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Nach Antisemitismus-Vorfall Westin Hotel engagierte rechtsextreme Sicherheitsfirma

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Vor dem Westin Hotel: Die Sicherheitsfirma „Pro GSL Security“
Vor dem Westin Hotel: Die Sicherheitsfirma „Pro GSL Security“ (Quelle: Henrik Merker)

Nachdem ein Video des jüdischen Rockmusikers Gil Ofarim am Dienstag viral ging, in dem er einen antisemitischen Vorfall im Leipziger Hotel Westin schildert, hagelt es Kritik (Belltower.News berichtete). Besonders brisant war der Vorwurf, dass das Westin Hotel daraufhin eine Sicherheitsfirma mit Verbindungen in die rechtsextreme Szene beauftragte, um das Hotel während einer Demonstration gegen Antisemitismus am Dienstagabend zu schützen. Auf Facebook schrieb die Firma „Pro GSL Security“ unter einem Foto von vier Sicherheitsmitarbeitern vor dem Hotel: „Heute mal auf die schnelle das Westin abgesichert“.

Gegenüber Belltower.News hat der Geschäftsführer Oliver Riedel nun bestätigt, dass seine Firma Dienstag und Mittwoch für das Westin Hotel gearbeitet habe. Es soll das erste Mal gewesen sein, dass seine Firma vom Hotel beauftragt worden sei. Inzwischen sei die Zusammenarbeit aber auf Wunsch des Hotels beendet, so Riedel. Laut Riedel habe die Polizei oder der Verfassungsschutz das Westin Hotel wegen der Sicherheitsfirma angesprochen.

2009 wurde die „Pro GSL Security GmbH“ von Tobias Brendel gegründet. Laut dem Unternehmensportal „Northdata“ stieg Oliver Riedel 2014 als Co-Geschäftsführer ein. Beide Männer haben eindeutige Verbindungen in die rechtsextreme Szene: So nahmen Riedel und Brendel am 20. April 2015, an Hitlers Geburtstag, an einer „Legida“-Demonstration in Leipzig teil. „Legida“, der Leipziger Ableger von „Pegida“, galt damals als noch radikaler als das Original in Dresden. Riedel trug sogar eine Ordnerbinde – das zeigen Fotos von der Demonstration, die Belltower.News vorliegen. Auch ein Foto aus März 2015 zeigt Riedel auf einem „Legida“-Aufmarsch mit Ordnerbinde.

Geschäftsführer Tobias Brendel war am rechtsextremen Überfall auf den Leipziger Stadtteil Connewitz im Januar 2016 beteiligt: Rund 250 Neonazis verwüsteten damals das linksalternativ geprägte Viertel – unter anderem von der „Weiße Wölfe Terrorcrew“ sowie Hooligans vom Hallenschen FC und vom 1. FC Lokomotive Leipzig und Personen aus dem Umfeld der „Imperium Fighting Championship“. Sie demolierten Autos, zündeten einen Sprengsatz in einem Dönerimbiss und zertrümmerten Ladenscheiben mit Äxten, Latten und Eisenstangen. Passant:innen wurden bedroht und verletzt. Im März 2021 wurde Brendel zu elf Monaten Bewährung und 2.500 Euro Geldstrafe verurteilt. Er habe den Linken zeigen wollen, „dass Connewitz nicht nur ihnen gehört“, sagte Brendel vor Gericht.

Auch im NSU-Untersuchungsausschuss im Bundestag 2016 waren Riedel und Brendel Thema: Ein Geschäftspartner von Riedel war der Zwickauer Neonazi und V-Mann des Verfassungsschutzes Ralf Marschner, der auch Teil des NSU-Unterstützer:innen-Netzwerkes war. Zusammen entwickelten und vertrieben Riedel und Marschner die Marke „Barstool Sports“. Ein Zeuge im Untersuchungsausschuss sagte aus, dass Riedel oder Brendel einen Schlüssel zum Büro von Marschner gehabt habe. 2007 tauchte Marschner ab – und Riedel forderte in dessen früheren Ladengeschäft einen Rechner vom Zeugen ein, auf dem NSU-Ermittler:innen später die Titelmelodie von Paulchen Panther fanden, die im Bekennervideo der Terrorgruppe verwendet wurde. Den Zeugen soll Riedel bedroht haben. Zum Vorfall sagt Riedel Belltower.News, dass er im Rahmen der Ermittlungen zum NSU keinen Kontakt mit Behörden gehabt habe. Marschner sei zudem mit dem Geld von der gemeinsamen Kleidungsmarke verschwunden.

Ein Mitarbeiter der Sicherheitsfirma „Pro GSL Security“ vor dem Westin Hotel in Leipzig (Quelle: Henrik Merker)

Nach Informationen des MDR soll Riedel zudem jahrelang mit Kleidung von Marken gehandelt haben, die vor allem in der rechtsextremen Kampfsportszene beliebt waren. „Pro GSL Security“ war unter anderem 2016 Sponsor der „Imperium Fighting Championship“ um den Neonazi-Hooligan Benjamin Brinsa, auf der laut dem sächsischen Staatsministerium des Inneren rechtsextreme Kämpfer teilgenommen haben. In der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linken zum Kampfsportevent schreibt das Ministerium, dass zu zwei der Sponsoren rechtsextreme Bezüge bekannt seien.

