Vertrauter Maximilian Krah, gilt als Unterstützer von Arno Bausemer.

Ein unmoralisches Angebot von Maximilian Krah

Offenbar wendete Krah auch unlautere Mittel an, um seinen Kandidaten zu schützen. In Privatnachrichten versuchte er laut einer Recherche von t-Online Druck auf die Ex-Partnerin von Bausemer auszuüben, die Berichte zu dessen Falschangaben geteilt hatte. Bianca Wolter und ihr Ex-Mann Bausemer seien nicht im Guten auseinandergegangen. Wolter ist in der AfD ein bekanntes Gesicht, eine Art AfD-Influencerin. Sie teilte auf Social Media Recherche-Beiträge zur Hochstapler-Affäre ihres Mannes.

Offenbar wollte Krah das unterbinden: Er schrieb Bausemers Ex-Partnerin, dass ihr und der gemeinsamen Tochter Geld winke, falls der unterhaltspflichtige AfD-Politiker ins Parlament einzieht. Es sei in ihrem Interesse und der Tochter, dass Bausemer „ohne Beschädigung durchläuft“, schrieb Krah privat. Mit der Bitte, „jeden Rosenkrieg einzustellen“. Bianca Wolter zeigt sich enttäuscht über das Vorgehen der Partei. Das sei nicht mehr die AfD, in die sie eingetreten sei.

Fast alle haben nicht gelogen

Parteichef Tino Chrupalla sagte am Dienstag auf einer Pressekonferenz: „Wir haben alle 35 Kandidaten überprüft und das Positive muss man sagen, dass fast alle diese Angaben richtig auf der Aufstellungsversammlung gegeben haben.“ Die AfD, die sich in allem von den verhassten demokratischen Parteien abgrenzen will und bundesweit „Mut zur Wahrheit“ plakatiert, lobt sich dafür, dass 33 von 35 Kandidaten nicht gelogen haben.

Darüber hinaus gab er im Namen der Parteispitze bekannt: „Die bereits bekannten mutmaßlichen Sachverhalte um die Kandidaten Bausemer und Khan-Hohloch wurden bestätigt. Zur Zeit der Bewerbungsreden lagen keine berufs- oder studienqualifizierenden Abschlüsse vor.“

Für Tino Chrupalle war es ein sichtbar unangenehmer Auftritt. Und dazu musste er ihn alleine, ohne Sparringspartnerin Alice Weidel absolvieren. Die war zum Zeitpunkt bei der FPÖ in Wien. Dabei betrifft die Hochstapler-Affäre auch Weidel direkt. Schließlich gelten Mary Khan-Hohloch und ihr Mann Dennis, Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion im Landtag Brandenburg und Schriftführer im AfD-Bundesvorstand, als Weidel-Vertraute.

Dennis Hohlich, ist kein Unbekannter: 2020 fügte der damalige AfD-Brandenburg-Chef Andreas Kalbitz seinem einstigen Kumpel Holoch einen Milzriss zu. Bis heute schweigt die AfD über die genaueren Umstände der Tat. Ermittlungen wegen fahrlässiger Körperverletzung gegen den Rechtsextremen Kalbitz wurden schließlich gegen eine Geldstrafe eingestellt. Holoch gilt als „Zögling“ von Kalbitz und Flügel-Mann.

Der 34-Jährige genießt einiges Ansehen in der AfD. Nur deshalb hielten viele still, als Hohloch seine Ehefrau für ein lukratives Brüsseler Mandat protegierte. Jetzt aber bricht sich der Unmut umso stärker Bahn.

Der Fall Mary Khan-Hohloch

Im Fall von Khan-Hohloch konnte die Kandidatin für Listenplatz 14 zunächst keine Urkunde über ein abgeschlossenes Studium der Religionswissenschaft und des öffentlichen Rechts vorlegen. Für AfD-Kandidierende sind fünf Jahre Berufserfahrung außerhalb der Politik verpflichtend.

Das fehlende Zeugnis für das Bachelor-Studiums soll Khan-Hohloch mittlerweile Vertrauensleuten vorgelegt haben, teilte Ehemann Dennis am Dienstag dem rbb mit. Hohloch äußerte sich gegenüber dem Sender schriftlich zu den fehlenden Dokumenten: „Behauptungen in einigen Medien, sie hätte das nicht, sind falsch und werden aktuell von uns abgemahnt.“

Die Nachrichtenagentur AFP hatte am Montag noch unter Berufung auf Parteikreise berichtet, Khan-Hohloch sei nicht in der Lage gewesen, ihre Angaben zu Berufs- und Studienabschlüssen vor dem Bundesvorstand durch Dokumente zu belegen. Dennoch wolle die Partei an ihrer und Bausemers Kandidatur für die Europawahl festhalten. Andernfalls müsste womöglich die gesamte Wahl wiederholt werden müssen.

„Mädle, verpiss dich, aber schnell !!!“, schrieb der AfD-Mitgründer und Bundestagsabgeordnete Martin E. Renner am Dienstagabend unter einen Facebook-Beitrag von Khan-Hohloch.

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