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Noch weiter nach Rechts Die neuen Abgeordneten der AfD im Bundestag

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Auch bei den Bundestagswahlen 2021 machten viele ihr Kreuz bei der AfD. (Quelle: Unsplash)

Mit 10,3 Prozent der Wählerstimmen wird die AfD-Fraktion im neuen Bundestag 82 Abgeordnete stellen. Zwar sind das 2,3 Prozentpunkte weniger als 2017, wo die Partei mit 12,6 Prozent direkt die Fünf-Prozent-Hürde nahm und 94 Mandate errang, trotzdem sollte dies kein Anlass zur Beruhigung geben. Obgleich kleinerer Verluste konnte die AfD gerade in den neuen Bundesländern Zugewinne verzeichnen. In Sachsen und Thüringen wurde die Partei sogar stärkste Kraft.

Nachdem sich der Vorsitzende Jörg Meuthen zuletzt erfolglos gegen rechtsextreme Kräfte der Partei wandte, gab dieser nun bekannt, kein weiteres Mal für den Vorsitz der Partei zu kandidieren. Von einem weiteren Rechtsruck der Partei  können wir also ausgehen.

Der Triumph in den neuen Bundesländern einerseits und der Rückzug Meuthens als angeblich „gemäßigte“ Kraft andererseits, lassen fraglich erscheinen, ob zukünftig noch von zwei Flügeln der Partei gesprochen werden kann. Ein Blick auf den 20. Bundestag, der sich am Dienstag, den 26. Oktober, konstituiert, gibt Aufschluss darüber, was von der AfD in der neuen Wahlperiode zu erwarten ist.

IB-nahe Abgeordnete

Obwohl die „Identitäre Bewegung“ (IB) bereits 2019 als gesichert rechtsextrem eingestuft wurde und innerhalb der AfD sogar seit 2016 ein formaler Unvereinbarkeitsbeschluss besteht, gibt es zahlreiche Verbindungen zwischen AfD und IB.

Neu im Bundestag ist der 29-jährige Jan Wenzel Schmidt, der auf Platz zwei der Landesliste Sachsen-Anhalts kandidierte. Der ehemalige Landeschef der „Junge Alternative“ (JA), die ebenfalls ein rechtsextremer Verdachtsfall des Verfassungsschutzes ist, gehörte von 2016 bis 2021 dem Landtag an. In dieser Zeit stellte Wenzel Schmidt den früheren NPD-Mann Stefan Träger als Mitarbeiter seines Wahlkreisbüros an. Außerdem war er bereits 2016 Ehrengast und Redner auf einer Kundgebung der „IB“. In der Rede sagte er: „Die Bevölkerung wird ja in dem Sinne ausgetauscht, dass sie eben durch diese Asylbewerber ersetzt werden soll. Sie wird gar nicht mehr angeregt zur Reproduktion der eigenen Bevölkerung hier in Deutschland“, wie der Tagesspiegel berichtete. 2019 besuchte er ein Fest der IB in Halle.

Ein weiterer Neuzugang im Bundestag ist der 30-jährige Hannes Gauck. Gegen den vom militärischen Abschirmdienst als rechtsextrem eingestuften Oberfeldwebel läuft derweil ein disziplinarrechtliches Verfahren. Er ist Mitglied im Landesvorstand der „JA“ in Brandenburg, die ebenfalls als rechtsextremer Verdachtsfall unter Beobachtung steht. Im Wahlkampf ließ er sich vom IBler Alexander Lehmann unterstützen und zieht nun mit 20,3 Prozent der Erststimmen aus dem brandenburgischen Wahlkreis Uckermark-Barnim in den Bundestag ein.

Eine weitere Person mit Verbindungen zur IB ist Roger Beckamp, der bisher im Landtag von Nordrhein-Westfalen saß. Beckamp investiert sein Geld in den Ausbau rechter Strukturen. Er zahlte rechten Aktivisten „Stipendien“ wie etwa einem neurechten Spieleentwickler aus Österreich. Insgesamt sollen 6.000 Euro geflossen sein, wie das ZDF berichtete.

Das völkische Lager der AfD-Fraktion wächst an

Gerade im „völkischen“ Lager der AfD, das Björn Höcke und dem formal verbotenen „Flügel“ der Partei nahesteht, wird im neuen Bundestag noch stärker vertreten sein. Mit Robert Farle aus Sachsen-Anhalt, Christina Baum aus Baden-Württemberg und Carolin Bachmann ziehen drei Abgeordnete mit klaren Verbindungslinien zu Höcke und ins völkische Lager.

Die 33-jährige Caroline Bachmann erzielte mit 33,43 Prozent der Wahlstimmen im sächsischen Dorfchemnitz das beste Ergebnis für die AfD. Bei einem Bürgerdialog mit Ministerpräsident Kretschmer (CDU) in Freiberg im August 2021 nahm Bachmann an der Seite von bekannten extremen Rechten an der Veranstaltung teil und bewarb dort die AfD.

Mit der 65-jährigen Zahnärztin und Vorsitzenden des AfD-Kreisverbandes Main-Tauber in Baden-Württemberg zieht eine enge Vertraute von Höcke, Christina Baum, in den Bundestag ein. Sie wird auch als „süddeutsche Stimme des rechtsextremen Flügels“ bezeichnet. Baum war Mitinitiatorin der rechtsextremen Demonstrationen „Kandel ist überall“, welche den Mord an einer jungen Frau für rassistische Hetze instrumentalisierte.