Der Firmensitz von „Pro GSL Security“ in der Fleischergasse fungierte immer wieder als Sammelpunkt für Neonazis und Hooligans vor „Legida“-Aufmärschen in Leipzig, die häufig am benachbarten Richard-Wagner-Platz losgingen. Augenzeugen von einer antifaschistischen Demonstration vor dem Büro im November 2016 berichten von vermummten Neonazis, die auf dem Dach des Gebäudes, das diverse Geschäfte mit Verbindungen ins rechtsextreme Milieu beherbergt, „NSU, NSU“ gebrüllt haben sollen. Solche Rufe will Riedel, der während der Demonstration vor Ort war, nicht gehört haben. Die Neonazis auf dem Dach seien nicht Mitarbeiter von „Pro GSL Security“, so Riedel.

Im Gespräch mit Belltower.News streitet Geschäftsführer Riedel vor allem ab, eine „kriminelle“ Sicherheitsfirma zu betreiben. Auf die Frage, ob er selbst rechtsextrem sei, antwortet er mit der Gegenfrage, was rechtsextrem überhaupt bedeute. Riedel beschreibt sich selbst als apolitisch: „Für mich gibt es keine Politik. Für mich gibt‘s Gott und Jesus Christus, der noch dazu ja König der Juden war. Ich könnte also mit dieser Gruppe gar kein Problem haben.“ Er betont zudem, dass er mit Schwulen wandern gehe sowie linke und ausländische Freunde habe. „Dass mein Kollege in Connewitz dabei war, ist sicherlich nicht in Ordnung“. Den Überfall relativiert er dann im nächsten Satz mit der Aussage, dass es vorher Angriffe gegen Rechtsextreme gegeben habe.

Die politischen Aktivitäten von Riedel zeigen aber ein eindeutiges Bild: Er gibt zu, bei „Legida“ aktiv gewesen zu sein, und betont lediglich, dass das „nichts Kriminelles“ sei. Auf Facebook teilt Riedel Videos und Fotos der AfD, ihm gefallen zudem diverse AfD-Seiten, darunter die Seite des Faschisten Björn Höcke, sowie die örtliche „Querdenken“-Gruppe.

Jule Nagel, Landtagsabgeordnete der Linken in Sachsen, beschäftigt sich länger mit Riedel und seiner Sicherheitsfirma. Gegenüber Belltower.News sagt Nagel: „‚Pro GSL‘ trat mehrfach als Sponsor einer von Neonazis mitorganisierten Kampfsportveranstaltung auf und Riedel trat als Ordner der völkisch-rassistischen Legida-Bewegung auf“. Daher lehnt sie die Bezeichnung „apolitisch“ vehement ab. „Es wird Zeit, dass sich renommierte Einrichtungen wie das Westin über die politischen Verstrickungen der ‚Pro GSL‘ bewusst werden und kündigen“, so Nagel weiter. Denn die Sicherheitsfirma schützt diverse Immobilienfirmen in Leipzig sowie den Supermarkt „Globus“. Auf dem Blog „Pro-GSL-Watch“ werden Einsätze des Securityunternehmens dokumentiert.

Nach dem antisemitischen Vorfall um Gil Ofarim und einem weiteren Vorwurf der Homofeindlichkeit gegen das Westin Hotel wirft die Zusammenarbeit mit einer Sicherheitsfirma mit zahlreichen Verstrickungen ins Neonazi-Milieu einige Fragen auf: Neben den Geschäftsführern Riedel und Brendel soll auch der Kampfsportler Marcus K., der ebenfalls am Überfall auf Connewitz 2016 beteiligt war, anwesend gewesen sein – das berichten Augenzeugen gegenüber Belltower.News. Eine schriftliche Bitte um Stellungnahme von Belltower.News zu „Pro GSL Security“ ließ das Westin Hotel allerdings unbeantwortet. Auch telefonisch war die Presse-Abteilung oder Leitung des Hotels über mehrere Tage nicht erreichbar. Am Donnerstag sagte Westin-Geschäftsführer Andreas Hachmeister dem MDR, die Sicherheitsfirma sei vor der Demonstration am Dienstag kurzfristig engagiert worden. Mit der Firma sei vorher noch nicht zusammengearbeitet worden.

Dass es einen „Riesen-Aufschrei“ um die Beschäftigung seiner Sicherheitsfirma geben würde, habe Geschäftsführer Riedel bereits am Dienstag gewusst: „Ich dachte, dafür brennt uns hier wieder der Arsch“. Das Facebook-Foto vor dem Westin Hotel hat die „Pro GSL Security“ von ihrer Seite inzwischen gelöscht. Doch die Firma ist in der Stadt weiterhin aktiv.

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Connewitz-Angriff Hooligan-Prozess in Leipzig

Am 11. Januar 2016, am Rande des einjährigen Bestehens von Legida, randalierten über 200 Neonazis und rechte Hooligans durch den alternativen Leipziger Stadtteil Connewitz. Dort ist auch die Fanszene der BSG Chemie Leipzig beheimatet. Es sollte ein Fanal gegen die als links geltende Fanszene sowie die staatliche Migrationspolitik werden. Im August 2018 beginnen die ersten Prozesse.

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