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NPD im Verzweiflungswahlkampf Migranten willkommen? Demokratie gut?

Der rechtsextremen NPD geht es nicht gut – nicht einmal im Wahlkampf im ehemaligen Vorzeigeland Sachsen, wo am Sonntag die Landtagwahlen bevorstehen. In Thüringen (Landtagswahl 14. September) sieht es auch nicht besser aus. Die AfD schnappt der NPD viele rechtsoffene „Protest“-Wähler*innen weg, die zwar latent nationalistisch, rassistisch und ökonomistisch sind, aber doch nicht offen Nazis sein wollen. Und nun? Gibt es zwei Online-Kampagnen, die angesichts ihrer Absurdität schmunzeln lassen: „Demokratie braucht NPD“ (Sachsen) und „Ausländische Investoren, Restaurantbetreiber, Studenten willkommen“ (Thüringen). Es steckt aber ein System dahinter.

 
Uups, was ist denn hier passiert? Die NPD heißt Migrant*innen willkommen? (Quelle: Facebook)

Die Abschaffung (bzw. „Überwindung“) der Demokratie ist eines der erklärten Ziele der NPD, das steht offen in ihrem Parteiprogramm. Allerdings waren die Rechtsextremen schon immer gut darin, sich die verhasste Staatsform zunutze zu machen: Dazu gehört das ritualhafte Beklagen einer angeblich mangelnden Meinungsfreiheit (weil man in Deutschland nicht den Holocaust leugnen und offen volksverhetzen darf) ebenso wie die zahlreichen Gänge vor Gericht, weil sich die NPD diskriminiert fühlt – oder eben auch die Teilnahme an demokratischen Wahlen, wie sie am Sonntag in Sachsen und am 14. September in Thüringen und Brandenburg vor der Tür stehen. Diese wird in der Regel von NPD-Kadern als Mittel zum Zweck begründet: Denn mit Wahlerfolgen kommen auch Gelder in die Kassen der notorisch klammen Partei – und dies sind die einzigen nennenswerten Gelder, über die die NPD aktuell verfügen kann.

Im sächsischen Wahlkampf allerdings haben die Kandidaten nun ihre Liebe zur demokratischen Prinzip der Meinungsvielfalt entdeckt:

Müsste es nicht eher heißen: NPD braucht Demokratie?

„Demokratie braucht NPD“ flehen da mehrere Kandidaten der sächsischen NPD, unter anderem Arne Schimmer (Foto): „Weil die politische Debatte rechte Positionen braucht“ oder „Weil unbequeme Wahrheiten ausgesprochen werden müssen“. Kollege Johannes Müller ist „für klare Worte“ und „gegen Denkverbote“. Bei aller Perfidie, mit der die NPD auf diesem Wege versucht, sich selbst als einzige Partei darzustellen, die diese ermöglichen würde: Es hat auch etwas Rührendes, wie hier um die eigene Existenzberechtigung gebettelt wird – wohl wissend, dass die meisten Wähler*innen diese schwer in Frage stellen. Auch in Sachsen. 

Arne Schimmers letzter Punkt für die NPD-Existenzberechtigung ist: „Weil wir unsere Identität als Deutsche bewahren müssen“. Damit hat er sich für eine derzeit in NPD- wie rechtspopulistischen Kreisen beliebte Weichspülversion von „Deutschland den Deutschen“ entschieden. Was entsprechend ja auch bedeutet, dass alle anderen in ihren Ländern bleiben sollen – die Nazis nennen diesen vermeintlich kulturell aufgeladenen Rassismus „Ethnopluralismus“. Nur dem Thüringer NPD-Spitzenkandidaten scheint das niemand erzählt zu haben. Denn Patrick Wieschke hat auch eine interessante Grafik auf Facebook verbreitet, in der er „Gute Migranten – Schlechte Migranten“ spielt und plötzlich sogar einige von ihnen willkommen heißt:

Ein NPDler, der ausländische Restaurantbesitzer, Studenten und Investoren willkommen heißt? Dies soll einer nicht-rechten Öffentlichkeit eine vermeintliche Differenzierung im Rassismus der NPD vorgaukeln – den durchschnittlichen NPD-Facebook-Freund verwirrt es:

Interessant ist dabei auch, wer hier vor allem „ausländische Restaurantbesitzer“ willkommen heißt: Wurde Patrick Wieschke doch unter anderem im Jahr 2002 wegen Anstiftung zur Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion und einer Sachbeschädigung verurteilt – ein Anschlag auf einen türkischen Imbiss in Eisenach. 

Offensichtlich wird bei diesen Beispielen: Die NPD versucht es im Wahlkampf weiterhin mit einer Doppelstrategie: Im wirklichen Leben propagiert sie offenen Rassismus gegen Flüchtlinge propagiert – nicht ohne Grund ist die Abschlusskundgebung des NPD Sachsen-Wahlkampfes in Schneeberg, wo es der NPD 2013 das erste Mal gelang, massive Proteste gegen Flüchtlinge als „Lichtelläufe“ auf die Straße zu bringen.

Dagegen versuchen es die NPD-Kandidaten in ihren Wahlkampfmaterialien off- und online, sich auch für nicht-rechtsextreme Bürger*innen als wählbare Partei darzustellen. Wieschke stellt nicht das einzige Weichspül-Beispiel dar: Im aktuellen Wahlkampf wurde aus dem offen martialisch-demokratiefeindlichen Langzeit-Kampagnenthema der NPD  „Todesstrafe für Kinderschänder“ ein dieselbe Thematik verniedlichendes „Kinderschutz statt Kuscheljustiz“. Und setzte die NPD einst noch vor allem für den Tierschutz ein, weil sich so etwa über die Thematik des Schächtens trefflich gegen Muslime und Juden hetzen ließ, so gibt nun vor allem sinnentleerte Motive wie dieses:

Bleibt zu hoffen, dass sich nicht all zu viele Wählerinnen von der scheinbaren neuen Harmlosigkeit der NPD täuschen lassen: Deren rechtsextreme Anhänger*innen sind weiterhin genauso rassistisch, gewalttätig und demokratiefeindlich wie immer. Die NPD nicht in Landtage zu wählen und ihnen damit diese wichtige Finanzierungs- und Präsentationsmöglichkeit zu verwehren, ist eine einfache und wirkungsvolle Maßnahme gegen Rechtsextremismus.

 

Mehr auf netz-gegen-nazis.de:

Lustigerweise sieht er aus wie ein braunes Schwein, doch der „Platzhirsch“ ist die verharmlosende Jugend-Strategie der sächsischen NPD im Wahlkampf:

| NPD-Nachwuchs sucht nach Karrierealternativen – Nazi-Plüschhirsch an sächsischen Schulen unterwegs

Mehr im Internet:

Einen ausgesprochen interessanten Beitrag zu Social Media Strategie der NPD gab es gestern beim Medienmagazin ZAPP:

| Social Media und braunes Plüsch-Maskottchen

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