Zuletzt wandte sich Baum verstärkt gegen LGBTIQ-Communitys und forderte während des Pride-Monats im Juni 2021 ein Verbot des CSD und der „Zurschaustellung sexueller Obszönitäten“. Bereits 2017 warnte sie vor der „Frühsexualisierung und der Förderung von Fantasiegeschlechtern“, „Mann und Frau sind Vielfalt genug“, so Baum.

Der 74-jährige Robert Farle, ist ehemaliges Mitglied der Deutschen Kommunistischen Partei und konnte den Wahlkreis Mansfeld mit 25,1 Prozent der abgegebenen Stimmen klar  für sich entscheiden. Während des Wahlkampfs verbreitete Farle noch Verschwörungserzählungen über angebliche Wahlmanipulationen. So sagte er im Landtag von Sachsen-Anhalt, „diese ganze Pandemie sei ein Schwindel“ und dass es sich um den „größten Wahlbetrug dieses Landes“ handeln würde.

Steffen Jannich bekam im Wahlkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge 33 Prozent der Erststimmen. Jannich wurde vom Polizeidienst suspendiert, nachdem er bei einer der ersten Proteste gegen Covid-19-Maßnahmen im April 2020 in Pirna als Versammlungsleiter gegen das Versammlungsgesetz verstoßen war. Auch später beteiligte sich Jannich an der Seite von Neonazis an weiteren Protesten der Covid-19-Leugner*innenszene und teilt auf sozialen Medien verschwörungsideologische Inhalte zur Pandemie und Demonstrationsaufrufe rechtsextremistischer Gruppierungen, wie der Tagesspiegel berichtete.

Ein weiterer Abgeordneter, der dem völkischen  Höcke-Lager nahesteht und nun in den Bundestag einziehen wird, ist Dirk Brandes. Zusammen mit Andreas Iloff und Dietmar Friedhoff gelten sie als wesentliche Akteure des niedersächsischen Netzwerks „Pegasus Germanus“, das sich als Zusammenschluss „wertekonservativer Patrioten“ versteht und ein Ableger des thüringischen Flügels darstellt. Die Gruppierung ist ebenfalls ein Beobachtungsfall des Verfassungsschutzes.

Auch Michael Kaufmann wird für die AfD-Fraktion in den 20. Bundestag einziehen. Mit 29,3 Prozent der Erststimmen lag er deutlich vor seinen Mitberwerber:innen in den Landkreisen Saalfeld-Rudolstadt, Saale-Holzland und Saale-Orla. Seit 2019 sitzt Kaufmann für die AfD-Fraktion im Thüringer Landtag, dessen Vizepräsident er ebenfalls ist. Die AfD hat Kaufmann nun auch als Kandidat für die Bundestagspräsidentenwahl vorgeschlagen. Der leere Platz in Thüringen wird künftig wohl von Thomas Gröger übernommen werden. Auf Facebook bezeichnet Gröger die Covid-19-Pandemie als „DDR 2.0“ und teilte das Foto eines „Judensterns“, der Zwangskennzeichnung während der NS-Zeit, mit der Aufschrift „Nicht geimpft“ sowie die Abbildung eines Konzentrationslagers mit der Aufschrift „Impfzentrum“, wie der MDR berichtete.

Auch der 57-jährige Mike Moncsek, der im Wahlkreis Chemnitzer Umland – Erzgebirgskreis II 28,9 Prozent der Erststimmen erhielt, wird Teil der neuen AfD-Fraktion. 2018 war Moncsek Versammlungsleiter beim sogenannten „Trauermarsch“ in Chemnitz, wo auch der ehemalige AfD-Spitzenvertreter Björn Höcke in der ersten Reihe neben Neonazis lief.

In seiner Bewerbungsrede für den Bundestag sprach Moncsek davon, dass man die Parlaments-Abgeordneten „rausschlagen“, müsse, sie „jagen und erlegen“ sollte. Die Rhetorik erinnert stark an Alexander Gaulands Rede nach dem Wahlerfolg von 2017 als dieser davon sprach Frau Merkel fortan „jagen“ zu wollen.

Zuletzt ist noch Edgar Najouk, ein 61-jähriger IT-Unternehmer zu nennen, der im Wahlkreis Leipzig-Land 24,6 Prozent der Erststimmen erhielt. Bei einer Wahlkampfveranstaltung im September 2021 trat Najouk gemeinsam mit Höcke als Redner auf. Nach der Veranstaltung kam es im Ort zu rechtsextremen Ausschreitungen.

In Anbetracht des rechtsextremen Neuzuganges in den Bundestag, ist mit einer weiteren Radikalisierung der Partei zu rechnen. 25 der 82 AfD-Abgeordneten – also knapp ein Drittel – ist neu in den Bundestag eingezogen. Unter ihnen viele Hardliner:innen, Rechtsextreme, suspendierte Polizisten und Soldaten sowie Corona-Leugner:innen, mit zahlreichen Verbindungen in unterschiedliche rechte Gruppierungen und Strukturen.

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